Regisseur und Dramaturg des ,,Sommernachtstraums“ im HZ-Gespräch
Ausgabe Nr. 2851
„Sommernachtstraum“ von William Shakespeare ist das neueste Theaterstück, an dem die Schauspielerinnen und Schauspieler der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Deutschen Staatstheater Temeswar seit 6 Wochen proben. Ob das nun eine moderne oder eher klassische Inszenierung wird und worauf sich das Hermannstädter Publikum bei der Vorpremiere am 16. und der Premiere am 17. Februar gefasst machen darf, erfahren Sie im folgenden Gespräch mit Regisseur Florian von Hoermann und Dramaturg Arno Kleinofen, das HZ-Redakteurin Cynthia P i n t e r führte:
Stellen Sie sich bitte kurz vor.
F. H.: Mein Name ist Florian von Hoermann, ich komme aus München, bin ein ehemaliger Schüler von David Essrig an der „Athanor Akademie für Schauspiel und Regie“. Dadurch ist auch der Kontakt mit Rumänien immer schon gewesen und jetzt speziell mit Hunor Horváth. Das ist nun schon das dritte Projekt hier in Hermannstadt nach dem Hörspiel „Zwischen der Welt und den Wänden. Eine Reise durch die ROavant:garDE“ und „you-tópia“, beide 2021.
A. K.: Mein Name ist Arno Kleinofen, ich bin Berliner Dramaturg und Regisseur, Dozent an der „Athanor Akademie für Schauspiel und Regie“ und Kollege von Florian. Dies ist meine erste Zusammenarbeit mit dem Radu Stanca-Nationaltheater.
Von dem Modernen „you-tópia“ zum klassischen „Sommernachtstraum“. Wie kam es dazu?
F. H.: Mich interessiert immer das Theater neu zu hinterfragen und etwas Neues auszuprobieren. Hier ist die Herausforderung einen Klassiker wie Shakespeare neu aufzuarbeiten, eine moderne Übersetzung zu finden. Wir werden viel mit Körperlichkeit arbeiten, aber ganz anders als bei „you-tópia“. Hier haben wir eine Geschichte, aber letztendlich, die Sehnsucht, die sie verbindet ist immer die nach Poesie. Diese Sehnsucht hatten wir sowohl bei „you-tópia“ als auch jetzt beim Sommernachtstraum.
Wie textgetreu ist das Stück?
F. H.: Wir haben eine modernere Übersetzung gewählt und versucht, über die Fassung eine Verdichtung zu schaffen, aber es ist schon original Shakespeare.
Zeit der Handlung?
F. H.: Bei uns ist es eine Science Fiction Adaption. Es spielt in einer dystopischen Zukunft, in der die Natur eigentlich nicht mehr vorhanden ist, der Wald ist abgeholzt, es gibt keinen Wald mehr, es gibt nur noch Geisterwesen dieser Bäume und Tiere, die kein Zuhause mehr haben. In diesem Setting findet unser „Sommernachtstraum“ statt.
Ist dies ihre erste Shakespeare Inszenierung?
F. H.: Nein, ich hab schon mal „Macbeth“ gemacht, was auch eine unglaublich tolle Erfahrung war. Durch meine Dozententätigkeit habe ich auch schon öfter an Shakespeare-Texten gearbeitet. Es ist aber das zweite Mal, dass ich auf der Bühne ein Shakespeare-Stück mache. Ich bin jedes Mal unglaublich dankbar und beeindruckt, welche Welten diese Stücke eröffnen. Es ist erschreckend schön, wie modern und aktuell diese Texte und die Betrachtungsweisen sind. In jedem Text kann man seine eigene Fragestellung finden.
A. K.: Als Dramaturgieassistent vor einiger Zeit war ich mal bei einem Shakespeare-Stück dabei. Das war damals aber eine eher klassische Inszenierung.
Wie läuft die Arbeit mit den Schauspielern hier?
F. H.: Es ist wunderschön, ich bin sehr froh, dass wir erneut miteinander arbeiten. Es ist immer schön, wenn man auf etwas aufbauen kann, was man zusammen gemacht hat, da gibt es schon eine Vertrauensbasis. Es ist aber auch gut, dass neue Schauspieler aus Temeswar dieses Mal dabei sind und auch ein Kollege von der rumänischen Abteilung, Viorel Rață. Ich habe das Gefühl, dass große Neugierde vorhanden ist.
A. K.: Es ist eine Bedingung gerade bei diesem Stück, dass eine starke Ensemblearbeit erforderlich ist. Es ist ein wunderbares Stück, wo jeder Schauspieler, jede Schauspielerin seinen bzw. ihren Part hat, gleichberechtigt, schon von der Anlage her. Das ist für das Ensemble eine Art Befreiung und schafft einen unglaublich intensiven Austausch und ein Ausprobieren und Forschen. Das ist sehr schön. Ich glaube auch, dass es nur so funktionieren kann, um den Zauber des Stückes freizulegen.
Haben Sie eine Lieblingsstelle im Stück?
F. H.: Ich würde nicht sagen, meine Lieblingsstelle, denn man entdeckt immer wieder Stellen, in die man sich verliebt, wenn man an einem Text arbeitet. Aber ein Kernpunkt für mich ist die erste Begegnung zwischen Oberon und Titania, wo sie durch ihren Streit darüber berichtet, was in der Natur passiert. Das ist ein wunderschön trauriger, erschreckender Katastrophentext darüber, wie die Natur ins Chaos fällt. Da stellt man sich die Frage: Wie lange ist die Welt für uns noch bewohnbar? Was ist unser Verhältnis zur Natur? Das ist für mich einer der Kerntexte, auf dem unsere Konzeption und die Fragestellung beruht, wie unser Verhältnis zur Natur ist, wie wir uns selber als Natur verstehen, oder der Versuch sich davon zu distanzieren, sich davor zu schützen. Das ist eine Grundfrage für mich: Wo ist die Harmonie gebrochen und was heißt das eigentlich?
A. K.: …und inwiefern die Vorstellungskraft die menschlichen Fähigkeiten erweitert und wie weit es uns gebracht hat, um das zu hinterfragen. Wo ist die Magie? Wo findet man sie? Es ist eine ganze Suche danach, das zu entdecken.
Gibt es ein einheitliches Regiekonzept, das Sie immer in Ihren Inszenierungen anwenden?
F. H.: Nein. Es gibt gewisse Vorlieben, was Humor betrifft oder dass wir uns – sowohl ich als Regisseur als auch die Spieler auf der Bühne – in Frage stellen. Und das Thema der Dekonstruktion, aber trotzdem versuchen, ans Theater zu glauben, es wieder aufzubauen, das taucht bei mir schon oft auf. Außerdem ist auch der Humor damit verbunden.
Welche Arten von Humor meinen Sie?
F. H.: Situationskomik, Slapstick, Trash, Comic, Popkultur-Zitate und dann die Suche nach der tieferen Ebene eines Textes und den universellen menschlichen Begegnungen, die dort stattfinden. Dieser Wechsel interessiert mich sehr.
Benutzen Sie auch andere Medien auf der Bühne?
F. H.: Wir werden mit Video arbeiten, aber reduziert. Es soll ein sehr bildhaftes Theater sein, wo diese Märchenwelt, die Verzauberung, die Poesie auch Platz haben. Musik, Video, Licht, Kostüme sollen eine eigene Welt schaffen, die auch Spaß macht, die aber auch abgründig werden darf.
Wie gestaltet sich das Bühnenbild?
F. H.: Es ist sehr abstrakt, modern. Es gibt Elemente, da erkennt man Athen, vielleicht ist es aber auch eine eingefallene Ruine. Es sieht aus wie in Caspar David Friedrichs „Eismeer“. Da sind verschiedene Ebenen vorhanden, die an die Rückseite des Mondes erinnern. So genau kann man es nicht sagen. Es ist ein dystopischer Ort, wo die Bäume fehlen, die Natur fehlt.
Worauf soll sich das Hermannstädter Publikum gefasst machen?
F. H.: Ich finde bei so einem Stück wie Shakespeares „Sommernachtstraum“ total spannend, dass jeder Erwartungshaltungen hat. Jeder hat bestimmte Bilder im Kopf, wie stelle ich mir „Sommernachtstraum“ vor? Ich finde es wunderbar, dass die Leute mit diesen Erwartungshaltungen ins Theater kommen und möchte sie einladen, sich darauf einzulassen. Ich glaube, dass eine neuen Welt aufgeht, wenn man sich auf sie einlässt.
A. K.: Es ist eine ganz neue Perspektive auf den „Sommernachtstraum“, auf die man neugierig sein sollte.
F. H.: Und auch für junge Leute. Junge Leute sagen oft: Oh Gott, wir haben in der Schule Shakespeare. Ich würde mir wünschen, dass sie kommen und sich angesprochen fühlen und sehen, dass das nicht alte verstaubte Literatur ist, sondern unglaublich reich und wahnsinnig lustig, aber auch erschreckend schön sein kann.
Wir lassen uns überraschen. Vielen Dank für das Gespräch!