,,Wien, Wien, nur du allein“

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Ausgabe Nr. 2868

Band II der Episoden eines Bildungs- und Lebensweges von Dr. Kurt Thomas Ziegler

Kurt Thomas Ziegler: Von den Doppelschwertern zum Doppeladler. Der transsilvanisch-austriakische Nährboden meiner Erinnerungen. Episoden eines Bildungs- und Lebensweges. Band I ,,Anders rinnt hier die Zeit…“. Schiller Verlag Bonn-Hermannstadt 2022, 479 S., ISBN 978-3-949583, 19,90 Euro/89 Lei.

„Wien, Wien, nur du allein“ lautet der Titel des zweiten Bandes der „Episoden eines Bildungs- und Lebensweges“, wie der in Hermannstadt geborene Arzt Kurt Thomas Ziegler seinen literarischen Rückblick nennt. Der genaue Titel lautet „Von den Doppelschwertern zum Doppeladler. Der transsilvanisch-austriakische Nährboden meiner Erinnerungen. Episoden eines Bildungs- und Lebensweges. Band II „Wien , Wien, nur du allein”.

Auf der Rückseite des Bandes ist eine regelrechte Einladung zur Lektüre abgedruckt: „Der Autor versteht seinen Werdegang auch stets als ein nicht nur vom Verlangen nach materieller Sicherheit für sich und die Seinen, sondern auch vom Durst nach Bildung gekennzeichnetes Durchschreiten seiner Lebensdekaden, deshalb auch die vielen literarischen, musikalischen und sonstigen Verästelungen. Er beschreibt also nicht nur seine sukzessive sich entwickelnde Existenz, zunächst im kommunistischen Osten, dann im freiheitlich-demokratischen Westen im realen Sein des seine Praxistätigkeit ausübenden, niedergelassenen Allgemeinmediziners, sondern auch jene in der fantastischen Welt der Bücher und der Musik, der Gewschichte, religion und Philosophie, die für ihn immer schon eine untrennbare Einheit bildeten.“

 

Band I stand unter dem Titel „Anders rinnt hier die Zeit… und beinhaltete größtenteils das von Dr. Kurt Thomas Ziegler in der Zeit der „Doppelschwertern“, also in seiner siebenbürgischen Heimat Erlebte. Der zweite Band knüpft aber nahtlos an, es geht dabei um den Weitergang der Ereignisse, einige noch in Rumänien. So vergingen seine letzten Studienjahre in Klausenburg wie im Flug mit Studium, Prüfungsstress, aber auch ausgiebiger Freizeitaktivität und gelegentlichen Besuchen in dem Hermannstädter Ziegler-Paradies. Besonders schwer traf ihn dabei der viel zu frühe Tod seines Vaters.

Hinzu kam: Thomas hatte in Klausenburg die fesche Ungarin Kathi kennengelernt, es passierte, da Verhütungsmittel im sozialistischen Rumänien verboten waren, dass sie schwanger wurde. Kathi hatte aber bereits im Vorfeld den Italiener Bartoli überredet, sie zu heiraten. In Italien kam Tochter Ketty zur Welt. Nachdem sich Bartoli Rechenschaft gegeben hatte, dass ihm ein Kuckuckskind ins Nest gelegt wurde, ließ er sich von Kathi scheiden. Diese heiratete anschließend einen Pizzeriabesitzer. Jahre später konnte Dr. Thomas Ziegler seine 19-jährige Tochter in die Arme schließen, ein hoch emotionales Ereignis.

Nach dem Studienabschluss erfolgte die sogenannte „REPARTIȚIE“ (Zuteilung). Dank der guten Zensuren während des Studiums war auch der Zuteilungsplatz annehmbar, nämlich Jakobsdorf-Neithausen im Oberen Harbachtal, zentral in Siebenbürgen gelegen. Hier sollte nun Dr. Ziegler drei angenehme, unvergessliche Jahre verbringen. Als Landarzt für mehrere Dörfer zuständig gab es redlich Arbeit für den jungen Arzt. Neben Jakobsdorf und Neithausen mussten auch drei Dorfbewohner aus Probstdorf, Neustadt und Hundertbücheln betreut werden. Nach getaner Arbeit wurde auch viel und gerne gefeiert, Freundschaften wurden geknüpft und gepflegt, manche fürs ganze Leben. In dieser Zeit tritt auch seine spätere Gattin Ulrike Burger ins Geschehen, die er über die befreundete Familie Heldsdorf kennengelernt hat. Sie umgarnt den jungen Arzt und lässt ihn nicht mehr los. Immer wieder kehrte sie zu Kurzbesuchen nach Siebenbürgen zurück. Die Wienerin versuchte alles, um eine Heiratsbewilligung zu erlangen, sogar eine Audienz beim damaligen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky gelang ihr. Die doppelte Frühgeburt der Söhne Hartmuth und Wolfgang, fünf Wochen vor dem errechneten Termin, war ein einschlagendes Ereignis für die jungen Eltern. Der zarte und schwächliche Wolfgang verstarb leider mit nur vier Monaten und wurde im Familiengrab der Familie Ziegler in Hermannstadt beigesetzt. Endlich waren alle Bewilligungen da und der junge Arzt konnte nach Österreich auswandern. Nach einigen Monaten in der österreichischen Hauptstadt Wien, mit Anerkennungsverfahren und sonstigen Behördengängen, erfolgte die erste Anstellung von Dr. Thomas Ziegler als Sekundärarzt in Neunkirchen, wo er in mehreren Abteilungen des Krankenhauses eingesetzt wurde. Sein Ziel war aber, Landarzt zu sein, wie in seiner siebenbürgischen Heimat. Dieses gelang ihm am 1. Oktober 1981, als die Praxisöffnung in Aspang, etwa achtzig Kilometer von Wien, stattfand. Auch die Familie hatte sich in der Zwischenzeit vergrößert durch die Geburt der Töchter Heidrun und Christine. So gönnte sich Ulli mit den Kindern zwei Wochen Urlaub in Griechenland und etwas später in Italien. Der Hausvater hingegen besuchte viele Konzerte und Opernvorstellungen. Im tiefkatholischen Aspang nahm die Familie von Dr. Thomas Ziegler den katholischen Glauben an, alles wegen der Kinder und den damit verbundenen Schwierigkeiten in der Schule: „Es gab nicht mehr Protestanten als Finger an beiden Händen.“

Kurt Thomas Ziegler: Von den Doppelschwertern zum Doppeladler. Der transsilvanisch-austriakische Nährboden meiner Erinnerungen. Episoden eines Bildungs- und Lebensweges. Band II ,,Wien, Wien, nur du allein“. Selbstverlag Dr. Kurt Thomas Ziegler 2023, 511 S., ISBN 978-3-200091566, 19,90 Euro/89 Lei.

1984 erfolgte der Kauf des Dr. Mayerhauses in der Mörichkirchnerstraße Nr.1, das zum „Dr. Zieglerhaus wurde, mit sehr vielen und zufriedenen Patienten. Das künstlerische Angebot Wiens „in der es mehr Musik-, als Hausschlüssel geben soll“ faszinierte Dr. Ziegler. Neben Opernbesuchen, Konzerten und Theatervorführungen ließ er vor allem Theaterfestivals und Musikwochen Revue passieren. In der Zeit des Autobahnbaus in der Nähe von Aspang betreute er medizinisch auch die gesamte Belegschaft der eingesetzten Berufsgruppen.

Zusammen mit Dr. Perlhaupt kümmerte sich Dr. Thomas Ziegler um Suchtkranke wie Abhängige von Substanzen wie Alkohol, Drogen aber auch Medikamentenabhängigkeit, Spiel- oder Kaufsucht. Auch betreute er Flüchtlinge, die österreichisches Gebiet erreicht haben. Sein Haus in Aspang sollte nun wie auch jenes früher in Hermannstadt zum „Gästedefilee“ werden. Eingeladen wurden Verwandte, Freunde und Bekannte aus Siebenbürgen, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Alle Besucher durften sich im Gästebuch eintragen.

Das Berufsleben in der Praxis war mit viel Arbeit verbunden, gelegentliche Auseinandersetzungen in der Ehe nahmen zu, die lebhaften drei Kinder pochten auch auf ihr Existenzrecht. Es war das fatale 13. Ehejahr der Zieglers. Seine Gattin Ulli eröffnete einen Kosmetik- und Massagesalon zusammen mit ihrer Freundin Lilly. Die Stimmung in der Familie wurde rauer. Dr. Thomas Ziegler besprach sich mit seinen Geschwistern und der Mutter, was zu tun sei. Bei der Mutter konnte er sich sein Herz ausschütten, der gute Rat des verstorbenen Vaters fehlte leider. Den Entschluss musste er aber allein fassen. In Aspang willigten beide Ehepartner der Scheidung zu. Er übernahm alle Schuldenkredite. Scheidungstermin war der 19. Dezember 1989, der 13. Todestag von Sohn Wolfgang. Am nächsten Tag war der Abschied, Kinder und Ulrike zogen aus dem gemeinsamen Haus aus, „ein letztes Winken, dann entzogen sie sich meinen Blicken.“

Dezember 1989, der gewaltsame Umsturz in Rumänien mit vielen Todesopfern. Auch das Zieglerhaus in der Hochmeister-Straße wurde beschossen. Der Diktator Ceaușescu wurde verhaftet, verurteilt und zusammen mit seiner Frau Elena hingerichtet.

Dr. Ziegler machte sich Anfang Februar 1990 mit seinem Pkw, beladen mit Hilfsgütern, auf den Weg nach Hermannstadt. Im Juni startete er aus Aspang einen Hilfskonvoi in die Partnergemeinde Stolzenburg. In Rumänien begann Anfang 1990 die große Auswanderungswelle nach Deutschland, auch die Mutter von Dr. Ziegler war darunter, ließ sich bei Tochter Sybille in Heilbronn nieder, verbrachte aber jährlich von April bis Oktober die Zeit in der Ziegler-Villa in Hermannstadt. Seit seiner Pensionierung im Jahr 2012 verbringt Ziegler zusammen mit seiner zweiten Gattin Monika viel Zeit in Hermannstadt. Bei der Suche für eine neue Partnerin für ihren Sohn, war die Mutter Eva maßgeblich beteiligt. So fädelte sie ein Treffen im Aspang ein und Monika und Thomas kamen sich näher. Die zweite Frau von Dr. Thomas Ziegler war nach seiner Scheidung „der Garant für Kontinuität und Verlässlichkeit.“ Die inzwischen herzliche Zugewandheit der drei Kinder und sechs Enkelkinder geben dem Vater und Großvater das Gefühl der Zufriedenheit eines wieder intakten Familiengefüges.

Nach nachhaltigem und beidseitigem Wunsch der beiden Ehepartner, Monika und Thomas, wurde die kleine Mikaela aus der rumänischen Hauptstadt Bukarest adoptiert.

Die vielen Fotos der Familie und aus dem Berufsleben, sowie die Bilder der vielen Reisen helfen dem Leser die textlichen Aussagen des Autors besser zu verinnerlichen. Die essayistischen Einstreuungen, sowie die spannenden Reiseberichte sind ein zusätzlicher Genuss für den Leser.

Fazit: In Band I und II ist auf knapp eintausend Seiten das bewegte Leben des Landarztes Dr. Kurt Thomas Ziegler in zwei unterschiedlichen Lebensräumen dargestellt: in der alten Heimat Siebenbürgen mit Kindheit, Jugend, Studium und Einstieg ins Berufsleben, sowie dem Neubeginn in Österreich mit all seinen positiven, aber durchaus auch weniger schönen Seiten.

Dieser Doppelband ist eine schriftstellerische Hochleistung unseres Landmannes Dr. Thomas Ziegler. Da muss man schon den Hut ziehen!

Helmut LEONBACHER

 

Anmerkung der Redaktion: Zu den beiden Bänden gesellt sich seit kurzem ein dritter Band, der unter dem Titel „Im Zeichen von Äskulap, Hermes und Apoll im Schiller Verlag Bonn-Hermannstadt erschienen ist und wie auch die ersten beiden Bände in Hermannstadt in der Schiller-Buchhandlung und im Erasmus-Büchercafé erhältlich ist.

Veröffentlicht in Forschung, Literatur, Aktuelle Ausgabe.