Gedankenwelt und wegweisende Errungenschaften von Dr. Carl Wolff (1849-1929)
Ausgabe Nr. 2866

Aug in Auge. Ortrun Rhein, die Leiterin des „Dr. Carl-Wolff”-Altenheims, vor der Büste des Namensgebers, einem Werk von Kurtfritz Handel aus dem Jahr 1994. Foto: Klaus PHILIPPI
Fällt auch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, beim Namen Dr. Carl Wolff zunächst das Altenheim am linken Ufer des Zibins in Hermannstadt ein? In den dreißig Jahren seines Bestehens hat sich dieses Haus einen Namen erworben, der für soziale Dienste auf hohem Niveau, für vorbildliche diakonische Tätigkeit und freundliche Pflege älterer oder kranker Mitmenschen steht.
Der Namensgeber des Hauses hat heuer ein Jubiläum, denn Carl (Karl) Wolff erblickte am 11. Oktober 1849, also vor 175 Jahren, in Schässburg das Licht der Welt. Aus diesem Anlass veranstaltet der Trägerverein des „Dr. Carl Wolff-Altenheims” gemeinsam mit der Carl-Wolff-Gesellschaft mit Sitz in München vom 11. bis zum 13. Oktober ein Festwochenende.
Ein Symposium, eine Exkursion zum Elektrizitätswerk im Zoodt-Tal, ein Spaziergang durch die Stadt auf den Spuren Carl Wolffs und Beiträge von Schulklassen gehören zu den Veranstaltungen, die einem Mann gewidmet sind, der sich größte Verdienste um die Modernisierung Hermannstadts und ganz Siebenbürgens erworben hat.
Zahlreich sind die Schriften von und über Carl Wolff. Leider sind die meisten nur im Archiv des Teutsch-Hauses greifbar, sieht man von Michael Kroners 2018 im Schiller-Verlag erschienenem Buch „Carl Wolff, siebenbürgisch-sächsischer Publizist, Politiker und Volkswirtschaftler“ ab.

Amtswohnung des Direktors und Sparkassagebäude Ecke Großer Ring/Piața Mare – Heltauergasse in den 1930er Jahren. In diesem Haus / seit 1965 lautet die Adresse Str. Nicolae Bălcescu 2, wohnte Dr. Carl Wolff in seiner Zeit als Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkassa.
So verwundert es nicht, dass über die Person Wolffs, über seine Gedankenwelt und die wegweisenden Errungenschaften heute wenig Einzelheiten bekannt sind. Umso nützlicher erweist sich die Idee der geplanten Festtage in Hermannstadt und Umgebung.
Im vorliegenden Beitrag soll es um den Namensgeber des Altenheims und des „Dr. Carl-Wolff”-Vereins gehen. Können Verbindungslinien aufgezeigt werden, ist man dem Geist dieses Mannes verpflichtet, lebt und wirkt man heute auf seinen Spuren?
Ortrun Rhein, langjährige Leiterin des Altenheims, meint dazu: auch sie habe zunächst wenig über Carl Wolff gewusst. Ricarda Terschaks Kinderbuch „Die Zauberin Uhle“, erschienen 1980 im Bukarester Ion Creangă-Verlag, hat ihr die Augen geöffnet. Dort ist das Kapitel über Karl (sic!) Wolff eine der eingestreuten Geschichten aus der „kleinen Stadt mit dem runden Platz“. Sie handelt vom Mann, der Gutes für die Einwohner im Sinn hatte, indem er unter anderem die Kanalisation erneuerte und den elektrischen Strom einführte.

„Dieses Gebäude wurde am 11. Dezember 1904 als Volksbad eröffnet, von Dr. Carl Wolff gefördert und erbaut nach Plänen des Architekten Karl Hocheder.” Diese Inschrift ist (auch in rumänischer und englischer Sprache) auf der Gedenktafel zu lesen, die das Bürgermeisteramt Hermannstadt am 11. Dezember 2004 aus Anlass des 100. Jubiläums seit dessen Eröffnung vor dem Eingang des Volksbades angebracht hat.
Dr. Carl Wolffs Verdienste sind vielfältig. Indem er den Profit der aufstrebenden Hermannstädter Allgemeinen Sparkasse, deren Direktor er war, gemeinnützigen Projekten zukommen ließ, konnte er viel Gutes für das Allgemeinwohl bewirken. Was für ein Unterschied zum heutigen Bankensystem, meint Ortrun Rhein, die daran denken muss, dass heute selbst wichtigen Kunden und großen sozialen Institutionen, wie „ihrem“ Haus von den Banken kein Entgegenkommen gezeigt wird. Carl Wolff hatte diejenigen, die nachhinkten, die benachteiligt waren, stets im Blick. Ein Volksbad mit Sanatorium, ein Waisenhaus, Raiffeisenvereine für die Landwirte, der Siebenbürgische Karpatenverein, der Verschönerungsverein sind noch nicht alle Projekte zum Wohl der Gemeinschaft, die er initiiert hat. Denken und Handeln für die Gemeinschaft, was für seltene Tugenden sind das in heutigen Zeiten, meint Ortrun Rhein. Durch solche Projekte gewann man großes Ansehen in der Gemeinschaft. Der Sache dienen war wichtiger als schnödes Kalkül um die eigene „Sichtbarkeit“. In Wolffs Gedankenwelt tauchte die Direktorin des Heims tiefer ein, weil sie einige seiner Texte ins Rumänische übertragen musste, als das Buch „Sibiul și electrificarea României” (Honterus-Verlag, Hermannstadt, 2013) von Marcel Stanciu im Entstehen war. Anlass dafür war das Gedenken an das erste siebenbürgische Elektrizitätswerk am Zoodt/Sadu.
Privat lebte Carl Wolff einfach und genügsam. Erkennt man da nicht eine Parallele zur Leiterin des „Dr. Carl-Wolff”-Altenheims? Erst im Alter erwarb er ein eigenes bescheidenes Haus am Stadtrand, das heute nicht mehr steht. Mit aller Energie setzte er sich zum Wohl der Gemeinschaft ein und scheute keine Anstrengung, wenn es darum ging, Projekte zu verwirklichen, die er als wichtig erkannte. Konflikten ging er nicht aus dem Weg, hatte aber die seltene Gabe, trotz allem zugewandt und überzeugend zu argumentieren. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: „Der schwerste Kampf, den ich mit mir selbst kämpfe, ist, Verbitterung und Menschenverachtung in meinem Herzen nicht überhand nehmen zu lassen“. Aus dieser Grundhaltung heraus erklärt sich sein außergewöhnlicher Erfolg unter Zeitgenossen und die Achtung, die ihm entgegengebracht wurde. „Wo er die Hand anlegte, da grünte und blühte es“, schrieb Pfarrer Friedrich von Sachsenheim, ein entfernter Verwandter, in der Biografie „Unvergessliches aus dem Leben Karl Wolffs“ (Großkokler Bote, Schässburg, 1932/33).
Dass dieser große Name trotz aller Verdienste seines Trägers heute nur wie durch einen Nebelschleier durchscheint, ist sehr bedauerlich. Auf Ortrun Rheins Initiative gründet der Vorschlag, im Oktober Carl-Wolff-Festtage zu veranstalten. Es gilt, im 175sten Jahr seit seiner Geburt einen Jubilar zu feiern, dem nicht nur Hermannstadt sondern ganz Siebenbürgen einen Modernisierungsschub ohnegleichen zu verdanken hat.
Ursula PHILIPPI