Durchdringende Freude erlebt

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Frauen aus Afrika, Asien und Europa bei einer internationalen Konsultation in Namibia

Ausgabe Nr. 2834

Einige Frauen vom Penduka-Projekt mit Aigerim Kursantowa.

Zwischen dem 22. und dem 31. August d. J. hatte die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck jeweils zwei Vertreterinnen ihrer sechs Partnerkirchen zu einer Konsultation zum Thema „Empowerment of Women” (Stärkung, Befähigung der Frauen) ins Tabitha Conference Center nach Windhoek in Namibia eingeladen. Insgesamt nahmen fünfzehn Delegierte aus Indien, Namibia, der Republik Südafrika, Deutschland, Rumänien und Estland an der Konsultation teil, seitens der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien waren Sunhild Galter und Monika Brandsch dabei.

Nach einer Bibelarbeit von Bischöfin Beate Hoffmann über die Geschichte von Hagar aus 1. Mose 16, aus der auch die Jahreslosung 2023 stammt, und einer Einführung in das Thema mit Hauptorganisatorin Claudia Brinkmann-Weiss folgte ein Vortrag von Anda Nkosi, Koordinatorin des internationalen Frauennetzwerks und des Gender Desks von EMS (Evangelische Mission in Solidarität) in Südafrika, über die Situation von Frauen in Kirche und Gesellschaft in Namibia. An den nächsten Tagen folgten die Länderberichte aus Südafrika, Estland, Indien, Kirgistan und Rumänien. Nach jedem der Berichte gab es eine Frage-, bzw. Diskussionsrunde, so dass sich im Anschluss einige entscheidende Fragestellungen herauskristallisiert hatten, die die Teilnehmerinnen in den noch folgenden Tagen intensiver besprechen und zu denen sie Stellung beziehen wollten.

Der Glasschmelzofen des Frauenprojekts Penduka. Fotos: die Verfasserin

Zum Programm der Konferenz gehörten auch Besuche bei den Frauen des Nähprojekts Sofima am Hauptsitz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELCRN) in Windhoek, wo drei Frauen allerlei kirchliche Textilien wie Krawatten, Schultertücher u. Ä. mit einer elektrischen Stickmaschine besticken. Eigentlich könnten auch doppelt so viele Frauen davon leben, wenn es nicht immer wieder Stromausfälle gäbe, oder keinen Treibstoff für den Notstromgenerator, weil irgendeine Kirchengemeinde das bestellte Zubehör noch immer nicht bezahlt hat… (Mehr unter: https://www.facebook.com/profile.php?id=100064673923143&locale=hi_IN)

Ein weiterer Besuch führte uns zum Frauenprojekt Penduka. An einem See gelegen, also mit Zugang zu Wasser und etwas Grün gesegnet, leben und arbeiten da etwa 15 Frauen aller Altersgruppen. Einige Gästehäuschen und ein kleines Restaurant stehen für Touristen offen, natürlich auch ein Laden, wo sie ihre handwerklichen Produkte verkaufen, oftmals Unikate ihrer Art. Das sind bemalte Stoffprodukte wie Schürzen, Kissen, Tischläufer, Tischdecken, genähte Stoffpuppen, Schlüsselanhänger usw., Ketten aus selber hergestellten Glasperlen. Dazu schmelzen die Frauen in einem rudimentären Erdbackofen im Hof alte Flaschen ein. Die groben Glaskugeln werden dann in einem Steinmörser ewig lang gerieben, bis die Oberfläche glatt wird.

Aigerim Kursantowa (links, Kirgistan) und Gastgeberin Julieth Manale.

Besonders interessant sind die bestickten Teile – Tischläufer, Kissen, auf die die Frauen ihren jeweiligen Tagesablauf in einer Art Piktogramm einsticken. Hier wie überall wird das kleine Anwesen von einem hohen Zaun mit Stacheldraht, Elektrodraht, Gittertor, Wache am Tor und Kameras bewacht – der Preis für ein etwas besseres Leben. (Mehr unter: htt ps://www.penduka.com/)

Danach führte eine Exkursion nach Otjivero, dem Pilotprojekt für die Gewährung von Grundeinkommen (BIG). Es gab da blanke, unvorstellbare Armut, aber auch einige Beispiele von Frauen, die es mit den geringsten Mitteln geschafft haben, sich ein kleines Geschäft aufzubauen und damit ein regelmäßiges Einkommen zu erwirtschaften. Beeindruckend war, dass sie davon zuerst einmal ihre Kinder auf höhere Schulen geschickt haben, so dass aus dieser Wellblechsiedlung Ärztinnen und Ärzte, Buchhalter, Theologinnen u. a. hervorgegangen sind. (Mehr unter: https://www.grund einkommen.de/22/01/2021/grundeinkommen-in-namibia-da-geht-noch-was.html)

Am darauffolgenden Sonntag waren die Konferenzteilnehmerinnen Gäste im Gottesdienst der Paulus/Gowaseb-Gemeinde im Okahandja Park, eine informelle Siedlung in Windhoek, genauer gesagt, eine Wellblechhüttensiedlung der gehobeneren Art. Beeindruckend war das natürliche Ausleben des Glaubens. Was uns in dem Gottesdienst mit fast 200 Teilnehmenden aller Altersstufen, einem Jugendblasorchester (inklusive drei Mädchen), das die Liturgie statt Orgel begleitete, einem gemischten und einem Männerchor, weiblichen wie männlichen Lektoren und Vorsängern, umhüllte, war eine tiefe Ernsthaftigkeit im Beten und Zuhören, eine durchdringende Freude und Bewegung im Gesang, eine bedingungslose Hingabe an diesen Dienst an Gott.

Die folgenden Tage waren international gemischten Arbeitsgruppen gewidmet, in denen drei Themen ausführlich besprochen wurden. Erstens ging es um Frauen in Führungspositionen und darum Hindernisse auf dem Weg dahin zu identifizieren und Möglichkeiten zu finden, um diese Frauen zu stärken.

Das zweite Anliegen war die Überwindung patriarchalischer Strukturen und vor allem der patriarchalischen Mentalität, die durchaus auch Frauen verinnerlicht haben, wenn sie z. B. nur ihre Töchter zur Hausarbeit heranziehen, oder in Führungspositionen selber Männer bevorzugen.

Und drittens ging es um die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt, also Gewalt gegen Mädchen und Frauen allein ihres Geschlechts wegen. In vielen Ländern können Mädchen und Frauen nur in Gruppen, bei Tageslicht und möglichst an belebten Orten ausgehen, sonst riskieren sie Belästigung, Handgreiflichkeiten, Vergewaltigung, Entführung – oft mit Todesfolge.

Wir haben festgestellt, dass sowohl die Probleme als auch die Lösungsansätze in verschiedenen Ländern und Kontinenten so verschieden nicht sind, wenn man voneinander weiß, einander sieht, miteinander kommuniziert, und – will.

Sunhild GALTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.