Geistiger und geistlicher Mittelpunkt

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Der Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner feierte seinen 90. in Rothberg

Ausgabe Nr. 2834

Gruppenbild mit Geistlichen und Tochter (v. l. n. r.): Dechant Dietrich Galter, Pfarrer Michael Reger, Pater Georg Sporschill, Pfarrerin Angelika Beer, Bischof Reinhart Guib, Pfarrer Eginald Schlattner, Sabine Maya Schlattner, Altbischof Dr. Christoph Klein, Pfarrerin Hildegard Servatius-Depner, Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, Pfarrer Klaus Martin Untch und Stadtpfarrer Kilian Dörr. Foto: Beatrice UNGAR

Dem Anlass entsprechend würdig war die dem Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner gewidmete Veranstaltung am 13. September d. J. in Rothberg. An diesem Tag wurde Schlattner 90 und er sagte u. a. in seinem Dankeswort im Anschluss an Gottesdienst und Festakt in der evangelischen Kirche, er habe nie gewusst, und wisse es auch heute nicht, was Gott von ihm wolle, aber er wusste es schon immer, was Gott von ihm nicht will. Abgeleitet habe er dies an der Inschrift über dem Eingang zur Kirche, die er 1989 auf einem alten Foto entdeckt und dann neu angebracht hatte: ,,Herr weise uns deinen Weg.“

Der diesem Spruch entsprungenden Einsicht von Eginald Schlattner, dass Gott nicht will, dass er nach Deutschland auswandert, verdankt die literarische Welt ein beachtliches Werk und die Gemeinde Rothberg seit 1978 einen geistigen und geistlichen Mittelpunkt.

Rudolf Gräf, Christoph Klein, Gabriella-Nóra Tar, Ioana Florea (Hrsg.): ,,Man verlasse den Ort des Leidens nicht, sondern handle so, dass die Leiden den Ort verlassen.“ Eginald Schlattner ist seit 90 Jahren da und handelt… Klausenburger Universitätsverlag 2023, 179 Seiten, ISBN 978-606-37-1876-2.

Ein weiteres Jubiläum stand auch auf der ,,Tagesordnung“ der Würdigung am 13. September. Der Paul Zsolnay Verlag Wien hat diesem Jubiläum einen einmaligen Sonderdruck gewidmet (unser Bild links). Es handelt sich um den Debütroman ,,Der geköpfte Hahn“ von Eginald Schlattner, der 1998, also vor 25 Jahren, erschienen ist. In der Broschüre geht es um den Briefwechsel zwischen an der Herausgabe beteiligten Personen, vor allem zwischen Herbert Ohrlinger und dem Autor. In seinem Verlagsgutachten vom 6. Juni 1997, das für den internen Gebrauch verfasst wurde, schreibt Ohrlinger u. a.: ,,Der Text besticht durch eine wunderbare, aus der Zeit und dem Ort herkommenden Sprache, die dem Roman ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Anschaulichkeit verleiht. Die ab und zu auftretenden Längen lassen sich im Lektorat beheben (…) Ich halte den zweifelsfrei autobiographischen Roman für eine Entdeckung, die uns eine nahezu vergessene und sehr bald ganz verschwundene Enklave deutschsprachiger Kultur vielleicht zum letzten Mal näherbringt.“

Dem erfolgreichen Roman folgten weitere zwei im gleichen Verlag und weitere Veröffentlichungen im Pop Verlag Ludwigsburg und die zahlreiche Teilnahme an der besonderen Geburtstagsfeier des Jubilars, bei der auch eine ihrem Ehrendoktor von der Babeș Bolyai-Universität Klausenburg gewidmete Festschrift vorgestellt wurde, bestätigt die Tatsache, dass Schlattner bei allen Irrungen und Wirrungen eines langen Lebens immer noch etwas zu sagen bzw. zu schreiben hat.

Was er zu sagen hat, kann man in der deutschen AKZENTE-Sendung auf TVR 1 am Donnerstag, dem 28. September, ab 15 Uhr, erfahren, wo ein Bericht über die Veranstaltung ausgestrahlt wird.                         B. U.

 

Eginald Schlattner ist 90.

Wer sich ihm nähern will,

muss ihn in Kontrasten beschreiben:

Als einen Grenzgänger, der in seiner Mitte lebt.

Und als Vermittler, der an seine Grenzen geht.

Einer, über den viel geredet wird.

Und doch einer, der seine Geschichte selbst erzählt.

Ein Protestant, dem das Barocke nahe liegt.

Als Hydrologe im Gefängnis.

Als Seelsorger im Gefängnis.

Ein Freigeist, der zu dienen weiß.

Einer, dessen Haus und Herz stets offensteht.

Doch wählerisch geworden ist bei seinen Freunden.

Und auch bei seinen Feinden.

Ein Theologe, der im Momentum lebt.

Ein Tagelöhner, der in Ewigkeiten denkt.

Der durch und durch ein Pfarrer ist.

Und durch und durch ein Schreibender.

Als Chronist und als Phantastiker.

Der ganz in seiner Landschaft aufgeht.

Und sie um Welten überragt.

Ihm sei von Herzen gratuliert.

Ad multos annos!

Florian KÜHLER-WIELACH

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.