Schauspielernd Lernen geübt

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Theaterpädagogische Fortbildung im Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium

Ausgabe Nr. 2859

In der Aula der Brukenthalschule mussten die Gruppen am Sonntag ihre Kritik an der Theatervorstellung an der deutschen Abteilung des TNRS in einem Standbild darstellen.                                                             Foto: Renate KLEIN

„Wir sprechen Deutsch: Theater“. Unter diesem Motto stand die Fortbildung für Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Überprüferinnen und Überprüfern von Schulbüchern sowie für weitere Interessierte, die vom 22. bis 24. März im Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt stattgefunden hat.

Am 22. März fanden sich 44 Teilnehmende von Arad und Temeswar über Deva, Mühlbach, Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Elisabethstadt, Fogarasch und Kronstadt bis Bukarest in der Brukenthalschule ein. Zum Warmwerden musste man sich unter anderem nach der Anzahl der Dienstjahre aufstellen. Alles war vertreten: die Erfahrung im Lehramt und die jugendliche Frische ebenso; und die Teilnahme von Grundschul- und Fachlehrpersonen verschiedener Fächer machten den Strauß noch bunter.

Nach der Begrüßung der Teilnehmer widmete sich eine erste Arbeitseinheit dem Kennenlernen des Theaterstücks, das bearbeitet werden sollte. Es handelte sich um eine Zusammenstellung aus (nahezu) allen Theaterstücken von Molière. Tita Mihaiu, Adriana und Gerold Hermann stellten die Charaktere vor, die sich in Molières Stücken tummeln: den Alten, den Liebhaber, die Geliebte, die Dienerin.

Dann ging es ans Lesen. Jeder der Anwesenden las jeweils bis zum nächsten Satzzeichen. Das vermittelte zwar einen ersten Eindruck, ließ allerdings noch viele Fragen offen. Einige davon klärten sich in der ersten Gruppenarbeitsrunde. Jede Gruppe erhielt den Auftrag, eine oder zwei kurze Szenen zu bearbeiten und auch zu spielen. Es war gar nicht so einfach, herauszubekommen, wo sich die jeweilige Szene abspielt und was genau sich da abspielt. Man las den Text erneut und legte Rollen fest. Da in den meisten Szenen nur zwei oder drei Charaktere vorkamen, blieb es der Phantasie der Teilnehmenden überlassen, wie sie die jeweils sechs bis sieben Gruppenmitglieder beschäftigten und welche Requisiten sie brauchten. Ein gemeinsames Abendessen rundete den arbeitsreichen Nachmittag ab.

Samstag ging es nach einigen theaterpädagogischen Übungen zum Einstieg wieder in die Gruppen, in denen fleißig geprobt wurde. Kreative Ideen wurden umgesetzt und verfeinert oder auch verworfen und durch andere ersetzt. Eine willkommene Kaffeepause unterbrach die intensive Arbeit. Nach dem gemeinsamen Mittagessen gab es noch kurz Zeit für den letzten Schliff der Szene.

Inzwischen war in der Aula ein Bühneneck abgegrenzt und die Bestuhlung für die Aufführung verändert worden. Schnell wurden noch die Requisiten herbeigeschafft: ein Tischchen, Staubwedel, Perücken, eine Topfpflanze, eine Geldkassette, verschiedene Kopfbedeckungen und Accessoires u. a. Dann ging es los. Der Reihe nach traten die Gruppen auf und spielten ihre Szenen. Das war für alle nicht nur ein großer Spaß, sondern auch spannend und lehrreich, weil man beobachten konnte, wie die einzelnen Charaktere von den Gruppen jeweils dargestellt wurden. Mal war der alte Géronte ein (eingebildeter) Kranker, dann auch wieder einer, der aus lauter Kummer über den Verlust seines Geldes zu tief in die Flasche gesehen hatte. Seine Tochter Marianne, die er unbedingt mit dem Hochstapler Tartuffe (in derselben Szene gleich von mehreren Personen verkörpert) verheiraten wollte, war mal gehorsam und dem Vater zu Diensten, mal entschlossen, ihren eigenen Kopf durchzusetzen und auch mal – von zwei Personen dargestellt – hin- und hergerissen zwischen Gehorsam dem Vater gegenüber und dem Wunsch, Octave, ihren Liebhaber, zu heiraten. Der allerdings kam so schüchtern daher, dass er sich schon von der Stimme des Alten, die er zu hören glaubte, ins Bockshorn jagen ließ. Die vielleicht unterschiedlichste Darstellung erfuhr die Dienerin Toinette. Von schüchtern lächelnd über liebevoll zuvorkommend bis hin zum Hausdrachen, der in Nullkommanichts in Rage geriet und dem Alten, ihn mit dem Staubwedel bedrohend, gehörig die Meinung sagte, war die ganze Bandbreite von Eigenschaften vertreten. In manchen Szenen gab es einen Chor, der bekräftigend in die Figurendialoge eingriff; in einer den Spiegel und die Stimme aus dem Off, die kommentierten oder ironisierten, was gerade gesagt und gespielt wurde; in einer anderen recht statisch geführte Dialoge und eine Person, die pantomimisch dazu spielte.

Wohlverdienten Applaus gab es für alle Inszenierungen, bevor es zur Profi-Aufführung des gleichen Stücks in den Studiosaal des Radu Stanca-Nationaltheaters im Ion Besoiu-Kulturzentrum ging. Mit der selbst erarbeiteten Aufführung im Hinterkopf konnte man der Interpretation der drei Schauspieler entspannt folgen und auch Details wahrnehmen, die einem bei der Erstbegegnung mit dem Stück vielleicht entgangen wären. Am Ende gab es Standing Ovations für Johanna Adam, Daniel Plier und Gyan Ros Zimmermann, die „Der gesamte Molière (nahezu)“ von Vincent Caire in der Regie von Daniel Plier gekonnt und humorvoll umgesetzt hatten.

Der Sonntagvormittag war zum Teil der Kritik der eigenen sowie der Aufführung des Radu Stanca-Theaters gewidmet. In den bewährten Gruppen tauschte man sich aufgrund eines Arbeitsblattes dazu aus und hatte anschließend die Aufgabe, die Kritik in einem Standbild darzustellen. Es war faszinierend, wie unterschiedliche Aspekte des Stücks die Gruppen in ihren Standbildern einfingen.

Kurz vor Schluss der Veranstaltung besann man sich noch auf die Zielgruppe der Fortbildung. In gemischten Gruppen tauschte man sich über die Schulbucharbeit aus und konnte anschließend auf vorbereiteten Plakaten seine positiven und negativen Erfahrungen, seine Wünsche oder auch Überraschendes notieren, seine Meinung zu Sinn und Unsinn von Schulbüchern überhaupt äußern oder auch seine Bereitschaft, in die Schulbucharbeit einzusteigen, signalisieren.

Auch wenn einige am Freitagnachmittag noch nicht genau wussten, ob sie bei dieser Fortbildung richtig sind, war es den allermeisten am Sonntag klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Dass die Fortbildung ihren Zweck, nämlich die deutsche Sprache durch spielerischen Gebrauch einzuüben, erfüllte und zu einem vollen Erfolg werden konnte, verdankt sich zuerst der finanziellen Unterstützung durch die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, die das physische Zusammenkommen erst ermöglichte, der Brukenthalschule, in deren Räumen die Veranstaltung stattfinden durfte, der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, wo die Übernachtungsgäste unterkommen konnten, Adriana Hermann, Tita Mihaiu, Gerold Hermann, Dana Havriciuc, Renate Klein, die die Fortbildung vorbereitet hatten, und nicht zuletzt der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters, die den Molière ziemlich genau ein Jahr nach der Premiere „auf Bestellung“ aufzuführen bereit war.

Renate KLEIN

Schulbuchbeauftragte des DFDR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.