Eine künstlerisch spannende Zeit

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Siebenbürgische Malerei aus der Sammlung Böhm im Schloss von Großkarol/Carei

Ausgabe Nr. 2828

Bikfalvi Zolt, Generaldirektor der Stiftung Graf Karol in Großkarol zur Förderung des Kulturtourismus (Fundația Centrul de Promovare al Turismului Cultural Gróf Károlyi din Carei), vor dem Aquarell von Heinrich Schunn.                                                                                     Fotos: Heinke FABRITIUS

Die 1920er und 1930er Jahre sind auch künstlerisch eine spannende Zeit. Moderne und Avantgarde entfalteten noch einmal ihre ganze Vielfalt und ihren Reichtum. Und dies, obwohl – oder vielleicht gerade weil – es eine gesellschaftlich und politisch herausfordernde Zeit war. Vor dem Hintergrund der Neuordnung Europas nach dem 1. Weltkrieg erhoben sich verstärkt nationale Diskurse, die oftmals auch an die Künste herangetragen wurden. Unbeirrt davon folgten die meisten Künstlerinnen und Künstler jedoch weiter ihrem Wunsch nach einer umfassenden, europäischen Ausbildung und suchten Wege, die ihnen den Blick in alle Richtungen erlaubten. Gerade im multiethnischen Siebenbürgen war dies von besonderer Bedeutung.

Die am 30. Juli d. J. im Schloss von Großkarol eröffnete Ausstellung mit ausgewählten Werken der Sammlung Böhm zeigt genau dies. Beherzt und anschaulich stellt sie rumänische, ungarische und sächsische Positionen nebeneinander und rekonstruiert die Spuren vergessener Dialoge. Die Ausstellung ist bis zum 22. September (Di.-So. 9-17 Uhr) zu besichtigen.

Blick in die Ausstellung mit Stillleben von Hans Eder, Perlott Csaba Vilmos, Tasso Marchini, Hermann Konnerth und Fölöp Antál.

30 Bilder, verteilt auf zwei Räume, umfasst die konzentrierte Ausstellung. Das Thema Landschaft bildet den Auftakt. Zu sehen sind ein Picknick im Freien von Tibor Ernő, eine Lesestunde im Garten von Macalik Alfréd, aber auch von Menschen unberührte Ansichten, die die fernen Karpaten oder sanften Hügel der siebenbürgischen Hochebene meist in kräftigen Farben zeigen. Ganz anders, eigenwillig und deshalb besonders eindringlich, ist ein großformatiges Aquarell von dem in Neustadt bei Kronstadt (rum. Brașov/ ung. Brassó) geborenen Heinrich Schunn. Überaus zart, in hauchdünnen transparenten Farblagen gestaltet, eröffnet sich in seinem Bild die Weite des Burzenlandes. Nicht haptisch präsent, sondern unfassbar, entrückt und fragil erscheint die Natur, die sich uns wie ein Traum entzieht.

Der 1879 bei Großkaroly geborene und mit dem kritischen Heimatdichter Ady Endre gut befreundete Aurel Popp, ist – als Sohn der Stadt – mit einem repräsentativen Selbstporträt vertreten. Mit breitem Hut, souverän und autonom zeigt sich der 40-jährige Maler bei der Arbeit vor der Staffelei. Aus etwas späteren Jahren stammt, ebenfalls von Popp, eine ungewöhnliche Stadtansicht von Eger (dt. Erlau), in welcher nicht etwa die Architektur, sondern der kleine Eger-Bach, der durchs Stadtzentrum fließt, in den Vordergrund rückt. Die Aufmerksamkeit des Künstlers gilt den Spiegelungen des Himmels auf der Wasseroberfläche. Das erinnert an Werke der Freilichtmaler der Schule von Baia Mare (ung. Nagybánya / dt. Frauenbach), zu denen Popp in den frühen 1920er Jahren Kontakt pflegte, letztlich jedoch eigene Wege ging. Und schließlich gibt es da noch eine Kreidezeichnung von Popp, die ganz pointillistisch – in kurzen, punkthaften Strichen – auf farbigem Papier gearbeitet ist: Von hinten aus der Tiefe des Bildes dringen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne hervor. Die Blätter der Bäume vibrieren im leichten Wind. Ein Tor schließt sich. Eine Frau kommt uns entgegen. Aus dem Dickicht des Bodens scheinen einzelne Grabsteine auf und erst jetzt wird man sich gewahr, dass man sich nicht in einem Park befindet, sondern auf einem Friedhof: ein Friedhof, dessen Stille sich auf bezaubernde Weise in die Gelassenheit eines warmen Sonntagnachmittags verwandelt.

Heinz Schunn (1923-2014), der Sohn von Heinrich Schunn (1897-1984), schenkte diesen Farbholzschnitt von 1995 der HZ-Redaktion.

Der zweite Raum holt den Blick aus der Landschaft hinein ins Interieur und damit in den privaten Raum. Noch einmal ist Tibor Ernő vertreten. Sein bürgerlicher „Salon“ führt in die Zeit der Jahrhundertwende zurück, doch nur um hier als Kontrapunkt oder Gegenbild zu dienen für eine Reihe herausragender Stillleben von Fülöp Antal, Hermann Konnerth, Tasso Marchini, Perlott Csaba Vilmos und Hans Eder, die alle in den 1920er oder 1930er Jahren entstanden sind. Diese Bilder sind starke Werke, die auch für sich allein sprechen, doch die hier gegebene Zusammenschau und die Möglichkeit des unmittelbaren Vergleichs bringt neuen Erkenntnisgewinn und viel neue Sehfreude: Expressionistisch vital leuchtend eine leicht von oben gesehene Klivie von Hans Eder, gleich daneben ebenfalls eine Klivie von Perlott Csaba, doch viel kühler, distanzierter gegeben. Wieder anders, frontal und streng in die Fläche gesetzt, arrangiert Tasso Marchini sein „Interieur mit Karaffe“. In seinem Bild bricht sich das Licht. Alle Gegenstände scheinen in überspitzter Klarheit auf, glatt und glänzend wirft die Tischfläche alle Spiegelungen zurück. Herrmann Konnerth füllt den Bildraum in breiten Strichen mit einem Strauß prächtiger Sonnenblumen. Dabei zieht er ihn nah zu uns heran, als wollte er sagen, dass wir noch einmal und bitte genauer hinschauen sollten. Fülöp Antal Andor dagegen ist zurückhaltend und fast grazil, seine Farben sind alle mit Weiß gehöht und dadurch beruhigt. Es gibt keine Dunkelheit im Bild, und was zu sehen ist – Blumen, Aprikosen und Zitronen – ist zuweilen so nah beieinander, fast verwoben und sich gleichend, dass man schnell versteht, wie sehr es ihm um das Ganze in seiner Vielfalt geht.

Heinke FABRITIUS

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst.