Über Kultur und Sprache von Minderheiten

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Streiflichter von der Konferenz zum Thema „Minderheiten in Europa“ an der AUB
Ausgabe Nr. 2501
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Am Ende des Tages, an dem bereits viel um Sprache und Worte diskutiert wurde, zieht Schriftsteller Martin Mosebach alle Anwesenden in den Bann. „Unsere Muttersprache verleiht der Seele ihre Form, mehr noch als der Körper“, sagt er. „Sie ist ein Chor, der über die Jahrtausende reicht.“ Der Georg-Büchner-Preisträger geht in seinem Vortrag der Frage „Was heißt deutsch sein heute?“ nach. Es ist der letzte Programmpunkt der Internationalen Konferenz „Minderheiten in Europa“, die am Donnerstag der Vorwoche an der Andrássy-Universität (AUB) in Budapest stattgefunden hat. Einen ganzen Tag lang diskutierten Studierende mit Vertretern aus Wissenschaft und Politik über Minderheitenschutz, die derzeitige politische Stimmung in Europa und die Situation der deutschen Sprache und Kultur im Ausland.

Am Anfang steht ein Gespräch zwischen dem Schirmherr der Konferenz, Professor Ulrich Schlie von der AUB und Bernhard Vogel. Sie gehen den Anfängen des europäischen Gedankens sowie Vogels politischem Engagements nach, der in Deutschland unter anderem als Ministerpräsident zweier Bundesländer, Rheinland-Pfalz und Thüringen, bekannt ist. „Ich hoffe, damit bleibe ich ein Unikat“, sagt Vogel. „Schließlich war ich nur aufgrund der Wiedervereinigung in dieser Situation. Das erleben wir hoffentlich nicht noch einmal.“ Es reiche nicht, so Vogel über die derzeitige politische Lage in Europa, sich nur auf gemeinsame Wurzeln zu berufen. „Ich muss Sie enttäuschen: Sie stehen nicht zum ersten Mal vor den größten Herausforderungen der Menschheit.“ Die Länder sollten sich auf gegenwärtige Probleme konzentrieren und gemeinsam ihre Zukunft gestalten. Auf letzteres legte auch Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, einen Fokus. Koschyk bezog sich in seinem Vortrag vor allem auf eine Rede von Johannes Paul II. Es reiche nicht, so zitiert er den Papst, wenn sich Minderheiten in Gesellschaften integrieren. „Auch die Mehrheitsgesellschaft muss erzogen werden.“ Dabei sei das Wort Toleranz, das in diesem Zusammenhang oft genannt wird, nicht genug. „Toleranz bedeutet, ich erdulde etwas“, sagt Koschyk. „Was wir suchen, ist Akzeptanz.“

Am Nachmittag diskutieren je zwei Studierende der AUB in drei Panels zu Minderheiten in Österreich, Ungarn und Rumänien. Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), spricht von eigenen Erfahrungen. „Minderheiten müssen sich immer erklären“, sagt er. So würde er des Öfteren von Touristen gefragt, wie er denn deutsch sein könne, wo er doch keinen deutschen Pass habe. „In Deutschland werden Rumäniendeutsche als Vertreter eines alten, vergangenen Deutschtums angesehen“, so Józsa. „Dabei sind wir die besten Botschafter vor Ort.“ Er spricht von Brücken, die Minderheiten bilden können, von gelebter Plurikulturalität. Gegen die sinkende Zahl Rumäniendeutscher müsse das DFDR Strategien entwickeln, ein Gedanke sei eine Revitalisierung der deutschen Minderheit aus Rumänien durch ausgewanderte Landsleute. „Wir stoßen auf großes Interesse der Enkelgeneration“, sagt Józsa. „Die selbst Ausgewanderten sind mittlerweile zu alt und ihre Kinder stehen mitten im Leben. Das gibt man nicht so einfach auf.“

Der Abend richtet seinen Fokus schließlich mehr auf die deutsche Sprache selbst, festlich eingerahmt durch Goethes „Heidenröslein“ und anderen deutsche Stücke, gesungen von der Sopranistin Andrea Csereklyei. „Wird Deutsch auch in 50 Jahren noch Weltsprache sein?“, lautete die Fragestellung des Essaywettbewerbs, der für deutschsprachige Schüler in Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Serbien ausgeschrieben war. Siegerin Diana Dehelean kommt vom Nikolaus-Lenau Lyzeum in Temeswar und liest vor der Preisverleihung ihren Text vor. „Die deutsche Sprache ist nach meiner Mutter meine älteste Freundin, die mir immer nah gewesen ist und die mir Hoffnung und Kraft geschenkt hat“, liest sie. Es sei „bemerkenswert, wie der deutsche Staat seine Sprache und Kultur bis ans Ende der Welt fördert und unterstützt.“ Am Ende der Konferenz wird klar, dass Sprache, Heimat und Integration miteinander verwobene Themen sind. Der Schutz von Minderheiten geht mit dem Schutz ihrer Sprache und Kultur einher. Martin Mosebach formuliert es am Ende seines Vortrags anders. „Meine Heimat ist nicht Deutschland“, sagt er. „Sondern die deutsche Sprache.“

Laura WORSCH

Prof. Dr. Ulrich Schlie, AUB (links) und Benjamin Józsa, Geschäftsführer des DFDR.                                                           Foto: Franziska VESELY

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.