Porträtgalerie mit Vorgängerinnen im Teutschhaus
Ausgabe Nr. 2860
Am 22. Mai 1884, vor 140 Jahren, wurde in der (Vorgänger-) Johanniskirche in Hermannstadt der „Allgemeine Frauenverein der evangelischen Landeskirche in Siebenbürgen“ feierlich gegründet. In der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Vereins im Jahre 1934 lesen wir, was die Mitglieder des Vereins bis dahin bereits geleistet hatten. Dabei treten einige Namen besonders hervor, Namen, die wir Heutigen leider kaum kennen.
Solche Namen sind zum Beispiel: Erika Schuller, geb. Paulas (1875-1961) und Luise Schiel (1879-1946), die für das Senken der Kindersterblichkeit Wesentliches geleistet haben. Am 17. April 1909 war auf Initiative von Erika Schuller der Hermannstädter Kinderschutzverein gegründet worden. Die Frauen fanden Mittel, Wege und Mitstreiterinnen, um Säuglinge und Kleinkinder aufzunehmen und zu pflegen. Dazu richteten sie ein Säuglingsheim, Tageskrippen und familienartige „Kolonien“ (ähnlich dem S.O.S.-Kinderdorf-Prinzip) ein. Es folgte auch eine Schwesternschule zur Ausbildung des nötigen Personals.
Es gab damals zwar schon lange das evangelische Waisenhaus („Lutherhaus“), da wurden Kinder ab dem sechsten Lebensjahr betreut. Kleinere Kinder jedoch, die Voll- oder Halbwaisen waren, liefen Gefahr zu verwahrlosen oder gar zu sterben. Dem wirkte der Kinderschutzverein und das von ihm eingerichtete Kinderschutzamt entgegen. Die Frauen erwirkten finanzielle Unterstützung vom Staat und der Evangelischen Kirche, sie zahlten Vereinsbeiträge, sammelten Spenden und erwirtschafteten Einkommen durch das Betreiben einer Pension im Kurort Salzburg und das Organisieren von Veranstaltungen wie Basare, Tombolas und Theatervorstellungen. Unterstützung kam auch von den sächsischen Banken durch günstige Darlehen zwecks Grundstückkaufs u. a.
Oder wer kennt Therese Jikeli, geb. Henrich (1821–1890), die erste Vorsitzende des Allgemeinen evangelischen Frauenvereins? Die in Gotha diplomierte Kindergärtnerin war die Vorreiterin der Kindergartenarbeit in Siebenbürgen, eine Arbeit, die dann von Adele Zay (1848–1928) in der Kronstädter Kindergärtnerinnenbildungsanstalt weitergeführt und entfaltet wurde. Adele Zay setzte sich für die gute Ausbildung von Mädchen ein und kämpfte auch jahrelang für die Gründung einer Lehrerinnenbildungsanstalt, die dann schließlich 1904 in Schäßburg eröffnet wurde.
Marie Stritt, geb. Bacon (1855–1928) hingegen ist international bekannt, in Deutschland wurden sogar Straßen nach ihr benannt. Die Arbeitsfelder der gebürtigen Schäßburgerin und studierten Schauspielerin waren Geschlechtergerechtigkeit, Frauenwahlrecht und Rechtsschutz für Frauen. Ihre öffentlichen Reden waren mitreißend und ihre publizistische und Vereinstätigkeit sehr umfassend. Elf Jahre stand sie dem „Bund Deutscher Frauenvereine“ vor.
Um einige Vorgängerinnen wieder bekannt zu machen, sind im Hermannstädter „Friedrich Teutsch“-Begegnungs- und Kulturzentrum drei Aktionen geplant: Während der Vertreterinnenversammlung der Frauenarbeit der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien wird beim „kulturellen Programmpunkt“ anhand einer Porträtgalerie an einige Persönlichkeiten wie Charlotte von Dietrich (1834-1916), Adele Zay und Marie Stritt erinnert. Im Juli wird zu einem Frauenfrühstück zum Thema „Mensch und Pflanze“ eingeladen werden, das der bedeutenden Hermannstädter Botanikerin und Ethnographin Pauline Schullerus (1858-1929) gewidmet ist. Im Oktober wird es einen Vortrag über Erika Schuller-Paulas (1875-1961) geben, die überaus tatkräftige siebenbürgische Sozialaktivistin und Frauenrechtlerin sowie erfolgreiche Baumeisterin – die erste Architektin des Landes (Ungarn).
Dr. Gerhild RUDOLF