Zweite Deutsch-Rumänische Wirtschaftskonferenz tagte in Berlin
Ausgabe Nr. 2837
Mehr als 250 Teilnehmer aus Rumänien, Deutschland und der Republik Moldova kamen am 28. und 29. September auf Initiative der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer (AHK Rumänien) und des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft in Berlin zusammen, um an der Deutsch-Rumänischen Wirtschaftskonferenz sowie an den bei dieser Gelegenheit organisierten Round Tables teilzunehmen.
Dabei waren sowohl lokale und zentrale Behörden der drei Länder als auch Vertreter aus dem politischen und diplomatischen Bereich sowie aus der Wirtschaft: Chemie & Pharma, Transport-Logistik, Informationstechnologie, Forschung und Entwicklung, Energie und Gas, Banken, Telekommunikation, Recht, Verteidigung und Sicherheit, Automobil, Einzelhandel, Bauwesen und andere Branchen.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der rumänische Premierminister Marcel Ciolacu eröffneten die Konferenz durch Videobotschaften, die die Unterstützung für die Zusammenarbeit zwischen den Volkswirtschaften der drei Länder zum Ausdruck brachten.
„Unsere Länder sind dabei, klimaneutral zu werden und zugleich erfolgreiche Industrieländer zu bleiben. (…) Wir machen uns für den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum stark – das wird die grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen weiter beflügeln. Wir setzen auf starke Partnerschaften – und unterstützen die Republik Moldova auf ihrem Weg in die EU“, sagte der Bundeskanzler. Er bedankte sich für verlässliche Partner wie Rumänien und Moldawien und äußerte die Hoffnung, dass der Austausch zwischen den drei Volkswirtschaften weiter zunimmt. „Deutsche Investoren – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – brauchen dafür verlässliche und stabile Rahmenbedingungen“, sagte er. Außerdem hofft der Bundeskanzler, dass Rumänien bald der OECD beitreten wird, „denn das wird den Standort noch attraktiver machen und den Know-how-Transfer erleichtern”.
Der rumänische Premierminister Marcel Ciolacu betonte seinerseits, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner Rumäniens ist und fügte hinzu, dass „der Erfolg der deutschen Unternehmen auch mehr Wohlstand für Rumänien bedeutet“. Er nannte bereits in früheren Gesprächen mit Bundeskanzler Scholz weitere Entwicklungsrichtungen wie: Investitionen in Industrie, Landwirtschaft, Innovation und Digitalisierung, Straßen- und Schieneninfrastruktur, Beteiligung am Wiederaufbau der Ukraine, Unterstützung der Republik Moldova. Auch der Beginn der Gasexploration im Schwarzen Meer wurde als Wendepunkt für den Energie- und Chemiesektor genannt. „Die deutschen Unternehmen sind seriöse Investoren; sie haben meine volle Unterstützung. Wir müssen die Region in den Bereichen Infrastruktur, Wirtschaft, gemeinsame Verteidigung und Digitalisierung miteinander vernetzen. Wir ermutigen alle interessierten Unternehmen, die in Rumänien bestehenden Möglichkeiten zu erkunden“, betonte Ciolacu.
In seiner Rede vor dem Publikum in Berlin versicherte der Premierminister der Republik Moldova, Dorin Recean, dass die Republik Moldova ein sicherer Ort zum Leben und für Geschäfte sei: „Wir setzen die EU-Agenda, die Marktregeln und die Vorschriften um”. Die Regierung ist aufmerksam und offen gegenüber dem Geschäftsumfeld und bereit, das vorhandene Potenzial zu nutzen. Die Anwerbung und Schaffung von qualifizierten Arbeitskräften, der Bau von Infrastrukturprojekten, die die Republik Moldova mit der Ukraine und Rumänien verbinden, der Übergang zu grüner Energie, die Entwicklung des Informations- und Technologiesektors und nicht zuletzt die florierende Weinproduktion sind einige der potenziellen Kooperationsbereichen zwischen den drei Ländern, die der Premierminister Recean auf der Konferenz aufzählte.
„Die Situation, sowohl in Rumänien als auch in der Republik Moldova zeigt, dass es zahlreiche Möglichkeiten im Handel, in den Wirtschaftsbeziehungen und im Energiebereich gibt. Aufgrund der neuen Geopolitik müssen wir enger zusammenarbeiten als je zuvor, da die Globalisierung unter Druck steht. Das bedeutet, dass offene Märkte, die den Zugang zu günstigen Materialien, günstiger Energie und die Möglichkeit, Waren überall zu verkaufen, garantieren, nicht mehr gegeben sind. Es gibt lokale Interessen, es entstehen neue Konflikte. Wenn wir zusammenarbeiten, wenn wir diese Spannungen abbauen, werden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken. Wir können unsere Kräfte bündeln, um Kompetenzen im Bereich Energie und Rohstoffe zu schaffen und unabhängig zu werden“, sagte Dr. Robert Habeck, der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Er lobte die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen in Rumänien und der Republik Moldau und fügte hinzu, dass Deutschland gemeinsame Projekte mit den Ländern Osteuropas im Bereich Energie und grüner Wasserstoff anstrebe. Auch für die Republik Moldau hatte er eine Botschaft: „Es ist eine schwierige Situation, weil der Krieg so nah an den Grenzen ist; werden Sie also nicht ungeduldig, wenn die Investitionen nicht sofort kommen. Die Unternehmen erkunden den Markt, wir werden einen Rahmen auch für weitere Investitionen in die Republik Moldova schaffen“.
Im Bereich der Außenpolitik bekräftigte die deutsche Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, Dr. Anna Lührmann, das volle Engagement ihrer Institution für die Ausweitung des Schengen-Raums auf Rumänien und Bulgarien. Was die Republik Moldau betrifft, so sagte sie: „Die EU muss sich auf eine neue Erweiterung vorbereiten, und ich bin überzeugt, dass die Republik Moldova bald Mitglied der EU sein wird. Viele Menschen denken, dass Länder, die eine Grenze zur Ukraine haben, die sich im Krieg befindet, Länder sind, die mit Destabilisierungsversuchen Russlands konfrontiert sind, aber wenn ich mir die Republik Moldau anschaue, sehe ich deutlich ein Mitglied der europäischen Familie, ein Land, das unsere Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilt, das in voller Solidarität mit der Ukraine steht, mit anderen Worten, dass es ein enger Freund Deutschlands ist“.
Ein weiterer Hauptredner der Konferenz, Dumitru Alaiba, stellvertretender Premierminister der Republik Moldova und Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Digitalisierung, sagte bei dieser Gelegenheit, sein Land habe bewiesen, wie schnell es sich verändern und anpassen könne: „30 Jahre lang waren wir zu 100 % von russischer Energie abhängig und innerhalb eines Jahres haben wir dieses Modell geändert und es geschafft, Gas aus anderen Quellen als Gazprom zu kaufen. Wir sind mit dem benachbarten Rumänien vernetzt und arbeiten zügig an unserem Stromnetz. 70 % des moldauischen Handels werden heute mit der EU, den USA und Kanada abgewickelt. Trotz einiger Unsicherheiten in der Region sind wir schlicht und ergreifend daran interessiert, Geschäfte zu machen, und wir müssen Investitionen von Freunden der Republik Moldova anziehen“, erklärte er.
Der rumänische Energieminister, Dr. Sebastian Burduja, erklärte den Teilnehmern, dass Rumänien im Energiesektor offen für Geschäfte sei. Er sprach über den rumänischen Energiemix und forderte die Wirtschaft auf, über langfristige Lösungen nachzudenken und diese zu erarbeiten, insbesondere im Hinblick auf die Energiespeicherung. Die Gründe, warum sich Rumänien für alternative Energiequellen statt für erneuerbare Energien entschieden hat, hängen mit der Energiesicherheit zusammen: „Können wir nur grüne Energie verwenden? Ich denke nicht, denn wie mir Energieexperten sagten, ist es nicht einfach, die Frequenz des Netzes aufrechtzuerhalten. Und wenn man nur in Wind- und Solarenergie investiert, setzt man das Netz einem großen Risiko aus und es kommt zum Blackout. Ja, grüne Energie, aber nicht auf Kosten der Energiesicherheit“, betonte er.
Der rumänische Minister für Wirtschaft, Unternehmertum und Tourismus, Ștefan-Radu Oprea, lobte das Wirtschaftsumfeld dafür, dass es die rumänische Wirtschaft verändert durch Investitionen in Technologie, Know-how und Arbeitskräfte vor Ort. Er betonte auch die positiven Auswirkungen, die die NATO- und EU-Mitgliedschaft auf die Entwicklung Rumäniens hatte. Als Antwort auf die Bedenken der Unternehmen hinsichtlich der Infrastruktur versprach er, die Transportzeiten zu verkürzen und die Bürokratie abzubauen. Um der gemeinsamen Sorge um den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu begegnen, lud Oprea den privaten Sektor ein, sich den Bemühungen des Staates anzuschließen, qualifizierte Arbeitskräfte in Rumänien zu halten.
Das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der AHK Rumänien, Sebastian Metz, moderierte die gesamte Veranstaltung und. Er sagte, Rumänien habe sich von einer verlängerten Werkbank zu einem starken Innovations- und Technologiezentrum entwickelt und werde eine wichtige Rolle bei der grünen Transformation und der Wettbewerbsfähigkeit der EU spielen. „Trotz aller Herausforderungen sind die Perspektiven für die deutsch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen weiterhin hervorragend und ich denke, dass Rumänien auch weiterhin viele neue Investitionen anziehen wird – neue Themen wie Energie rücken stärker in den Fokus“. Das Motto der deutsch-rumänischen Wirtschaft ,,Partnerschaften stärken – Herausforderungen in Chancen verwandeln“ schließe nun auch die Republik Moldova mit ein, fügte er hinzu.
Über Chancen im geopolitischen Kontext sprach auch Dr. Volker Treier, Außenwirtschaftschef, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK): „Der neue Kontext bringt Rumänien und die Republik Moldau noch mehr in den Blickpunkt der deutschen Wirtschaft. Es geht um Diversifizierung und darum, wie wir deutsche Unternehmen noch mehr in die verlässlichen Märkte bringen können, wo wir unsere Produkte verkaufen oder beziehen können, wo wir Wertschöpfungsketten auf nachhaltige Weise aufbauen können, mit nachhaltiger Energie, aber auch mit kritischen Rohstoffen“, erklärte er.
Rumänien ist bereits jetzt der mit Abstand wichtigste Handelspartner Deutschlands in Südosteuropa. Die Republik Moldova, seit letztem Jahr EU-Beitrittskandidat, könne es sich nicht leisten, zu lange außerhalb der EU zu warten, erklärte Philipp Haußmann, Vorstandsmitglied Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. „Rumänien hat sich zu einem echten Innovationspartner entwickelt, insbesondere in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Digitalisierung und grüne Transformation. Wie in Deutschland steht der Umbau des Energiesystems ganz oben auf der Agenda“, fügte er hinzu.
Darüber hinaus konzentrierte sich die Veranstaltung auf vier Kernthemen, die von Vertretern aus Wirtschaft und Politik in den Diskussionsrunden eingehend erörtert wurden: Nearshoring und F&E, Digitalisierung, Energie und Farm to fork.
Die teilnehmenden Unternehmen am Panel Nearshoring und F&E betonten, dass es eine gute Entscheidung war, in Rumänien zu investieren, da sie vor Ort eine industrielle Kultur vorfanden. Nähe zu Westeuropa, fleißige Menschen und die kulturelle Verbindung zu Deutschland sind weitere Gründe für das Nearshoring. Starke Bürokratie, schwache Verkehrsinfrastruktur, Mangel an neuen Technologien und manchmal auch an Fachkräften waren einige der negativen Aspekte, die mit den politischen Vertretern diskutiert wurden.
Aus dem Panel zum Thema Digitalisierung ging hervor, dass Rumänien zwar über eine gute Internetverbindung verfügt, die Institutionen aber nur wenig mit den neuesten Technologien vertraut sind. Die Pandemie führte jedoch zu einem besseren Verständnis der Politiker für die Bedeutung der Digitalisierung. In einer sehr bürokratischen Verwaltung stellt sie eine kritische Infrastruktur dar. Der erste Schritt in diesem Bestreben wäre die Schulung der Mitarbeiter. Kurzum, die Digitalisierung der Bevölkerung muss sehr früh beginnen, mit Unterstützung der Behörden.
Rumänien, die Republik Moldova und Deutschland werden weiter zusammenarbeiten, um erschwingliche Energie für ihre privaten, öffentlichen und privaten Verbraucher zu gewährleisten. Die Ersetzung alter Technologien durch neue, um die Energieeffizienz zu steigern, die Nutzung des gesamten verfügbaren Energiemixes und die Stärkung der erneuerbaren Energien waren einige der Vorschläge, die die Unternehmen im dritten Panel der Konferenz zum Thema Energie machten. Die Unternehmen bekundeten ihr Interesse an weiteren Investitionen in das Verteilernetz und baten um Unterstützung durch die Behörden. Eine gemeinsame öffentlich-private Initiative würde die Dinge vorantreiben.
Das Panel ,,Vom Hof auf den Tisch“ (From Farm to Fork) hat viele Herausforderungen der rumänischen Landwirtschaft aufgezeigt. Obwohl Rumänien ein traditionelles Agrarland ist, ist es in hohem Maße von Lebensmittelimporten abhängig. Andererseits schrumpfen die Anbauflächen von Jahr zu Jahr, und die jungen Leute wollen nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten. Daher besteht die größte Herausforderung nun darin, die junge Generation für diese Branche zu gewinnen. Ein weiteres Diskussionsthema war der Wandel Rumäniens zu einer neuen landwirtschaftlichen Drehscheibe für Europa. Investitionen in Technologie, die Verringerung der Lebensmittelverschwendung sowie die lokale Lebensmittelproduktion waren einige der Lösungen, die die Wirtschaft den Politikern vorschlug.
Die Deutsch-Rumänische Wirtschaftskonferenz fand zum zweiten Mal statt, nach der sehr erfolgreichen Hybrid-Konferenz im Jahr 2021. Die Veranstaltung bietet eine Plattform für den Dialog zwischen den Teilnehmern mit dem Ziel, die trilateralen Beziehungen zu stärken, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erkunden und die Präsenz deutscher Unternehmen in Rumänien und der Republik Moldova zu fördern.
AHK Rumänien