„Kulturvermittlung hat hohe Priorität”

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20 Jahre Friedrich Teutsch-Begegnungs- und Kulturzentrum

Ausgabe Nr. 2840

Blick in den Innenhof des Teutschhauses mit Johanniskirche.

Die Einweihung des Friedrich Teutsch-Begegnungs- und Kulturzentrums in Hermannstadt erfolgte am 19. Oktober 2003, in einem für die evangelischen Siebenbürger Sachsen geschichtsträchtigen Jahr. Die 20-Jahr-Feier, als Tag der Offenen Türen unter dem Motto „Im Geiste der Gemeinschaft: bewahren – bilden – bewegen” am Stichtag, dem 19. Oktober 2023, gestaltet, ebenso. Vor 140 Jahren war hier die Vorgängereinrichtung, das Lutherhaus mit Waisenhaus, eingeweiht worden, in diesem Jahr sind es 90 Jahre seit dem Tod des Namensgebers, Bischof Friedrich Teutsch, und 75 Jahre seit der Enteignung des Archivs der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation.

Einen Einblick in die wechselhafte Geschichte des Hauses bietet eine Ausstellung im Treppenhaus, lesen Sie im Folgenden den von der Leiterin Dr. Gerhild Rudolf zum Abschluss des Tages der Offenen Türen vorgetragenen Ausblick:

Kürzlich, vor ein paar Wochen, (am 8. September 2023) sagte die Journalistin Gerlinde Schuller in ihrem Interview mit Nina May für die ADZ – Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien: „Ich habe das Gefühl, dass in Rumänien ein Umdenken im Gange ist. Für die jungen Leute gehört auch das reiche Kulturerbe der ethnischen Minderheiten zum kulturellen Erbe von Rumänien. Ein Kulturwandel ist meiner Meinung nach auch die einzige Möglichkeit, die vielen Kulturgüter der Siebenbürger Sachsen dort zu bewahren.

Heidrun König (1. v. r.) bei ihrem Vortrag „Bewährter Historismus – schicke Reformarchitektur. Die Johanniskirche vor und nach 1900“. Im Publikum zu sehen sind in der ersten Reihe die Leiterin des Teutschhauses, Dr. Gerhild Rudolf (2. v. r.), Bischof Reinhart Guib (1.v. l. ), Stadtkantorin Brita Falch Leutert (2. v. l.) und Musikwart Jürg Leutert (3. v. l.).
Fotos: Beatrice UNGAR

Rumänische Jugendliche, die abends in einem Dorf vor der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburg saßen, erzählten mir, dass sie noch nie auf der anderen Seite der Mauer waren. Vielleicht sollte man ‚Tage der offenen Tür‘ veranstalten, um ihnen die Kirchenburg zu zeigen und ihnen die Geschichte dahinter – die auch die Geschichte ihres Dorfes ist – nahezubringen. Ich bin sicher, dass die meisten die Einladung annehmen würden. Um etwas zu bewahren, muss man sich irgendwie damit identifizieren.“ (Siehe: „Siebenbürgisch-sächsisches Handwerk als Vermächtnis für die Zukunft/Nina May im Gespräch mit Datenjournalistin und Designerin Gerlinde Schuller über ihr neuestes Langzeitprojekt: „Ein Netzwerk über drei Länder soll junge Handwerker, Künstler und Designer inspirieren. Freitag, 8. September 2023, https://adz.ro/kultur/artikel-kultur/artikel/siebenbuergisch-saechsisches-handwerk-als-vermaechtnis-fu er-die-zukunft)

Das ist eine wichtige Feststellung – sie ist nicht neu! 2001, also vor über 20 Jahren, sagte Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Siebenbürgen: „Es ergibt sich (…) eine Umkehrung der Aufgabe: Nicht wir sollen uns für das Umfeld öffnen (das haben wir getan, tun es durch Sozialisation außerhalb der Gemeinschaft immer mehr (…). Das Umfeld soll für uns sensibilisiert werden. Einzig dadurch kann gewährleistet werden, dass die nächste Generation – welche in irgendeiner Form nachrücken wird – sich noch mit unseren Werten und mit unserer Geschichte identifiziert.“ (Aus: Cosoroabă, Stefan: „Die Zukunft der Evangelischen Akademie Siebenbürgen. Thesen, in: Zugänge. Forum des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen, S. 41)

Ich bin der Meinung, und das wurde mir im „Siebenbürgischen Kultursommer 2022“ noch stärker bewusst: Nicht nur mit Touristen und nicht nur mit den Siebenbürger Sachsen aus Deutschland, sondern auch in der hiesigen Gesellschaft muss gearbeitet werden: Zwischen den „alten Sachsen“ und den „neuen Rumänen“ eine tragfähige Verbindung zu schaffen, ist entscheidend für den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes.

Dieses „Nahebringen“, diese „In-Bezug-Setzung“, nennen wir es meinetwegen auch „Sensibilisierung“ des Umfelds, ist eine heikle, schwierige und langwierige Aufgabe. Wir wollen weder, dass unsere Kultur einfach kopiert wird, noch wollen wir, dass sie übergriffig übernommen oder gar verkitscht wird.

In der Mehrheitsbevölkerung muss die Akzeptanz (die Anerkennung und Wertschätzung) unseres Kulturerbes aufgebaut werden, sonst ist der Untergang unausweichlich.

Kulturvermittlung und Kulturkommunikation haben deshalb für die Siebenbürger Sachsen und für die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien hohe Priorität. Dazu vernetzen wir uns und kooperieren mit vielen Partnern, lokal, regional und länderübergreifend.

Wir werden in den kommenden Jahren besonders viel mit diesen Fragen zu tun haben – rund um Kulturerbe, Tradition, Brauchtum, Konfession, Identität – um uns vor allem Übel (wie Show, Ausverkauf und Untergang) zu schützen.

Es ist unser Wunsch, mit der Kraft, die wir haben, dazu beizutragen, im Sinne der Gemeinschaft unsere Werte zu bewahren, in der Gesellschaft bildend zu wirken und Menschen zum guten Handeln zu bewegen. Es sind große Ziele und „mit unserer Macht ist nichts getan“, wir benötigen den Beistand des Geistes Gottes und das Mitwirken Vieler, Ihrer aller!

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.