,,Er schuf literarische Zeitdokumente“

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Jubiläumstagung zum 90. Geburtstag des Pfarrers und Schriftstellers Eginald Schlattner

Ausgabe Nr. 2833

Der Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner (im Bild mit Mikrofon) nahm am Freitag an der ihm gewidmeten Jubiläumstagung teil und ergriff zum Abschluss das Wort. Er zeigte sich überrascht und erfreut zugleich über das zahlreich erschienene Publikum und signierte allen Interessierten den als Festschrift vorliegenden Tagunsgband.       Foto: Aurelia BRECHT

,,Warum muss man in die evangelische Kirche hinuntersteigen?“ fragte Eginald Schlattner eine Gruppe Schülerinnen und Schüler, die ihn in Rothberg besuchten. Eine der damaligen Schülerinnen, Dr. Andrea Dumitru, antwortete: ,,Die Erde ist gewachsen!“ Diese Antwort wurde nun zum Titel der Jubiläumstagung zum 90. Geburtstag von Eginald Schlattner, die von der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (EAS) in Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgenforum und der University of British Columbia (Kanada) am 8. und 9. September d. J. im Hans Bernd von Haeften-Tagungshaus der EAS veranstaltet wurde.

 

,,Für mich steht fest: Die rumäniendeutsche Literatur ist ohne das Werk des Rothberger Pfarrers Eginald Schlattner nicht zu auszudenken. Durch seine Roman-Trilogie – ausgehend von seinen persönlichen Erfahrungen – hat er als evangelischer Pfarrer und Literat die Entwicklung Siebenbürgens und die der deutschen Minderheit in Rumänien einem breiten Publikum zugänglich gemacht.“ Diese Aussage von Oberkirchenrat Hans-Joachim Janus, Vorsitzender des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen, wurde immer wieder auch von anderen Anwesenden in ihren Grußworten bestätigt und vertieft. So von Dechant Dietrich Galter, Vorstandsvorsitzender der EAS, Winfried Ziegler, Geschäftsführer des Siebenbürgenforums, Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, Leiter des Zentrums für Protestantische Theologie Ost (ZETO) und Hans-Peter Schuster, der die Grüße seitens des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig Maximilian Universität München und dessen Leiter Florian Kühler-Wielach, überbrachte. Wer wenigstens einen der Romane von Eginald Schlattner gelesen hat, wäre wohl auch damit einverstanden. Also nichts Ungewöhnliches.

Ungewöhnlich ist aber, dass nicht wie üblich der Tagungsband nach der Tagung veröffentlicht wurde, sondern er lag diesmal schon vor. Auf dieses Wagnis hatten sich die Herausgeber András Bándi, Andreea Dumitru, Florian Gassner und Roger Pârvu in Absprache mit den Referentinnen und Referenten eingelassen und das Ergebnis lässt sich sehen. Der als Festschrift für Eginald Schlattner unter dem Titel ,,Die Erde ist gewachsen“ konzipierte Band erschien im MEGA-Verlag in Klausenburg und alle Anwesenden durften ein kostenloses Exemplar mitnehmen, das der am Freitag anwesende Jubilar signierte. Allerdings nicht bevor er, dem Reiter über den Bodensee gleich, sichtlich überrascht feststellte, wie viele Interessierte sich in dem Festsaal der EAS eingefunden hatten. Der Jubilar hatte zu Beginn der Tagung in der ersten Reihe Platz genommen und erst als er sich zum Abschluss des ersten Tagungstages umdrehte, um ein Wort an die Anwesenden zu richten, die große Zahl der Anwesenden erblicken können.

EAS-Programmleiter Roger Pârvu und Mitherausgeber der Festschrift hatte in seiner Einführung treffend festgestellt: ,,Als Eginald Schlattner nach der Wende, im Alter von 65 Jahren, seine schriftstellerische Tätigkeit, die er in Folge des Schriftsteller-Prozesses unterbrochen hatte, erneut aufnahm, konnte niemand erahnen, welchen Erfolg er mit seiner Romantrilogie ,Versunkene Gesichter‘ (,Der geköpfte Hahn‘, ,Rote Handschuhe‘, ,Das Klavier im Nebel‘) erzielen würde. ,Der geköpfte Hahn‘ 1998, im Zsolnay-Verlag erschienen, erlebt mehr als ein Dutzend Auflagen. ,Rote Handschuhe‘, 2000 im gleichen Verlag veröffentlicht, wird in mehrere Sprachen übersetzt. Für die rumäniendeutsche Literatur wird Eginald Schlattner zum Referenznamen. Nicht nur, dass Schlattner die bewegten 1940er und 1950er Jahre in Rumänien aus einer fiktional-autobiografischen Perspektive verarbeitet, aber er schuf durch seine Romane literarische Zeitdokumente, die einen Einblick in die bewegte Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien ermöglichen und diese für den gesamten deutschsprachigen Raum, aber nicht nur, zugänglich machen.“

András Bándi, Andreea Dumitru, Florian Gassner, Roger Pârvu (Hrsg.): Die Erde ist gewachsen. Festschrift für Eginald Schlattner/Pământul a crescut. Volum jubiliar pentru Eginald Schlattner. MEGA Verlag Klausenburg 2023, 316 Seiten, ISBN 978-606-020-652-1.

Bei allen Vorträgen handelt es sich um Versuche der Annäherung an ein Werk, das auch in Zukunft zahlreiche Germanistengenerationen beschäftigen sollte. Referentinnen und Referenten waren: Dr. András Bándi (Hermannstadt) mit ,,’Als dort die Frösche quakten, wurde hier deutsch und lateinisch gepredigt und gesungen‘ – Von Rothberger Pfarrern (1486-1999)“, Sabine Maya Schlattner (Hermannstadt) mit ,,Mein Vater und die ,Socken von Hitler'“, vorgelesen von Robert Schwartz, Dr. Eveline Cioflec (Hermannstadt): mit ,,Schuld. Vergeben. Handeln“, Dr. Andreea Dumitru-Iacob (Hermannstadt): „Was im (persönlichen) Gedächtnis bleibt“ – Eginald Schlattners Roman ,,Schattenspiele toter Mädchen“, Dr. Florian Gassner (Vancouver) mit ,,Rassismus, Kolonialismus, Völkermord: Eginald Schlattners ,,Der geköpfte Hahn“ als multidirektionale Erinnerungsarbeit“, Dr. Michaela Nowotnick (Berlin) mit ,,Das Archiv als Werk und Forschungsgegenstand. Der Vorlass von Eginald Schlatter im Zentralarchiv der Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien“, Dr. Corneliu Pintilescu (Klausenburg) mit ,,Institutionelle Strategien und diskursive Handlungsweisen zur Konstruktion politischer Schuld. Studienfall zur Strafverfolgung und des Gerichtsverfahrens im Schwarze-Kirche-Prozess (1958)“, Dr. Thomas Pitters (Evangelisches Diakoniewerk Österreich) mit ,,Schuld – Sühne – Vergebung“, Dr. Maria Sass (Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt): ,,Die Welt verschließt sich in Angst. Aber die Zeit wird groß, daß man das Fürchten lernt.“ Raumkonstruktion und Zeiterfahrung in Eginald Schlattners Roman ,,Rote Handschuhe“ und Dr. Gabriella-Nóra Tar (Klausenburg): ,,Erinnerte Ungarnbilder in den Werken von Eginald Schlattner“.

Die Tagung wurde von dem Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung, dem Siebenbürgenforum, dem Land Kärnten, dem Zentrum für Evangelische Theologie Ost, dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen, dem Institut für Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland und der Kulturreferentin für Siebenbürgen, Bessarabien, Bukowina, Dobrudscha, Maramuresch, Moldau, Walachei am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim gefördert.

Eine Aufzeichnung finden Interessierte unter https://www.facebook.com/EvangelischeAkademie7B/videos/die-erde-ist-gewachsen-jubiläumstagung-zum-90-geburtstag-von-eginald-schlatter/305373275376176

Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Allgemein.