Ganz stark und unübersehbar

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2856

Streiflichter von rumänischen Kulturevents in Wien / Von Ingrid WEISS

RKI-Leiterin Andreea Dinca, Cristina Uruc (Artexim), Maestro Cristian Măcelaru und Botschafter Emil Hurezeanu (v. l. n. r.) bei der Pressekonferenz in Wien. Foto: Heinz WEISS

„Im Prater blüh’n wieder die Bäume“ – das bekannte von Robert Stolz komponierte Wienerlied muss seit Mitte Februar der unübersehbaren Realität angepasst werden, denn „in Wien blüht wieder die rumänische Kunst“. Und zwar ganz stark und unübersehbar. Der Bogen spannt sich vom Europäischen Filmfestival über das Märzchenkonzert zu Ehren der berühmten Mezzosopranistin Elena Cernei bis zum Konzert der Preisträgerinnen des internationalen Wettbewerbs „George Enescu“ 2022.

Lassen Sie mich aber in diese komprimierte Fülle an rumänischen Kulturevents in Wien eine strukturelle Ordnung bringen und mit der zuletzt genannten künstlerischen Darbietung beginnen. Die junge rumänische Geigenvirtuosin Maria Marica und die Pianistin Alexandra Segal spielten am 4. März ein Konzert für klassische Musik im Wiener Ehrbarsaal, der hier als akustisch perfekter Konzertsaal gilt. Das Palais Ehrbach befindet sich im 4. Wiener Gemeindebezirk, fußläufig ungefähr 15 Minuten von der Wiener Staatsoper entfernt. Beide jungen Künstlerinnen haben beim internationalen „George Enescu“-Wettbewerb 2022 in ihrer Sparte, also Geige bzw. Klavier, den 1. Preis gewonnen. Und das aus gutem Grund: Ihre fabelhafte künstlerische Darbietung umfasste Werke für Geige und Klavier von Schubert über Debussy bis Brahms, aber selbstverständlich auch ein Impromptu von George Enescu, dem rumänischen Superstar des 19. und 20. Jahrhunderts. Enescu selbst bezeichnete sich als Künstler mit fünf Gesichtern, denen des Komponisten, Geigers, Dirigenten, Pianisten und Lehrers. Der rumänische Komponist und Musikwissenschaftler Pascal Bentoiu, der sich intensiv mit dem Leben und Werk von Enescu beschäftigte, malte 2005 folgendes Bild, wenn er meinte: „Enescus Musik fordert also, kurz gesagt, eine liebevolle Annäherung, echte Hingabe und fast ein Glaubensbekenntnis, sowohl von den Zuhörern als auch von den Musikern. Doch wenn man einmal die harte Schale durchdrungen hat, stellt der Kern der Frucht sich als unvergleichlich süß heraus. Ein Aroma, das man so schnell nicht mehr vergisst.“

Ein Highlight der internationalen Kunst- und Kulturszene ist das Festival und der internationale Wettbewerb „George Enescu“. Beide Events werden zu Ehren dieses berühmten rumänischen Komponisten veranstaltet und stehen unter der Schirmherrschaft des rumänischen Staatspräsidenten. Sie sind ein von der rumänischen Regierung und somit über das Kulturministerium finanziertes Kulturprojekt. Dieser 19. nationale und internationale Wettbewerb für klassische Musik findet 2024 vom 31. August bis 27. September in Bukarest statt. Maestro Zubin Mehta ist der Ehrenpräsident des Festivals und des Wettbewerbs. Um den Stellenwert der weltweit vielbeachteten Veranstaltungen medial perfekt zu platzieren, luden S.E. Emil Hurezeanu, der Botschafter von Rumänien in der Republik Österreich und Andreea Dinca, Leiterin des Rumänischen Kulturinstituts Wien zur Pressekonferenz am Vormittag des 4. März ein. Als Gäste konnten der künstlerische Leiter Maestro Cristian Măcelaru und Cristina Uruc, die stellvertretende Leiterin von Artexim, einer öffentlichen Einrichtung des Kulturministeriums, die den internationalen Wettbewerb „George Enescu“ organisiert, begrüßt werden.

Der Aufbau des Wettbewerbs ist von dem Leben des Künstlers in-
spiriert, dessen Namen er trägt. Der Wettbewerb unterstützt und fördert junge Talente im Bereich der klassischen Musik, genau wie auch der Enescu selbst im Laufe seines Lebens junge Künstler unterstützte. George Enescu spendete beträchtliche Summen, um Stipendien für Musiker zu finanzieren. 1912 unterstützte er eine Tournee durch Rumänien und sammelte über tausend britische Pfund, um einen nationalen Preis für Kompositionen zu stiften und zu vergeben. Gleichzeitig trägt der kommende Wettbewerb in Bukarest zur Förderung der Musik von George Enescu bei, da seine Sonaten und Suiten Teil des Wettbewerbsrepertoires sind.

Für die vier Sektionen des Wettbewerbs ist ein Preisgeld von insgesamt 125.000 Euro vorgesehen. Anmeldungen für die Ausgabe 2024 des Internationalen George-Enescu-Wettbewerbs sind bis zum 10. Mai 2024 für die Sektionen Klavier, Violine und Cello möglich. Die Anmeldefrist für die Sektion Komposition endet am 30. Juni 2024. In Übereinstimmung mit dem Weltverband der internationalen Musikwettbewerbe wird heuer bei der Anmeldung die Altersgrenze der Bewerber auf 35 Jahre hinaufgesetzt.

Abschließend betont Cristian Măcelaru nochmals, dass vorrangig die „Reise“, die ein junger Musiker bei dem Wettbewerb durchläuft, von ungeheurer Wichtigkeit ist, da er dabei reichlich an Erfahrung gewinnt. Ob letztlich Gewinner oder nicht – all die jungen Teilnehmer machen sich mit Enescus Musik vertraut. Ferner gibt es für sie die Gelegenheit, auf der Bühne des Rumänischen Athenäums aufzutreten und das Bukarester Publikum kennenzulernen. Der Weg sei das Ziel.

Als Fan des Märzchens freute ich mich ganz besonders auf das vom Rumänischen Kulturinstitut Wien am 1. März veranstaltete „Märzchenkonzert. 100 Jahre Elena Cernei (1924-2000)“. Die international gefeierte Mezzosopranistin wurde am 1. März 1924 in Bessarabien geboren. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Talents und ihrer einzigartigen Stimme avancierte sie rasch national und international zur gefeierten Operndiva. Sie sang an den großen Opernbühnen dieser Welt, so auch an der Wiener Staatsoper. Ihr Leben und ihre Karriere spiegeln ihre Leidenschaft für die Musik wider. Für Cernei war Musik eine universelle Sprache, die Menschen verschiedener Kulturen und Traditionen zusammenbringen sollte.

Den musikalischen Märzchenabend bestritten die Pianistin Adriana Paler und die Mezzosopranistin Aura Twarowska. Das Konzertprogramm war breit gefächert und perfekt auf den Abend abgestimmt. Ein echter Kunstgenuss, charmant vermittelt von zwei hervorragenden Künstlerinnen.

Den rumänischen Kulturreigen in Wien möchte ich mit einem kurzen Rückblick auf das Europäische Filmfestival in Wien beschließen. Es fand vom 21. bis 29. Februar im Stadtkino im Künstlerhaus Wien statt und wurde gemeinsam von dem Rumänischen Kulturinstitut Wien und der EUNIC Austria (Netzwerk der Nationalen Kulturinstitute und Botschaften der EU) organisiert. 15 Länder präsentierten ihre neuesten Kinoproduktionen und rückten dabei die wichtigsten europäischen Werte der jetzigen Zeit in den Mittelpunkt: Diversität, Inklusion und Menschenrechte. Die Filmvielfalt unseres Kontinents wurde sichtbar gemacht und zeigte den Besuchern ein breites Genrespektrum, von Drama über Komödie bis hin zum Dokumentarfilm.

Rumänien präsentierte eine Dokumentation mit dem Titel „Whose Dog Am I?“ Oberflächlich betrachtet wird vom rumänisch-ungarischen Regisseur Robert Lakatos eine einfache Geschichte erzählt, nämlich von einem Hundezüchter, der eine neue Rasse züchten möchte. Der Film nimmt eine unerwartete linke Perspektive auf die aktuelle Politik in Siebenbürgen ein, wobei deren Auswirkungen darüber hinausreichen. Zusammenfassend, ein spielerischer Einblick in die Psyche des 21. Jahrhunderts. Die meisten Filme des Europäischen Filmfestivals feierten in Wien ihre Österreich-Premiere – die zahlreichen Besucher hatten die Gelegenheit einzigartige Filme mit starken Statements zu sehen!

Mein Resümee: Kunst verbindet nicht nur, sondern „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ (Pablo Picasso)

Veröffentlicht in Literatur, Aktuelle Ausgabe, Allgemein, Bildung.