,,Das Lehrbuch ist der Catechismus“

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AKSL-Tagung zur Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Volksschule

Ausgabe Nr. 2934

Die elf Referenten beim Gruppenbild nach Abschluss der Tagung im Spiegelsaal des DFDH (v. l. n. r.): Stefan Măzgăreanu, Johann Lauer, Gerold Hermann, Heinz Bretz, Sebastian Engelmann, Friedrich Philippi, Martin Bottesch, Erwin Jikeli, Ulrich A. Wien, Robert Pfützner und Kurt Philippi.                             Fotos: Beatrice UNGAR

„Kein Unterschied des Volkes, des Glaubens, des Standes soll uns hindern, unsern Nebenmenschen als unsern Nächsten zu lieben,” heißt es unter Punkt 63, Seite 50 in dem damals verwendeten Lehrbuch Biblische Sittenlehre für die Jugend”, gedruckt 1819 bei Johann Barth in Hermannstadt. Dies war nur eines der zahlreichen Zitate aus diesem Lehrbuch, die Friedrich Philippi zum Abschluss seines Vortrags bei der Tagung vorstellte, die der Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgenforum und mit finanzieller Unterstützung seitens des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen e. V. und des Departements für interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung am vergangenen Wochenende im Spiegelsaal des DFDH in Hermannstadt veranstaltet hat .

Das Thema der Tagung – „Die siebenbürgisch-sächsische Volksschule in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – hatte der Mathematiklehrer und langjährige Vorsitzende des Siebenbürgenforums sowie der Schulkommission des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Martin Bottesch vorgegeben. Ihm zur Seite stand Erwin Jikeli von der Sektion Schulgeschichte des AKSL. Beide moderierten die Tagung und hielten ihrerseits Referate. Bottesch hatte die Referenten darum gebeten, sich auf die Auswertung der Antworten zu beziehen, die Bischof Daniel Georg Neugeboren (1759-1822) auf einen umfangreichen Fragebogen von den evangelischen Volksschulen in Siebenbürgen im Jahr 1818 erhalten hatte. Der Fragebogen enthielt 64 Punkte mit insgesamt etwa 100 Fragen. Die von Martin Bottesch digitalisierten Dokumente erfassen die Situation von 214 Schulen der Siebenbürger Sachsen, Antworten zu den von mir bearbeiteten Fragen gibt es für 206 davon, es fehlen die entsprechenden Dokumente aus 8 Ortschaften (Birk, Neithausen, Radeln, Reußmarkt, Sächsisch Regen, Schäßburg, Tobsdorf und Treppen).

Bis auf drei Referate, die sich auf das 18. Jahrhundert bzw. auf die Zeit um die Mitte und das Ende des 19. Jahrhunderts bezogen, und auf das eine, das sich mit der Frage beschäftigte, wie Künstliche Intelligenz zur Erschließung und Bewahrung des siebenbürgisch-säschsichen Kulturerbes eingesetzt werden kann, beschäftigten sich alle anderen mit dem Fragebogen.

Zum Auftakt würdigte Stefan Măzgăreanu Walter König, einen der Gründer des AKSL, zu dessen 100. Geburtstag. In seinem Referat Die siebenbürgisch-sächsische Volksschule im 18. Jahrhundert ging Martin Bottesch auf die Fragen ein, was es für das seit mehreren Jahrhunderten existierende siebenbürgisch-sächsische Volksschulwesen bedeutet hat, als im 18. Jahrhundert der österreichische Staat, dessen Provinz Siebenbürgen damals war, auch auf das Schulwesen Einfluss zu nehmen begann. Dabei wertete er vor allem Protokolle von Schulvisitationen aus den 1760er Jahren aus. In Aussicht genommen habe er als Ergänzung die Untersuchung auch des Schulwesens der siebenbürgischen evangelischen Ungarn und Bulgaren, die ebenfalls aufgrund der erwähnten Visitationsprotokolle möglich sei.

Sebastian Engelmann stellte zwei Referate vor. Zunächst ging es unter dem Titel „Was für Schulanstalten bestehen in…“ um die Organisation der siebenbürgisch-sächsischen Volksschule in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei im Zentrum die Frage stand, welche strukturellen Muster sich in Aufbau, Räumlichkeit und interner Ordnung der Schulen erkennen lassen. In seinem zweiten Referat, Die Lehrer der siebenbürgisch-sächsischen Volksschule ging es um die Professionalisierung des pädagogischen Personals in den Volksschulen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Friedrich Philippi stellte sein Referat zu den Schulbüchern in den siebenbürgisch-sächsischen Volksschulen um 1818 unter den vielsagenden Titel „Das Lehrbuch ist der Catechismus“. Dabei ging er auf die Beantwortung der Fragen 30 und 31 aus der Umfrage von Bischof Neugeboren durch die Schulmeister oder Pfarrer der damaligen Gemeinden der Evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen ein. Die aus dieser Zeit im Zentralarchiv der EKR im Teutschhaus vorhandenen Schulbücher waren in einer kleinen Ausstellung zu sehen.

Gerold Hermann seinerseits bezog sich in seinem Referat, Von der Einschulung bis zur Entlassung – Wissenswertes über Schüler des Jahres 1818 auf die Antworten zu den Fragen 17-22.

Erwin Jikeli berichtete unter dem Titel „Das Gesetz zeigt den Geist der Zeit. Das Gesetz erhält Ordnung“ über Schulordnungen, Inhalte und Methoden an siebenbürgisch-sächsischen Volksschulen.

Robert Pfützner stellte sein Referat über Erziehungsmaßnahmen an siebenbürgisch-sächsischen Dorfschulen im frühen 19. Jahrhundert unter den aussagekräftigen Titel Von Ritualen, (Un)Ordnung und Willkür. Diesen Aspekt rekonstruierte Pfützner aus Sicht der Lehrer: Wie und warum wurden in den Schulen Strafen verhängt? Wie wurde versucht, die Schüler und Schülerinnen zu sittlichem Verhalten zu führen und ihren regelmäßigen Schulbesuch sicher zu stellen?

Stefan Măzgăreanu ging unter dem Titel „Erinnerungen über die Gebrechen dieser Schule“ auf die Antworten zur 64. und letzten Frage ein, die sich auf Wünsche, Anregungen und Vorschläge von Pfarrern und Lehrern zur Verbesserung der Schulverhältnisse bezog.

Kurt Philippi stellte Musikalien der Rektoren der siebenbürgisch-sächsischen Volksschulen um 1820 vor und wurde dabei unterstützt von seinem Enkel Paul Philippi (9), der zur Klavierbegleitung von Ursula Philippi das Lied Herr behüte uns vor allem Übelaus einem Dictum des Schäßburger Stadtkantors Martin Polder vortrug.

Der Entwicklung des siebenbürgisch-sächsischen Volksschulwesens während der Zeit 1820-1867gewidmet war der Beitrag von Ulrich A. Wien.

Heinz Bretz bot anhand von Auszügen aus den Lebenserinnerungen von Heinrich Bretz (1862-1947) und Heinrich Emil Bretz (1891-1986) ein Bild der Volksschulen in Siebenbürgen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.

Zum Abschluss stellte Johann Lauer sein Referat Generative Künstliche Intelligenz (GenKI) vernetzt siebenbürgisch-sächsisches Kulturerbe: eine digitale Lernplattform für alle vor, wobei er feststellte, dass die Siebenbürger Sachsen eine Entwicklung von einer festen Burg zu einem offenen Club durchgemacht hätten.

Die Besprechung über die weitere Vorgehensweise in der Sache Dokumentationsprojekt, das vielleicht in ein Buch münden wird, dauerte fast so lang wie die Tagung selbst.                         Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.