Laudatio auf Martin Bottesch / Von Gerold HERMANN
Ausgabe Nr. 2937

Ehrennadel für Martin Bottesch: Die höchste Auszeichnung für besondere Verdienste um die deutsche Minderheit, die Goldene Ehrennadel des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), überreichte im Anschluss an die Vertreterversammlung des DFDR am vergangenen Freitag im Spiegelsaal des DFDH der DFDR-Vorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr (links) an Martin Bottesch. Foto: Benjamin JÓZSA
Es bietet sich mir heute eine ganz besondere Gelegenheit, die Tätigkeit und Persönlichkeit von Martin Bottesch zu würdigen. Der Anlass ist bekannt: Der Vorstand des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien hat einstimmig beschlossen, Martin Bottesch die höchste Auszeichnung für besondere Verdienste um die deutsche Minderheit, die Goldene Ehrennadel, zu verleihen.
Zum Biographischen: Martin Bottesch wurde am 27. September 1953 in Großpold/Apoldu de Sus in einer Landlerfamilie geboren. Nach dem Studium der Mathematik an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg war er zunächst 14 Jahre lang Lehrer am Gymnasium in Mühlbach und seit 1992 bis zum Schuljahresende 2023 am Brukenthalgymnasium in Hermannstadt.
Vor der Wende vom Dezember 1989 lebte Familie Bottesch in Mühlbach. Martin gehörte da zu den Gründungsmitgliedern des Forums und war zwei Jahre lang der Vorsitzende des Kreisverbands Alba. Nachdem die Familie entgegen dem allgemeinen Trend beschlossen hatte, Rumänien nicht zu verlassen, übersiedelte sie 1992 nach Hermannstadt. Hier war Martin Bottesch 1998-2000 Vorsitzender des Hermannstädter Forums und von 2013 bis 2024 Vorsitzender des Siebenbürgenforums. Martin Bottesch war an den Wahlerfolgen des Forums ab dem Jahr 2000 alles andere als „unschuldig“. Unvergesslich bleiben die beiden großen Sachsentreffen von 2017 und 2024, die er koordiniert hat. Nicht zuletzt dank seiner Fähigkeit, im Team zu arbeiten, konnten tausende von Teilnehmern unbeschwerte und fröhliche, aber auch tadellos organisierte Veranstaltungen erleben.
Der Allgemeinheit weniger bekannt ist der kontinuierliche Einsatz von Martin Bottesch für den Erhalt des deutschsprachigen Schulunterrichts. Ihm ist mehr denn sonst jemandem die gegenwärtig bemerkenswert positive Lage zu verdanken. Martin Bottesch war 7 Jahre der Vorsitzende der Schulkommission des Siebenbürgenforums und dann 10 Jahre des Landesforums. Da fühlte er sich nach eigener Aussage „am meisten nützlich, denn der deutschsprachige Unterricht war vom Gesetz her zwar möglich, wegen seiner vielfältigen Probleme bedurfte es aber eines ständigen Einsatzes seitens der Minderheit“. Anfang der 2000er Jahre hat Martin Bottesch ein Projekt zur Übersetzung von Lehrbüchern des Lyzeums aus dem Rumänischen ins Deutsche geleitet. Diese Bücher sind teilweise immer noch im Gebrauch, zum Glück ist für die Klassen 1-8 in den letzten Jahren viel geschehen. Als es 2003 darum ging, ein Schulbuch für Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien zu erstellen, hat Martin Bottesch die Koordination dieser Arbeit übernommen und war auch Mitautor. Danach hat er sich um die Herausgabe von Neuauflagen gekümmert (bis 2017 gab es insgesamt 6), die auch im Buchhandel guten Absatz fanden und so durch die Einnahmen den jeweils nächsten Druck möglich machten. Inzwischen arbeitet ein Team an zwei neuen Büchern für dieses Fach, das Buch für die 6. Klasse soll demnächst erscheinen.
Martin Bottesch setzte sich in den 1990er-Jahren für die Gründung des Zentrums für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache in Mediasch ein, war dessen erster Leiter 1998-2004. Er arbeitete im Jahr 2013 die Unterlagen aus, dank derer in deutscher Sprache unterrichtende Lehrkräfte Fördermittel aus dem deutschen Bundeshaushalt bekommen, um nicht in besser bezahlte Jobs abzuwandern – das wäre ohne seine Beharrlichkeit nie möglich gewesen. Er initiierte die Stelle einer Schulbuchbeauftragten beim DFDR, die die Kontakte zum Bildungsministerium, zu Verlagen, Schulbuchautoren, Übersetzern usw. hält und die Herausgabe der Schulbücher in deutscher Sprache koordiniert.
Martin Bottesch war Mathematiklehrer mit Leib und Seele, der eigene Beiträge aus dem Bereich der Didaktik des Faches veröffentlichte, dessen Schüler dank seiner Kompetenz und hunderten – natürlich nicht bezahlten – Vorbereitungsstunden im Landesvergleich brillierten. Er war ungehalten, wenn die Fachzeitschrift Gazeta Matematică mit Verspätung eintraf, Mathematiker war für ihn mehr als ein Beruf.
Als Ergebnis der unerwarteten Wahlerfolge im Kreis Hermannstadt von 2004 hat Martin Bottesch die Funktion des Kreisratsvorsitzenden übernommen. Weder hatte er Erfahrung in der Verwaltung, noch hatte er sich das Amt gewünscht – ein Vertreter des Forums sollte aber die einmalige Chance im Dienste aller Bewohner des Kreises wahrnehmen. Bottesch hat akzeptiert und wurde prompt nach 4 Jahren in Direktwahl im Amt bestätigt. Während seiner beiden Mandate erfolgte u. a. der Ausbau des Flughafens, die Fertigstellung des neuen Gebäudes der „Astra“-Bibliothek, der Bau des Sozialzentrums in Săliște und eines Sitzes für das Folkloreensemble „Junii Sibiului“, die Modernisierung des „Gong“-Theaters, der Beginn der Sanierung der Straße Hermannstadt – Schäßburg über Agnetheln, aber auch zahlreicher Straßen im Landkreis, insbesondere dank dem Heranziehen von EU-Mitteln. Er habe jede Schwierigkeit als eine Herausforderung betrachtet und war überzeugt, dass es keine unüberwindbaren Hürden gibt, sagte er, als er nach acht Jahren Bilanz zog.
Spät habe ich gemerkt, dass Martin Bottesch viele Jahrzehnte lang jegliche Urlaubs- oder Freizeit jenseits der Erfüllung von Aufgaben aus Ehrenämtern als Chance wahrgenommen hat, um sich der Arbeit im Bereich seiner Hobbys zu widmen. Wer den 2011 erschienen Band „Großpold – ein Dorf in Siebenbügen“ in Händen hält, welcher mittlerweile auch in rumänischer Sprache erschienen ist, braucht keine weiteren Argumente. Das 500-Seiten Werk hat zwei Autoren, aber die akribische Dokumentation und das Zusammentragen der 1000 Fotos hat größtenteils Martin Bottesch bewerkstelligt. Es war nicht die erste Veröffentlichung im Bereich der Heimatkunde: 1992 waren in Wien „Die bairisch-österreichische Mundart der Landler von Großpold in Siebenbürgen“ (mit Gattin Johanna verfasst) und 2002 im Böhlau-Verlag „Die Siebenbürgischen Landler. Eine Spurensicherung“ (bei dem Bottesch Mitherausgeber war) erschienen.
Die Beschäftigung mit der siebenbürgischen Geschichte geht weiter: Letzten Monat fand hier im Forumshaus eine Tagung zum Thema „Die siebenbürgisch-sächsische Volksschule in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ statt. Ein aufwändiges Forschungsprojekt: Idee, Vorbereitung, Koordination – Martin Bottesch.
Es muss desgleichen erwähnt werden, dass Martin Bottesch seit 2019 Mitglied im Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien ist. Es gibt niemanden, der von ihm nicht mit Respekt behandelt wurde. Was vielen so schwer fällt, konnte Bottesch immer vermitteln: bei gegensätzlichen Meinungen ging es um die Sache, nicht um Personen.
Lieber Martin, für meine berufliche Tätigkeit war es wesentlich, immer eine wohlüberlegte Meinung einholen zu können: objektiv, immer alle Facetten berücksichtigend, nie dominant oder rechthaberisch. Manchmal musste man dir dafür im Laufschritt über den Großen Ring in die Kantine des Theologischen Instituts folgen – Rumsitzen oder -stehen war für Dich nur verlorene Zeit, eine solche Art „Gemütlichkeit“ war bei deinem durchgetakteten Tagesablauf nicht drin. Absolute Zuverlässigkeit war selbstverständlich. Du hast Dich allen modisch-diskutablen gesellschaftlichen Gepflogenheiten entzogen und warst trotzdem offen für Neues: bei der Verwendung des Computers und später des Smartphones warst Du vielen voraus – nie aber, um damit Zeit zu vergeuden. Früh erschloss sich mir auch dein Humor. Ich konnte Dich in den letzten Jahren auch als stolzen Großvater zweier Enkeltöchter erleben und mich über deinen privaten Neuanfang riesig freuen. Weshalb ich Dich von der Sporthalle der Schule bis zum Huetplatz früher nie einholen konnte, fand letztendlich auch eine Erklärung: Du warst und bist auch sportlich aktiv, ein Foto aus letzter Zeit vom Gipfel des Pietrosul Rodnei belegt das.
Fazit: Für mich war es ein großes Glück, dass wir uns 33 Jahre lang immer wieder gemeinsam freuen oder wundern, meist aber für Schulisches Lösungen suchen, oft finden oder einfach nur austauschen konnten. Die deutschsprachige Gemeinschaft in Rumänien hatte Glück, dass Du für Dich entdeckt hattest, dass man „aus einer freiwilligen, unbezahlten Arbeit viel lernt, dass man von ihr geformt wird und seine Persönlichkeit ausweitet, dass man also auf eine nicht materielle Weise belohnt wird“. Aus meiner Sicht ist die heutige Ehrung ein Dankeschön für die konsequente Umsetzung dieser Überzeugungen.
Danke, Martin!