Michelsberg im 19. Jahrhundert

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Ausgabe Nr. 2830

Foto facebook @Michelsberg heute

Kurz nach Beginn des 19. Jahrhunderts wurde 1804 das Kaisertum Österreich unter Kaiser Franz I. (im Heiligen Römischen Reich: Franz II.) gegründet. Bereits seit 1792 herrschte er als König in Ungarn und als Großfürst von Siebenbürgen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1835 leitete er einen konservativen und reaktionären Polizeistaat. Diese Periode wurde wegen Mangels an Reformen und politischer Stagnation oft als ,,stille Jahre“ bezeichnet. Ab 1810/11 wurde in Siebenbürgen der Landtag nicht mehr einberufen. 1817 kam es zu einer verheerenden Hungersnot.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine starke liberale und national-ungarische Bewegung. Diese strebte die demokratische Wahl von Amtsträgern an und setzte sich für die Union Siebenbürgens mit Ungarn ein. Das erste Ziel wurde auf dem Landtag von 1837 erreicht. Die ungarischen Liberalen in Siebenbürgen erhielten Unterstützung aus Pest, während die Rumänen an der Idee einer vierten ständischen Nation festhielten. Die Siebenbürger Sachsen strebten eine Mischung aus alten Privilegien und Beteiligung an der Regierung aufgrund ihrer Loyalität zum Herrscherhaus in Wien an. Sie befanden sich in einer schwierigen Lage, da sie in ihrer eigenen Selbstverwaltung zur Minderheit wurden.

Die Revolution von 1848/1849 brachte eine grundlegende Veränderung der Situation. In Siebenbürgen wurde sie von den Sachsen und Rumänen als ,,ungarische Revolution“ dargestellt, da sie eine Union mit Ungarn fürchteten. Deshalb unterstützten sie die Habsburger. Nach der Niederschlagung folgten erneut restriktive Jahre, und nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen und Italien gab Kaiser Franz Josef I. dem Druck der mittlerweile dominierenden 48er Partei in Ungarn nach.

1867 wurde die Doppelmonarchie ausgerufen. Das mittelalterliche Ungarn wurde somit wieder hergestellt und als gleichwertiger Partner Österreichs proklamiert. Ungarn war territorial größer als Österreich, aber sowohl die ungarische als auch die deutsche Bevölkerung waren Minderheiten in ihrem eigenen Land. Die Minderheiten strebten rasch nach mehr Selbstbestimmung und politischer Beteiligung. Die Rumänen richteten ihre Aufmerksamkeit nach der Unabhängigkeit Rumäniens von den Osmanen auf Bukarest. Die Sachsen hingegen waren in der Schwebe: Der Kaiser in Wien konnte ihnen nicht beistehen, daher begannen sie, sich nach Berlin und dem neuen starken Mann, Kanzler Otto von Bismarck, zu orientieren. Die schlechte wirtschaftliche Lage und soziale Ungerechtigkeit führten dazu, dass alle Ethnien – vielleicht mit Ausnahme der 1874 emanzipierten Juden – die Monarchie als ein ,,Völkergefängnis“ empfanden.

Im Jahr 1820 wurde festgestellt, dass aufgrund der Knappheit an geeignetem Boden in Michelsberg keine Dreifelderwirtschaft betrieben werden konnte. Man mietete Weideplätze von den Heltauern und von den Hermanstädtern. Die Finanzkommission stellte ebenfalls fest, dass die Einwohner von Michelsberg ihrem Grundherrn Hermannstadt keine Roboterarbeit schulden mussten. Stattdessen zahlten sie jährlich einen Gulden Haussteuer, 15 Kronen für jedes Zugtier sowie weitere Steuern für Jagd-, Fischerei- und Schankrechte. Im Jahr 1835 wurde der heutige Friedhof in Benutzung genommen.

Der schriftstellerisch begabte Pfarrer Andreas Wellmann aus Fogarasch schrieb in seinem Werk ,,Reisebriefe aus dem Lande der Sachsen in Siebenbürgen“ (Kronstadt, 1843, 57-59) Folgendes: „Heltau und Michelsberg liegen dem Blick des durch das Zibintal Reisenden versteckt in einem tiefen Becken am Fuße des Gebirges. Wer es zum ersten Male sieht, wird von dem Malerischen und Romantischen dieser Scene bis zur Entzückung überrascht, besonders von dem Punkte, wo man von Hermannstadt aus nach Heltau hinabsteigt. Da liegt gleich vor unseren Füßen das sich großartig präsentierende Heltau; im Hintergrunde am entgegengesetzten Ende des Beckens die düstere Burg, die sich auf dem Gipfel eines kegelähnlichen Berges über Michelsberg erhebt. Zwischen beiden Ortschaften und in der Runde des ganzen Beckens ist alles nur ein herrlicher Garten von Kirsch- und andern Obstbäumen und Weinreben, und dieser Garten ist umkränzt von den schönsten Eichwaldungen auf anmutigen Hügeln und gegen Süden ist er geschlossen durch die hohen Vorsprünge der Karpaten, in deren Mitte der häufig besuchte Götzenberg. (…) In einer guten halben Stunde kann man den angenehmsten Spaziergang von Heltau nach Michelsberg machen, und doch findet man hier eine ganz andre Lebensweise als dort, in mancher Hinsicht den auffallendsten Gegensatz. Während dort alles imponiert oder imponieren will, herrscht hier die größte Einfachheit und Bescheidenheit in Kleidung, Wohngebäuden, Hauseinrichtung, Lebensweise usw., kurz eine ganz andre Welt als dort. Da der gebirgige Boden den Ackerbau hier nicht gestattet, nähren sich die Einwohner vom Erlös ihres Obstes, das sie sehr gut zu besorgen verstehen, und des im Gebirge gefällten Holzes, der sehr gesuchten Strohhüte, auch verraten sie eine besondere Geschicklichkeit in vielen mechanischen Arbeiten, sind überhaupt sehr fleißig, eingezogen und gutartig. Wegen ihrer besonderen Sprachweise, die sich durch die Kehle gellend gar possierlich ausnimmt, und wegen mancher anderen Sonderbarkeiten macht man sich gern über sie lustig, ohne sie im Übrigen gering zu schätzen. Sie treiben auch den Weinbau fleißig und schätzen ihren Darmreisser trotz dem Babolnaer. ‚Der ist gut, aber unsrer ist auch gut‘, pflegen sie jedes Mal hinzuzusetzen, wenn ihnen irgendwo mit einem guten Glas Wein aufgewartet worden ist. Außer dem Pfarrer erlauben sie Niemandem, auswärtigen Wein ins Dorf zu führen, ihr eigner muss verzehrt werden.“

Im Jahr 1859 entfachte der erste Hattertstreit mit Reschinar, dessen Bewohner im Michelsberger Wald Holz fällten. Im Jahr 1883 kam es zu einem blutigen Konflikt zwischen den Bewohnern der beiden Gemeinden, bei dem zwei Menschen starben und weitere schwer verletzt wurden. Der Streit wurde im Jahr 1886 vor Gericht beigelegt.

Im Jahr 1865 wurde ein Fonds für den Bau eines Freibades eingerichtet. Die erste Spende kam von den Nachkommen des im Jahr 1851 verstorbenen Pfarrers Josef Schochterus.

Im Jahr 1865 leitete Ludwig Reissenberger die erste Renovierung der Burg. Zwischen 1871 und 1887 war Samuel Fleischer Pfarrer von Michelsberg. Er gründete einen Verein zur Verschönerung des Ortes. Dieser Verein realisierte die Anlage der Promenade ,,Makadam“. Es wurden Serpentinenwege zur Burg angelegt und Bänke sowie Tische aufgestellt.

Die Badeanstalt wurde vermutlich zwischen 1864 und 1871 eröffnet.

Im Jahr 1872 wurde die alte Schule abgerissen und das neue Schulgebäude mit Stockwerk am 31. Oktober 1873 von Bischof Georg Daniel Teutsch eingeweiht. Das benötigte Geld kam vom „Gustav Adolf“-Verein. Das Darlehen wurde bis 1898 vollständig zurückbezahlt.

Um 1890 errichteten mehrere wohlhabende Hermannstädter Ferienhäuser in Michelsberg. Im Jahr 1898 wurde die heutige Turmuhr angeschafft.

Während des 19. Jahrhunderts war Michelsberg zwar nach wie vor ein armes Dorf, besaß jedoch ein beträchtliches Potenzial als sich entwickelnder Luftkur- und Badeort. Dieses touristische Potenzial erkannten und förderten die örtlichen Pfarrer.

Zorán KÉZDI

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.