,,Macbeth“ an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters
Ausgabe Nr. 2851
Das Rätsel des Lebens ist laut Regisseur Botond Nagy nicht ein zu lösendes Problem, sondern eine zu erlebende Realität. Mit der Tragödie von „Macbeth” möchte er nicht die vielfältigen Themen des Dramas zeigen, sondern ist vielmehr an den Emotionen der einzelnen Figuren interessiert, dem Jungen in Macbeth, der weint, wenn dieser wütend ist und sich verlassen fühlt, der Frau in Lady Macbeth, die mit ihren Träumen und Instinkten allein gelassen wird und in Hilflosigkeit versinkt. Die Macbeth-Inszenierung von Nagy an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters hatte am 1. April 2022 Premiere, gehört aber zu dem festen Repertoire und wurde am 31. Januar d. J. erneut aufgeführt.
Das Drama von William Shakespeare wurde bereits auf zahlreichen Bühnen aufgeführt und doch bleibt es immer die gleiche Geschichte von Macbeth und seiner Frau, die ihn dazu überredet, den schottischen König zu ermorden. Der sich durch die Prophezeiung dreier Hexen Ruhm und Macht erhofft, doch stattdessen Krieg und Chaos auslöst.
Die Emotionen transportiert Botond Nagy, indem die Figuren in der Handlung weinen und vor Verzweiflung schreien lässt. Dies macht sogar Lady Macbeths Träume und Instinkte anfassbar und greifbar. So ist der Tod des schottischen Königs Duncan eine persönliche Tragödie für Macbeth, da Duncan auch ein Freund von Macbeth war.
Das Stück reißt das Publikum ständig mit zwischen den gegensätzlichen Polen, einer langgehegten Ambition nachzujagen und dem Bereuen, einen Fehler gemacht zu haben. Man fühlt mit Macbeth und seiner Frau mit, wie er versucht, den Fehler, seinen Freund und König ermordet zu haben, mit einer weiteren Lüge zu vertuschen und die Tat dem Sohn des Königs in die Schuhe zu schieben.
Die Morde gehen auch nicht spurlos an Macbeth vorbei und verfolgen ihn sogar bis in den Schlaf hinein. Als die Lüge von Macbeth dann drohte, von dem Sohn des Königs enttarnt zu werden und Macbeth dadurch die Krone verlieren könnte, begeht er einen weiteren Mord, um die Schuld von sich abzuwenden.
So stolpert man mit Macbeth und seiner Frau immer weiter in das Stück hinein, die sich immer weiter in einem Netz aus Lügen und Morden verstrickt. Ein immerwährender Begleiter ist die Darstellung des Todes, die durch Nebel-, Lichteffekte und dem Durchstreichen der Namen der gestorbenen Person immerwährend zusammen mit den Hexen präsent ist. Als dann die Rache des im Exil lebenden Königssohns, der mit einer Armee zurückkehrt, um den Thronräuber Macbeth vom Thron zu stoßen, fühlt man sich durch die Bilder, der roten Farbe der Beleuchtung und die Akustik an den Krieg in der Ukraine erinnert. Als Macbeth am Ende stirbt, scheint sein Tod selbst eine Tragödie zu sein, die an die gefallenen Toten im Krieg erinnert.
Eindrucksvoll zeigt das Stück, wie leicht es ist, von einer Lüge in die nächste zu tappen. Laut Botond Nagy sind die wirklichen Tragödien in unserem Leben meist nicht identifizierbar und kaum von einem banalen Glas mit Rotwein zu unterscheiden. Daher erscheint es ihm wie ein Himmelsgeschenk, jemanden vor einem Fehler zu bewahren.
Rebecca HOFFMAN