,,Ich liebe das Gefühl der Angst“

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Ausgabe Nr. 2831
Nachwuchsschauspielerin Ana Tiepac über ihre Rolle im Theaterstück ,,Die Zofen“

„Irgendwann vielleicht einmal auf einer der großen Bühnen Berlins zu spielen“ – das ist einer von vielen Träumen und Visionen der jungen Nachwuchsschauspielerin Ana Tiepac. Die 20-jährige Hermannstädterin studiert seit einem Jahr in deutscher Sprache Schauspiel in Temeswar und probt gemeinsam mit ihren Kollegen von der deutschen Abteilung des ,,Radu Stanca“-Nationaltheaters für ihren Auftritt beim diesjährigen Nationalen Theaterfestival in Bukarest. Im Rahmen des Festivals werden die besten aus über 150 Theaterinszenierungen, welche während der vergangenen Spielzeit in den Theatern Rumäniens zu sehen waren, erneut auf der Bühne des Nationaltheaters in Bukarest präsentiert. Für Ana Tiepac ist es der bisher größte Auftritt ihrer noch jungen Karriere.

„Die Zofen“ lautet der Titel des Stückes, mit welchem die deutschen Schauspielerinnen und Schauspieler aus Hermannstadt die Jury im vergangenen Herbst überzeugen konnten. Das Stück des französischen Autors Jean Genet (1910-1986) thematisiert auf spielerische Art und Weise Ungleichheiten in der Gesellschaft, sowie Hierarchiestrukturen und Machtmissbrauch. Genet forderte dazu auf, alle weiblichen Rollen in seinem Stück von Männern spielen zu lassen. In der Hermannstädter Repräsentation des Theaterstücks besetzen Yannick Becker, Benedikt Haefner und Daniel Bucher diese Rollen. Die unkonventionelle Besetzung ist nur eines von vielen Stilmitteln, mit welchen der Autor gesellschaftskritische Themen wie z.B. Stereotypisierung in den Vordergrund rücken lässt. Dass Genet mit derartigen Impulsen seiner Zeit um einiges voraus war, zeigen die heftigen Proteste, unter denen das Werk 1947 im Pariser Théâtre de l’Athénée uraufgeführt wurde.

Nachwuchsschauspielerin Ana Tiepac spielt in der Rolle des Erzählers den Autor Jean Genet selbst. Nicht nur Regisseur Hunor Horvath, sondern auch sie selbst ist davon überzeugt, die richtige Besetzung für diese Rolle zu sein. „Ich habe Jean Genet und seine Gedanken intensiv studiert und versucht, mich in ihn hineinzuversetzen“, erzählt sie in einem Interview und erwähnt im gleichen Atemzug, dass die Rolle in Genets Stück eine der schönsten, wenn nicht gar die schönste Aufgabe ihrer bisherigen Schauspiellaufbahn sei. „Die energetische Wand zwischen Zuschauerraum und Bühne zu durchdringen“, das hat sich Ana Tiepac zur Hauptaufgabe gemacht. Die Ausführungen rund um ihre Leidenschaft fürs Schauspielen lassen erahnen, welch zentrale Rolle Spiritualität für die 20-jährige auf der Bühne spielt. Sie ist sich sicher, dass Theaterspielen eine nachhaltig heilende Wirkung auf Kopf und Geist erzielen kann. Nicht zuletzt deswegen spielt Tiepac mit dem Gedanken, später einmal im Bereich der Theatertherapie zu arbeiten. Eine besondere Form der Psycho- bzw. Sozialtherapie, welche in Rumänien bei weitem noch nicht so etabliert ist wie beispielsweise in Deutschland.

Ana Tiepac schließt nicht aus, irgendwann einmal den beruflichen Schritt nach Deutschland zu wagen. Besonders die Bundeshauptstadt Berlin habe es ihr angetan. Aufgrund der deutschsprachigen Vergangenheit Hermannstadts hat sie sich einst verpflichtet gefühlt, die deutsche Sprache selbst zu erlernen und verspricht sich davon viele Möglichkeiten. Die Antipathie, welche sie von Beginn an der Sprache gegenüber empfunden habe, gipfelte in einer nicht auf Anhieb bestandenen Abiturprüfung im Fach Deutsch, scherzt sie. Seitdem aber kann Ana Tiepac der deutschen Sprache auch viel Positives abgewinnen. Besonders im theatralen Kontext ermögliche ihr die Sprache große Ausdrucksstärke.

Der bevorstehende Auftritt im Nationaltheater Bukarest ist für Ana Tiepac der bisher größte in ihrer noch jungen Karriere als Schauspielerin. „Ich freue mich sehr, aber natürlich habe ich auch ein bisschen Angst“, gesteht sie sich ein. „Aber ich liebe das Gefühl der Angst“. Das Gefühl sei nötig, um auf der Bühne authentisch und emotional spielen zu können, fügt Tiepac hinzu.

Das Nationale Theaterfestival  in Bukarest findet in diesem Jahr zum 33. Mal statt. Vom 20.-29. Oktober werden dort insgesamt 29 ausgewählte Theaterinszenierungen gezeigt, darunter auch das Stück „TSCHICK“, gespielt vom deutschen Staatstheater Temeswar. Unter dem Namen „FNT Educational“ wird es auch gesonderte Aufführungen und Workshops für Kinder und Jugendliche geben. Die genauen Daten und Uhrzeiten der Aufführungen liegen noch nicht vor.

Samuel HÖRMANN

Veröffentlicht in Jugend, Aktuelle Ausgabe.