„Sie sind Bewahrer der Identität“

Teile diesen Artikel

Sonderschau: Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgen. Ein europäisches Kulturerbe
Ausgabe Nr. 2510
 

3-kirchenburgen

Die Botschaft von Rumänien in Berlin war am 24. November 2016 Veranstaltungsort einer Ausstellungseröffnung der besonderen Art. 24 übermannshohe, ein Meter breite Tafeln eröffnen dem Betrachter eine einzigartige Welt, geprägt von Kraft, Gemeinsinn, Glaube, Baukunst und Fleiß. S.E. Emil Hurezeanu, Botschafter von Rumänien in der Bundesrepublik Deutschland, hieß mit Freude, Stolz und Dankbarkeit, in einem sehr persönlichen Grußwort seine zahlreichen Gäste willkommen. Er würdigte die Siebenbürger Sachsen und die einmalige Kirchenburgenlandschaft, die Siebenbürgen – als außergewöhnlichen Kulturraum – zu einer touristischen Attraktion macht, für Menschen jeden Alters, weltweit.

 

Der Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Reinhart Guib, hat in seiner kurzweiligen Ansprache auf das wesentliche Merkmal der im Aussehen so unterschiedlichen Kirchenburgen aufmerksam gemacht: sie sind die Bewahrer der Identität der Siebenbürger Sachsen. „Ein feste Burg ist unser Gott“, der Choral mit dem Text von Martin Luther hat jahrhundertelang Halt gegeben, Mut gemacht, Trost gespendet. So waren die Kirchenburgen in schwierigen Zeiten Orte des Alltags, in denen die Gemeinde ihre Stärke beweisen konnte. Es wurde ein komplexes Leben geführt, gut vorbereitet, organisiert und bewacht, nichts kam zu kurz, auch nicht das Lernen. Die Menschen, ihre Kultur und Lebensart haben Angriffe und Gewalt überstanden, denn ihr Glaube gab ihnen Identität und Werte. Die Kultur der Siebenbürger Sachsen hat erheblich auch das Wirken der rumänisch-orthodoxen Kirche in Siebenbürgen beeinflusst, denn der erste Katechismus in rumänischer Sprache wurde in der Druckerei eines Siebenbürger Sachsen in Hermannstadt gedruckt.

Worte der Bewunderung und Wertschätzung sprach Prof. Dr. phil. Gabi Dolff-Bonekämper vom Institut für Stadt- und Regionalplanung an der Technischen Universität Berlin. Die TU ist Partnerin der Stiftung Kirchenburgen nicht nur bei der Realisierung der Ausstellung.

Philipp Harfmann, Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen, lud anschließend zum Besuch der Ausstellung ein, die er und seine Mannschaft gestaltet haben. Aber er tat es nicht als Held, der Großartiges erreicht hat, sondern mit der Bescheidenheit und Vorfreude dessen, der die Gewissheit hat, nie am Ziel ankommen zu können, jedoch den unendlichen Weg zusammen mit Menschen geht, die er für jeden seiner nächsten Schritte begeistert. Er sieht die Stiftung als Ersatz für die teilweise nicht mehr vorhandene Gemeinde.

In der Präsentation der Ausstellung heißt es: „Als Teil des internationalen Kulturerbes zeugen die Kirchenburgen von einem besonderen Kapitel europäischer Geschichte und stehen stellvertretend für die lange, pluriethnisch geprägte Tradition dieses Landstriches. Zugleich bedürfen sie eines besonderen Schutzes. Vor diesem Hintergrund gründete die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien die Stiftung Kirchenburgen, die als Fachinstitution für den Erhalt des kirchlichen Kulturerbes arbeitet. Sie steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft des rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis und des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck“.

Diese ungewöhnlich emotionale Ausstellung ist sowohl Bestandsaufnahme, als auch Verwirklichung mutiger Pläne, sie ist gleichzeitig eine ruhige Ecke zum Tränen Abwischen und Treffpunkt für Abenteuerlustige. Menschen, die gemeinsam Geschichte bewahren, machen den Unterschied zwischen Resignation und Hoffnung.

Im Gespräch erklärte Bischof Reinhart Guib, dass es Ziel der Ausstellung ist, Menschen auf die Problematik der Kirchenburgen aufmerksam zu machen und als Helfer zu gewinnen.

Insgesamt war die kurze Reise nach Deutschland ein voller Erfolg für Bischof Reinhart Guib und Hauptanwalt Friedrich Gunesch. Voller Freude berichten sie vom wichtigen Vertrag, unterschrieben vom Landeskonsistorium für die Kirchengemeinde Bistritz, als Eigentümer, und dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, über die Vasa Sacra, Teppiche, wertvolle Dokumente und Gegenstände, die 1945 von den Nordsiebenbürgern auf der Flucht mitgenommen wurden. Das Kulturgut wird nun nach 70 Jahren Gegenstand von Forschungsarbeiten und Projekten und anschließend auch von Restaurierungsarbeiten. Bund, Land und Stadt, sowie Kulturstiftungen werden die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stellen. „Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet das Germanische Nationalmuseum unser Partner ist, denn bei seiner Gründung haben auch Siebenbürger Sachsen mitgewirkt” sagt Hauptanwalt Gunesch. Eine Nachfolgegesellschaft hat im Zuge der damaligen Flucht die Verantwortung für die Gegenstände übernommen, konnte jedoch bis jetzt nichts unternehmen, da sie nicht Eigentümerin war. Die Gegenstände dokumentieren die Geschichte, den Glauben und die Kultur der evangelischen Siebenbürger Sachsen und sind es wert, gezeigt zu werden, sowohl im Nürnberger Raum, die Region mit den meisten Siebenbürger Sachsen, ca 20.000, aber auch in anderen Teilen der Bundesrepublik.

Die Ausstellung wird nun in Deutschland gezeigt, danach in Österreich, Rumänien und geplant ist auch Nordamerika. Bis Januar in der Botschaft, dann bis zum Sommer in verschiedenen Stationen in Deutschland und Rumänien, z.B. Dinkelsbühl, Bonn, anlässlich der im März stattfindenden Tagung deutscher Restauratoren. Im August wird sie in Hermannstadt weilen, als Höhepunkt beim Sachsentag und im September in Kronstadt, beim Siebenbürgischen Kirchentag. Nürnberg hat Interesse bekundet und als Ausstellungsort das Nürnberger Rathaus angeboten. Es werden auch von weiteren Städten Anfragen erwartet. Allerdings richtet sich die Ausstellung nicht zuerst an die Siebenbürger Sachsen, sondern an Menschen die erst die Kirchenburgenlandschaft kennenlernen müssen.

Zwischen den Kirchen gibt es einen guten Jugendaustausch und anlässlich des Sachsentreffs und des Kirchentages erhofft man sich einen noch stärkeren Zuspruch. Dann könnte eine engere Bindung entstehen, zu den jungen Menschen, die bis jetzt nur über Eltern oder Großeltern Berührungspunkte mit Siebenbürgen haben.

„In den letzten Jahren konnte man verstärkt beobachten, dass junge Menschen auf der Suche nach ihren Wurzeln Siebenbürgen bereisen”, berichtet Bischof Guib.

Wie Hauptanwalt Gunesch optimistisch bemerkt, hat die Stiftung zwei gute Botschafter, die beiden Staatspräsidenten, Joachim Gauck und Klaus Johannis. Die Ausstellungseröffnung betrachtet er als Gelegenheit neue Freunde und Förderer für die Arbeit der Stiftung Kirchenburgen zu gewinnen.

Als Stifter stellt die Evangelische Kirche mit dem Landeskonsistorium einen Sockelbetrag zur Verfügung, um den Betrieb des Stiftungsbüros aufrecht erhalten zu können, jedoch wird angestrebt, dass langfristig Projekte so gut funktionieren, dass sie Mittel erwirtschaften, die eine Deckung von Personal- und Betriebskosten ermöglichen.

Zur Zeit werden Gutachten erstellt, in Zusammenarbeit mit der Europauniversität Viadrina aus Frankfurt (Oder), um eine genaue Planung der künftigen Arbeiten vornehmen zu können.

Dr. Bernd Fabritus, der siebenbürgisch-sächsische Bundestagsabgeordnete hat ein Treffen mit der Staatsministerin Monika Grütters vermittelt und sogar ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin ermöglicht, was von den beiden Kirchenvertretern als Ehre und Freude empfunden wurde.

Das deutsche Bildungswesen in Rumänien wird vom Bundestag gefördert und die Zusage für die finanzielle Unterstützung der Zusammenarbeit mit der Viadrina erfolgte im Gespräch mit Staatsministerin Grütters. Es steht fest, dieses Projekt wird jeweils zur Hälfte von der rumänischen und der deutschen Seite getragen.

Dank des Einsatzes der Stiftung werden Fachkräfte für die Arbeiten an den Kirchenburgen geschult. Aus- und Weiterbildungen werden über Partnerschaften initiiert und durchgeführt. Inzwischen gibt es viele gemischte Familien, wo nicht mehr ausschließlich Deutsch gesprochen wird, aber die deutschen Schulen leisten gute Arbeit. Rumänisch-orthodoxe Jugendliche haben eine starke soziale Bindung zu den deutschsprachigen Jugendlichen, interessieren sich für die Kultur und für die evangelische Kirche, wollen sich mit allem vertraut machen und tragen auch dazu bei, manche Traditionen weiter zu führen, die Kultur und die Werte der Siebenbürger Sachsen zu bewahren. Da ist wohl die Hoffnung berechtigt, dass die Menschen, die in jungen Jahren mit Begeisterung Kulturpflege betrieben haben, um das Erbe der Siebenbürgen Sachsen im Alltag am Leben zu erhalten, die Notwendigkeit erkennen werden, bewusst in der Sache aktiv zu bleiben. Damit wieder durch die schweren Kirchentüren „Ein feste Burg ist unser Gott” erklingt und der „offenen Erbengemeinschaft” (Prof. Dolff-Bonekämper) Zuversicht und Freude bringt.

Simona BÖHM

 

Hauptanwalt Friedrich Gunesch, Bischof Reinhart Guib und Philipp Harfmann (v. l. n. r.).                                                             Foto: Ines HUBER

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.