,,Die jüngere Generation hat andere Hobbies als Lesen“

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Interview mit Jens Kielhorn, Geschäftsführer der S.C. Büchercafé S.R.L.

Ausgabe Nr. 2764

Jens Kielhorn vor einem Regal im Erasmus-Büchercafé.                                 Foto: Carla HONOLD

Seit mehr als 15 Jahren führen Liana und Jens Kielhorn das Erasmus-Büchercafé in Hermannstadt. 2007 eröffneten die beiden die Schiller-Buchhandlung am Großen Ring. Im gleichen Jahr gründeten sie mit dem 2020 verstorbenen Anselm Roth den Schiller Verlag Hermannstadt-Bonn. Mittlerweile betreibt das Ehepaar Kielhorn weitere Buchhandlungen in Temeswar/Timișoara und Birthälm/Biertan. Jens Kielhorn ist Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt und des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen sowie einer der Gründer der Charlotte Dietrich-Schule. Im Gespräch mit HZ-Praktikantin Carla H o n o l d erzählte der 54-jährige gebürtige Bonner, warum er trotz Aufhebung des Alarmzustands vorerst weiterhin wenige Touristinnen und Touristen erwartet.

Welchen Anteil an Ihrem Geschäft machen deutschsprachige Touristinnen und Touristen aus? Wie war das Ausbleiben dieser Kundschaft während der Pandemie spürbar?

Ich würde schätzen etwa 25 Prozent. Mit dem Umsatz kann man das besser beziffern. Da ist aber auch alles andere drin. Ich weiß schließlich nicht genau, wer was kauft. Die Schiller-Buchhandlung am Großen Ring ist hauptsächlich für Touristinnen und Touristen gedacht. Dort hatten wir im ersten Jahr der Pandemie einen Umsatzrückgang von etwa 75 Prozent. Damals war monatelang nichts los. Es hat sich auch kaum jemand von den Einheimischen in die Stadt getraut. Letztes Jahr, als es im Sommer etwas lockerer war, waren wir auf etwa 50 Prozent des Umsatzes gegenüber 2019. Unter den anderen Buchhandlungen war besonders jene in Birthälm von den fehlenden Touristinnen und Touristen betroffen. Da gibt es keine lokale Kundschaft für deutsche Bücher. Die Verluste wurden teilweise durch rumänische Touristinnen und Touristen wettgemacht.

Gerade die Kundschaft aus Bukarest hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Die fahren im Sommer vermehrt nach Siebenbürgen und besichtigen die Kirchenburgen. Neben der deutschen Literatur bieten wir auch Produkte wie Ansichtskarten und Mitbringsel an, da ist die Sprache nicht wichtig.

Welche weiteren Kundengruppen sind für Ihr Geschäft wichtig?

Einzig im Erasmus-Büchercafé haben wir auch rumänische Literatur im Angebot. Das war meiner Frau, die aus Siebenbürgen stammt und durch die ich auf die Region gestoßen bin, von Anfang an wichtig und das hat sich auch bewährt. Hier kommen viele rumänische Familien herein. Die Kinder vieler Rumäninnen und Rumänen lernen Deutsch. Das ist unsere wichtigste Kundengruppe. Ohne die, die deutsch erlernen möchten, wären wir aufgeschmissen. Allein die Siebenbürger Sachsen – die wenigen, die es hier noch gibt – können unseren Laden nicht tragen.

Als zusätzliches Standbein sind wir im Versandhandel tätig, der macht etwa weitere 25 Prozent des Umsatzes aus. Als weitere Einkommensquelle haben wir den Schiller Verlag, wo wir ein breites Spektrum von Büchern herausgeben, insbesondere über Siebenbürgen und Rumänien sowie für Schülerinnen und Schüler. Wir verlegen hauptsächlich deutsche Werke – da liegt meine Sprachkompetenz – aber auch einige auf Rumänisch sowie Englisch oder in mehrsprachiger Version.

Was erhoffen Sie sich nach der Aufhebung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und von den abnehmenden Reiseeinschränkungen?

Corona ist eigentlich kein Thema mehr. Dafür haben wir jetzt ein neues Thema. Daher befürchte ich, dass auch dieses Jahr nicht allzu viele Leute kommen werden. Aus west- oder mitteleuropäischer Sicht sind wir hier zu nahe am Kriegsgeschehen in der Ukraine. Hierbei kommt es stark darauf an, wie lange sich das noch hinzieht. Das kann niemand sagen. Viel erwarte ich mir dieses Jahr nicht. Es wird wohl so auf dem Niveau vom letzten Jahr sein, also etwa 25 Prozent unter dem Niveau von 2019.

Wie hat sich die Nachfrage nach deutschsprachiger Literatur entwickelt?

2006 haben wir mit dem Erasmus-Büchercafé angefangen. 2007 haben wir die Schiller-Buchhandlung übernommen und Hermannstadt war Europäische Kulturhauptstadt, das war ein Ausnahmejahr. In den Jahren vor der Pandemie gab es erfreulicherweise einen stetigen Anstieg. Das hat zudem damit zu tun, dass wir bekannter geworden sind. Wir haben auch Glück, dass Amazon noch nicht alles nach Rumänien liefert oder nur gegen hohe Versandkosten. Ginge das versandkostenfrei, hätten wir ein größeres Problem. Das kann aber jederzeit kommen. Da gibt es gewisse Gefahren für unser Geschäft. Das größte Risiko aber ist, dass die Anzahl der Buchlesenden abnimmt. Die jüngere Generation hat andere Hobbies als Lesen. Die Kundschaft wird älter. Das lässt sich nicht aufhalten. Einiges wird auf E-Books abwandern. Trotzdem sind wir optimistisch, dass wir unser Geschäft noch eine Reihe von Jahren werden betreiben können.

Welche Präferenzen hat Ihre Kundschaft? Gibt es Unterschiede zwischen der deutschsprachigen touristischen Kundschaft und den Einheimischen?

Natürlich kaufen die Gäste andere Bücher als die Einheimischen. Wir sind nicht so wie die typische deutsche Buchhandlung, wo am Eingang gleich Kisten und Tische voller Bestseller stehen. Wir verkaufen auch Bestseller. Die laufen relativ gut. Es gibt einige Deutsche, die hier wohnen und immer mal wieder vorbeikommen und schauen, was es Neues gibt. Das ist aber für unser Geschäft nicht so wichtig. Der Schwerpunkt für uns sind lokale Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zum Gymnasium. Alle möglichen Leselernhilfen, Märchen und Grammatik- und Wörterbücher sowie die deutschen Klassiker werden oft gekauft. Auch Literatur zum Deutschlernen für Erwachsene vertreibt sich gut. Krimis als leichtere Literatur sind beliebt. Bei den englischen Büchern geht zudem immer was bei den Klassikern. Unter der rumänischen Kundschaft ist Ratgeberliteratur zu Themen wie ,,Wie werde ich reich?“ oder ,,Wie bilde ich meine Persönlichkeit weiter?“ beliebt. Da kommen viele Bestellungen herein, gerade von Auslands-Rumänen. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die solche Bücher auf Rumänisch im Ausland anbieten. Fachliteratur zu Siebenbürgen und den Siebenbürger Sachsen – da sind wir Nischenanbieter – ist für uns auch wichtig und einer der Schwerpunkte. In diesem Bereich gibt es viele Werke, aber die findet man in keiner Buchhandlung in Deutschland so gebündelt wie bei uns. Diese Titel sind besonders bei der touristischen Kundschaft hoch im Kurs.

Vielen Dank für das Gespräch!

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.