Er hat das Publikum berührt

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Ausgabe Nr. 2374
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Der Theatermann Hanns Schuschnig ist tot

 

Ich will das Publikum berühren" sagte der am 21. Dezember 1927 in Hermannstadt geborene und am 12. März 2014 in Altusried verstorbene Hanns Schuschnig gewöhnlich, wenn jemand ihn fragte, warum er denn gerne inszeniere. Und bei seiner ersten Inszenierung am 12. August 1956 ist es ihm sogar, so wird erzählt, gelungen, das Publikum auch im wahrsten Sinn des Wortes zu berühren.

   Auch wenn diese Berührung dem Wetter zugeschrieben wurde – bei der Premiere mit „Mutter Courage" von Bertolt Brecht mit Ursula Armbruster in der Hauptrolle und einer beherzten Schar von Theaterfreunden im Klostergarten der Ursulinenkirche soll es so geregnet haben, dass zum Schluss das Publikum auf der überdachten Bühne Zuflucht suchte und dort in Tuchfühlung mit den Schauspielern Applaus zollte – sie sollte nachhaltig sein. Die Hermannstädter betrachten nämlich den 12. August 1956 als eigentliches Datum der „Wiedergeburt" des deutschen Theaterlebens in der Stadt am Zibin nach den Wirren und Folgen des Zweiten Weltkriegs. Und es war Hanns Schuschnig, dem es gelang, diesen Neuanfang mit einer Laientheatergruppe, aus der laut eines Berichts zum 20. Gründungsjubiläum der deutschen Abteilung am Hermannstädter Theater in der Die Woche vom 6. August 1976 „nach einigen Monaten ein Berufsensemble wurde" erfolgreich zu gestalten.

Am Anfang stand natürlich die Begeisterung und auch viel jugendlicher Schwung und bestimmt auch eine gute Portion Idealismus, auf jeden Fall aber Leidenschaft für das Theater. Der damals 29 Jahre alte Regisseur Hanns Schuschnig kam aus Bukarest, wo er nach Abschluss seines Studiums an der Schauspielhochschule an dem dortigen Stadttheater gearbeitet hatte (damals „Teatrul Municipal") und schaffte es, nicht nur die erste Aufführung eines Brecht-Stückes in Rumänien für Hermannstadt zu verbuchen sondern eine der weltweit ersten der „Mutter Courage“, nach Zürich (1941), Berlin (1949) und Paris (1954). Die Hermannstädter „Courage“-Inszenierung wird auch in der 1977 im Münchner Kindler Verlag erschienenen Anthologie „Brecht in der Kritik“ berücksichtigt.

Schon allein die mit dieser quasi legendäre Inszenierung erworbenen Verdienste dürften genügen, zu behaupten, die Theaterszene, das Theaterpublikum in Hermannstadt ist dem inzwischen verstorbenen Theatermann zu Dank verpflichtet.

Schuschnig übernahm 1959 die Leitung der deutschen Abteilung am Hermannstädter Staatstheater und musste sie schon 1962 abgeben, da er wegen eines Ausreiseantrags mit Berufsverbot belegt worden war. Er ging als Hausregisseur zum Deutschen Staatstheater Temeswar und kam 1969 erneut als Intendant zurück nach Hermannstadt. Bis zu seiner Ausreise nach Deutschland 1979 inszenierte er insgesamt 53 Stücke in Hermannstadt. Zu den Höhepunkten und regelrechten Kassenschlagern – zu einer Zeit als die deutsche Abteilung das meiste für das Theater einspielte – gehörten z. B. Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker" (1971) und „Romulus der Große" (1979), William Shakespeares „Der Sturm" (1973), Max Frischs „Don Juan oder die Liebe zur Geometrie" (1973), Gerhard Hauptmanns „Fuhrmann Henschel" (1974) oder das im Keller des Alten Rathauses mit Christian Maurer und Siegfried Siegmund  in den beiden Rollen 1979 inszenierte Kammerstück „Die Insel" von Anton Fugard.

Überhaupt bewegten sich die Inszenierungen stets zwischen monumental und kammerspielmäßig verhalten aber allen haftet ein gewisser Tiefgang an, der wohl etwas mit der eingangs erwähnten Devise von Schuschnig zu tun hat: „Ich will das Publikum berühren". Dies gelang ihm auch in Altusried im Allgäu, wo er zeitweilig die Altusrieder Festspiele leitete und die familieneigene „Insel-Bühne“ gründete, mit der Schuschnig mit seiner Ehefrau Beatrice (geborene Gutt) und seinen Söhnen Mark und Tristan gelegentlich auf Gastspielreise ging zu deutschen Sprachinseln in Rumänien, Ungarn, Polen, Namibia und Südkorea.

Berührt hat Hanns Schuschnig auch in einem Spielfilm das Kinopublikum. In dem Film „Die Lebenden" der Wiener Regisseurin Barbara Allert (Filmstart 30. Mai 2013) spielt er den Großvater der von Anna Fischer gespielten Germanistik-Studentin Sita. Diese entdeckt beim 95. Geburtstag ihres geliebten Großvaters in Wien ein altes Foto von ihm in SS-Uniform und entdeckt nach langwierigen Recherchen, dass ihr Opa als Wächter im KZ Auschwitz tätig war. Ihre Recherchen führen sie übrigens auch nach Siebenbürgen. Für Schuschnig war es der erste und letzte Filmauftritt. Der Film läuft gerade im Kino in Emden, nächste Vorstellung am Montag, den 24. März.

Lassen wir uns zum Abschluss berühren von den Zeilen, die Hanns Schuschnig in echter Theatermanier geschrieben hat, sozusagen mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Wir sind zwischen oben und unten,/links und rechts, vorne und hinten,/gut und böse, dumm und gescheit./Behaupte noch jemand, wir wären nicht/der Mittelpunkt der Welt!"        

Beatrice UNGAR

 

Hanns Schuschnig (links) und seine Kino-Enkeltochter Anna Fischer in Die Lebenden" von Barbara Allert.                     

Foto: Real Fiction

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.