Mehr als ein halbes Jahrhundert Jazz

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Streiflichter vom 51. Hermannstädter Internationalen Jazzfestival

Ausgabe Nr. 2835


In der Synagoge traf am Mittwoch, den 20. September, Tradition auf Jazz: Eine Mischung aus Gebet, traditionellen Liedern und moderner Musik bot der Musiker Vili Rudihi, dem es mit Gitarre und Stimme gelang, den gesamten Raum auszufüllen.                                                
Foto: Julian CARANGACIU

„Diese 51. Auflage des Hermannstädter Internationalen Jazzfestivals ist der erste Schritt in Richtung der zweiten Jahrhunderthälfte”, erklärte Simona Maxim, die Direktorin des Festivals, das vom 18. bis 23. September stattgefunden hat. Die meisten Konzerte für Groß und Klein fanden im Thaliasaal statt. Ausnahme machte das Konzert am Mittwoch, das in der Synagoge organisiert wurde.

„Die diesjährige Ausgabe ist der Beweis dafür, dass die Entwicklung dieses Musikgenres mit dem Schicksal einer Jazzgemeinschaft verbunden ist. Deswegen wird sich diese Ausgabe und vor allem werden sich die nächsten auf dieses Schicksal der Jazzmusik konzentrieren. Wir müssen die Geschichte und die Schönheit des Jazz so genau wie möglich darstellen. Das Jazzfestival wird die Zukunft näher an die Realität, an die Menschen und an die durch die Musik gewonnene Freiheit bringen.”, erklärte Simona Maxim. „Das Festival und die Zukunft des Jazz werden jeden Tag neu geschrieben.”

Damian Drăghici und seine Band.                                  
Foto: Cynthia PINTER

Tatsächlich wurde schon am ersten Abend Jazzgeschichte geschrieben, denn der Abend war dem Panflötenspieler Damian Drăghici und seiner Musik gewidmet. Bekannt ist der Musiker insbesondere für seine Romamusik (muzică lăutărească), er hat aber auch mit international bekannten Pop-Musiker gespielt und ist auch in der Jazzmusikzene daheim.

Damian Drăghici, der seiner Roma-Familientradition folgt, hat schon als Kind gelernt, Panflöte zu spielen. 1988 hat er Rumänien verlassen und als Straßenmusikant in Athen gelebt, bis ihm ein Stipendium am Berklee College of Music in den USA angeboten wurde. Er ist der erste Panflötenspieler in der Geschichte der Musik, der einen Bachelor of Music auf diesem Instrument gemacht hat. Über seinen musikalischen und Lebensweg, über seine innere Unruhe und seinen Kampf, sich und seiner Musik treu zu bleiben, sprach Damian Drăghici im ersten Teil des Abends. Gespannt hörte das überraschte Publikum zu, denn die Jazz Talks fanden bis jetzt oft im zweiten Teil des Abends statt. Diese Reihenfolge war aber perfekt, denn nach einer kurzen Pause folgte das Konzert und rundete das Bild richtig ab. Immer wieder gab es tosenden Applaus für Drăghici und seine sechsköpfige Band, der Saal war voll und das Publikum hingerissen: Vorgestellt wurden Lieder von Maria Tănase, allerdings auf Jazzrhythmen. Schon am Anfang des Konzertes erklärte der Musiker, dass das Konzert nicht vorgeplant ist, sondern sie sich von der Atmosphäre leiten lassen und spontan entscheiden, welches Lied sie spielen werden – und das taten sie auch, so dass das Konzert perfekt auf das Hermannstädter Publikum angepasst war.

„Mediterran Mystery Tour“ (v. l. n. r.): Luca Gusella (Keyboard), Uria Mader (Schlagzeug), Niccolò Faraci (E-Gitarre), Mattan Klein (Flöte).      
Foto: Zeinab ZIMMER

Jazz-Magie aus Israel und Italien gab es am zweiten Tag des Hermannstädter Jazzfestivals, es musizierten die „Mediterran Mystery Tour“ und boten ein buntes Repertoire aus selbst geschriebenen und gecoverten Liedern aus verschiedenen Ländern. „Jeder liebt brasilianische Musik, sie macht glücklich“, sagte der Flötist Mattan Klein zwischen zwei Liedern. Das internationale Quartett aus Israel und Italien hatte sich am Dienstag, den 19. September, im Thaliasaal zusammengefunden.

Auch wenn die Kombination ihrer Instrumente auf den ersten Blick vielleicht erstaunlich erschien, harmonierten Flöte, E-Gitarre, Schlagzeug und wahlweise Xylophon oder Keyboard ideal für einen angenehmen Jazz-Klang.

Mit beeindruckenden Solos und netten Sprüchen zwischen den Liedern entließen sie ihr Publikum nach zweifacher Zugabe in den Abend.

Tags darauf traf in der Synagoge Tradition auf Jazz: Mit der Aufführung „Jazz-Talks“ fanden viele Menschen zusammen. Schon früh waren die unteren Plätze besetzt und auch in den oberen Reihen waren die besten Sitze schnell vergeben. Eine neue Art des Jazz erwartete die Zuhörenden, eine Mischung aus Gebet, traditionellen Liedern und moderner Musik, die eine Alternative zum klassischen Jazz bot. Obwohl der Sänger Vili Rudihi nur seine Gitarre und Stimme zusammen mit einem Playback nutzte, erfüllte der Klang den gesamten Raum. Viele altbekannte Melodien wurden neu aufgegriffen und schwankten von melancholischen zu heiteren Liedern. Nach dem Auftritt, der eine Stunde dauerte, gab es noch einen Gesprächskreis mit dem Musiker.

Adédèjì Adetayo (Bildmitte) und sein Ensemble bestritten den letzten Abend mit klassischem Jazz aus Afrika.          
Foto: Julian CARANGACIUC

„Jazz zeichnet sich durch Improvisation aus, die Musikern die Freiheit gibt, spontan zu kreieren“, hieß es schon in dem Programm und Rudihi erfüllte diese Erwartungen.

Filmmusik gab es am vierten Tag: Die Melodien, die am Donnerstag, den 21. September, von dem Orchester der Hermannstädter Staatsphilharmonie im Thaliasaal gespielt wurden, kannte wohl jeder, aus Filmen wie ,,Pink Panther“, ,,Titanic“ und ,,Fluch der Karibik“. Eine besondere Note verlieh diesem Auftritt die Flöten-Solistin Gina Sandu, die immer wieder von dem Dirigenten Eduard Dabrowski auf die Bühne geholt wurde. Das imposante Orchester begeisterte die Zuhörenden mit verschiedenen Melodien, mal fröhlich, dann wieder dunkel. Selten bekommt man wohl die Möglichkeit, Filmmusik so hautnah und gespielt von einem solchen Orchester zu erleben.

Klassischen Jazz aus Afrika gab es am letzten Festivalstag: Die heiteren Klänge des Jazz Ensembles Adédèjì Yoruba erfüllten den Thaliasaal. Viele Zuschauer hörten an diesem Abend ein Konzert mit klassischem Jazz.

Es war ein Ensemble, das man zu schätzen wissen musste; viele begabte Musiker fanden sich zusammen und erfüllten den Raum mit afrikanischen Rhythmen und einem von Vielfalt bestimmtem Programm. Die neunköpfige Gruppe wurde von Adédèjì Adetayo (Gitarre und Gesang) geleitet und ließ in eine tiefe Musiktradition blicken. Mit Gesängen in verschiedenen Sprachen und intensiven Solis wurde ein beeindruckendes Programm geschaffen, das einen guten Abschluss für das diesjährige Jazz-Festival bot.

„Das in den 1970er Jahren gegründete Festival hat sich zu einem Botschafter des rumänischen Jazz in der ganzen Welt entwickelt und bringt Menschen aus verschiedenen Kulturen und Ländern zusammen”, erklärte Festivalsdirektorin Simona Maxim. Sibiu Jazz hat internationale Anerkennung erlangt und ist seit 18 Jahren Mitglied des berühmtesten europäischen Jazznetzwerks European Jazz Network.

Ruxandra STĂNESCU

Carolin GRAW

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.