Den Brauch ,,gefestigt“

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Fünfter Urzellauf in Großschenk/Cincu

Ausgabe Nr. 2852

Früh übt sich: In Großschenk liefen am 10. Februar die Urzeln zum fünften Mal seit der Wiederaufnahme des Brauches 2017. Ins Leben gerufen wurde kürzlich auch der Verein „Großschenker Urzellauf / Fuga Lolelor Cincu”, über den der Urzellauf hier nun weiter veranstaltet werden soll. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 4. Unser Bild: Ein peitschenschwingendes Urzelkind führte streckenweise den Umzug an.                                                     Foto: Werner FINK

„Wir freuen uns, dass so eine Tradition wieder zum Leben auferstanden ist“, sagte Landeskirchenkuratorin Carmen Schuster beim Empfang der Urzeln vor dem Rathaus. „Wir haben als Kirche eine sehr gute Erfahrung mit dem Auferstehen, in dem Sinne freue ich mich, dass ihr alle da seit“. Die Urzeln liefen nun in Großschenk zum fünften Mal seit der Wiederaufnahme des Brauches 2017. Ins Leben gerufen wurde kürzlich auch der Verein „Großschenker Urzellauf / Fuga Lolelor Cincu” über den der Urzellauf hier nun weiter veranstaltet werden soll.

Rund 74 Urzeln liefen in diesem Jahr mit, Großschenker, ehemalige Großschenker aus Deutschland, die extra für den Urzellauf angereist waren, aber auch eine etwa 14-köpfige Gruppe Agnethler Urzeln halfen mit Peitschenknall und Kuhglockengeläut die „bösen Geister” in Großschenk zu vertreiben.

Gruppenbild mit allen Beteiligten vor dem Hintergrund der sanierten Großschenker Kirchenburg.                                                     Fotos: Werner FINK

In diesem Jahr trafen sich die Urzeln am Samstagmorgen im Hof der Familie Gottschling. Dann ging es los in Richtung Bürgermeisteramt wo die Urzeln u.a. von Bürgermeister Sorin Aurel Suciu, Senator Mihail Veștea, Landeskirchenkuratorin Dr. Carmen Schuster und Pfarrer Michael Reger empfangen wurden. Hier wurde auch das „Narrengericht” abgehalten. „Mir wallen as Erännerungen net vergäissen, und het gebockan Kropen äissen, asen Gedeonken frohoit schoinken uch un as hoisch Jugend zeräck doinken”, lauteten die Worte des Narrenrichters Helmuth Zink, der die deutschen und sächsischen Verse dichtet, wobei Mischi Gottschling, ebenfalls Narrenrichter, für die rumänische Übersetzung sorgt. Die beiden sind nun der Vizevorsitzende bzw. der Vorsitzende des neu gegründeten Vereins „Großschenker Urzellauf / Fuga Lolelor Cincu”. „Nach altem Brauch wie jedes Jahr wollen wir euch sagen, ganz klar, was sich ereignet hat im Ort”, erklang auch eine weibliche Stimme vom Narrenwagen. „Denn einiges haben wir noch aufgeschnappt und ein paar Sündenböcke ertappt”. Das war Elke Recker, die in diesem Jahr wieder Teil des Narrengerichts war, wie schon bereits vor vielen Jahren. Solche „Sündenböcke”, die vor allen „ausgesungen“ wurden, waren in diesem Jahr Cristi Tarog, der sein eigenes Auto mit einem fremden verwechselte. Ganz bestimmt übertrieben die Narrenrichter, denn aus dem Publikum hörte man um eine Zeit seine Frau Sanda rufen: „Das war ja gar nicht so gewesen”. An die Reihe kam aber auch Helmut Roth, der seine Papiere nicht mehr fand, obwohl diese die ganze Zeit im Auto steckten, und einige anderen braven Leute auch.

Marlene Herberth, Dr. Carmen Schuster, Pfarrer Michael Reger und Bürgermeister Sorin Aurel Suciu bei der Begrüßung vor dem Rathaus (v. l. n. r.).

Nach der Ansprache von Dr. Carmen Schuster lud Marlene Herberth, Vizepräsidentin des neuen Vereins sowie Präsidentin des Vereins SOXEN und Koordinatorin des zukünftigen Museums zur Vernissage der Ausstellung „Carnivalesque” im neuen Sitz des neuen Vereins. Der Verein „Großschenker Urzellauf/Fuga Lolelor Cincu” hat sich zur Aufgabe gemacht, zusammen mit dem Verein SOXEN hier ein Museum einzurichten und Kulturprogramme anzubieten. Der neue Sitz, ein Gebäude im Kirchhof, das bis 1714 das Rathaus und im 20. Jahrhundert den Kindergarten beherbergte, wurde von dem evangelischen Landeskonsistorium und der Großschenker evangelischen Kirchengemeinde dem neuen Verein als Sitz zur Verfügung gestellt.

Vom Narrenwagen gab es nicht nur Schelte sondern auch Klettiten.

„Unser Projekt heißt ‚Museum in progress’”, sagte Marlene Herberth. „Wir wollen eine permanente Kollektion sammeln, die für Großchenk und die Region wichtig ist. Aber noch vielmehr: wir zeigen auch zeitgenossische Kunst die Kulturerbe dokumentieren und interpretieren, um das Museum lebendig und relevant zu halten. Außerdem wollen wir verschiedene Programme für die lokalen jungen Leute schaffen”.

Geplant ist, in den kommenden Osterferien einen Workshop zu veranstalten, wo zehn Lyzeumsschüler aus Großschenk und dem Fogarascher Land, zusammen mit Cătălin Matei („Sillyconductor”) u. a. an einer Soundinstallation für das Museum arbeiten werden. Dann sollen alte Fotos eingescannt und reproduziert und in die Kollektion des Museums aufgenommen werden.

Über den Verein SOXEN wurde eine Finanzierung von AFCN, der Fundația Comunitară Țara Făgărașului durch den Științescu Fond und Făgăraș Research Institute beantragt. Daraus kann das Programm für das Museum für dieses Jahr finanziert werden, aber auch einige Elemente des Urzellaufs. Es wurden professionelle Beleuchtungselemente gekauft, außerdem sollen weitere Urzelanzüge genäht werden, die kostenlos verteilt werden, vor allem an Kinder und Jugendliche, die mitlaufen möchten.

Marlene Herberth in dem „Museum in progress”.

Die ersten Spender des Museums waren Gerlinde und Eduard Spaan, eine ehemalige Hermannstädter Familie, die ihre Lebenssammlung dem Museum übergab, darunter Trachtenteile, Spinnräder oder Kuckucksuhren.

Dabei war auch Markus Röpke, der aus der Gegend von München kommt und der beim Museumseingang für Ordnung sorgte. Seit vier Jahren pflegt er Verbindungen zu Menschen in Siebenbürgen und seit letztem Jahr lebt er in Großschenk und sein Vorhaben ist weiterhin auch hier zu bleiben.

Dieses Mal gab es keinen Schnee, dafür ziemlich viel Sonne, die scheinbar auch mithelfen wollte, den Winter zu vertreiben. „Eier, Eier“ erklang es dieses Mal ziemlich oft und immer öfter und dann aus jeder zweiten Kehle. Die aus Deutschland angereisten Hans Jürgen Stoffel und Norbert Zay schienen es sich zur Aufgabe gemacht haben, möglichst viele Eier aufzutreiben. Ob der riesige Korb voll geworden ist? Aus 40 Eiern bereitete man die Ball-Suppe vor, den Rest verteilte man an arme Leute.

„Wir sind gekommen um diesen jungen Leuten, die so mutig waren und diesen Brauch noch einmal mit neuem Schwung in Angriff genommen haben, zu unterstützen“, sagte Hermann Wolff, Vorsitzender der Heimatortsgemeinschaft Großschenk. „Wir hoffen, dass wir ihn auch für die weiteren ‘-zig‘ Jahre festigen konnten“. Es sei einfach wunderbar, dass viele alte Bekannte da zusammenarbeiten und das unterstützen. Eine Woche davor hatten übrigens die inzwischen in in Deutschland lebenden Großschenker mit etwa 160 Teilnehmern, darunter etwa 40 Kinder, Fasching gefeiert.

„Aus der Sicht des Urzelvereins war der diesjährige Lauf ein gelungener Lauf, wie auch die anderen Läufe in der Vergangenheit“, schlussfolgerte Mischi Gottschling. 74 teilnehmende Urzeln sei für Großschenk eine schöne Zahl. Außerdem werde die Wiederbelebung des Brauches von den Einheimischen gut angenommen die die Teilnehmer des Zuges mit Schnaps, Krapfen und Schmalzbrot bewirteten. Die Großschenker schienen sich tatsächlich der Urzeln zu freuen. Etwa 25-26 Mal musste der Zug stehen bleiben. Außerdem wurden auf dem hinteren Teil des Narrenwagens auch dieses Mal „Klettiten” (Pfannkuchen), zubereitet und Sorin Țerbea sorgte mit seiner Ziehharmonika für gute Stimmung. Am Abend wurde dann noch einmal heftig gefeiert, denn der Ball ging erst in den Morgenstunden zu Ende.

Werner FINK

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.