Zur Eröffnung der neuen Kunstgalerie auf Schloss Horneck/ Von Dr. Irmgard SEDLER
Ausgabe Nr. 2826

Dr. Irmgard Sedler dankt der Künstlerin Sieglinde Bottesch, die ein eigenes Werk und Edda Handel, die eine Skulptur aus dem Nachlass ihres Mannes Kurtfritz Handel für die Präsentation in der neuen Kunstgalerie geschenkt haben (v. l. n. r.). Foto: Yakup ZEYREK
Die Eröffnungsfeier der neuen Kunstgalerie des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim hat am 18. Juli im Festsaal von Schloss Horneck stattgefunden. Grußworte sprachen Heike Schokatz, Bürgermeisterin von Gundelsheim, Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Alexandru Constantin Chituţă, Generaldirektor ad interim des Brukenthalmuseums und Unterstaatssekretärin Irina Marin-Cajal. Lesen Sie im Folgenden die Rede von Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Vereins Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e. V.:
Heute Abend wollen wir Ihnen die Möglichkeiten der Weltoffenbarung über die Kategorien der bildenden Kunst anhand der Werke von Künstlern mit siebenbürgischer biographischer Prägung vorführen. Die Resonanzbereitschaft eines siebenbürgischen Publikums für die bildenden Künste im Museum hängt mit der Tradition zusammen, Museen durch die Brille einer so prägenden Einrichtung wie dem Brukenthalmuseum zu sehen.
Was Sie erwartet, sind ästhetisch-emotionale, sehr subjektive Angebote unterschiedlicher künstlerischer Positionen, die Sie in die Wirklichkeit siebenbürgischer Kunstentwicklung dreier Jahrhunderte einzuführen vermögen.
Seit Jahrzehnten war es ein Hauptanliegen, diese Galerie für eine breite Öffentlichkeit einzurichten. Es mangelte hierfür jedoch an Räumlichkeiten. Nichtsdestotrotz wurde der Aufbau der Gemälde- und Grafiksammlung seit Jahrzehnten systematisch vorangetrieben. Ich nenne hier nur den früheren Kustoden Rolf Schuller, langjähriger Museumsleiter, sowie Dr. Volker Wollmann und Kunsthistoriker Marius Joachim Tataru. Ich selbst, im Jahr 1999 den Vorsitz des Trägervereins übernehmend, kam mit meiner Erfahrung im Brukenthalmuseum und dem Museum zeitgenössischer Kunst im Kleihues-Bau 1991 hinzu. Viele Neuanschaffungen im Siebenbürgischen Museum sind durch meine Hände gegangen, seit 2014 bringt der Kunsthistoriker und leitende Museumskurator Dr. Markus Lörz seine Erfahrung in diesen Bereich der Museumsgestaltung erfolgreich mit ein.
Es ist ein Anliegen der neuen Präsentation, über die Kunst in geschichteter, 300jähriger Zeit, die Erkenntnis der siebenbürgischen Welt über die subjektive Glaubwürdigkeit von Leinwandbildern und Skulpturen, entlang optimistischer Zeiten wie auch offener Wunden der Geschichte einzufangen.
Sie beginnt mit einer Porträtgalerie aus dem 18. Jahrhundert, die anhand einer geadelten sächsischen Patrizierfamilie den Weg der Neuordnung siebenbürgischer Städtegesellschaften auf dem Weg ihrer kulturellen Selbstreferenz und Provinzialismus in die Weltläufigkeit und den Standesanspruch österreichischen Beamtenadels aufzeigt. Johann Martin Stock u. a. vertreten hier eine Maler-Generation, die sich zwischen Hermannstadt und Wien etablierte und Maßstäbe für den Kunstgeschmack im Wandel vom Barock zum Klassizismus setzte. Auch durfte in dem dieser Zeit gewidmeten Ausstellungsraum das Porträt des kunstsinnigen Gubernators und Vertrauten der Regentin Maria Theresia, Baron Samuel von Brukenthal, nicht fehlen.
Zu den Kunstproduktionen des 19. Jahrhunderts leiten die Arbeiten Franz Neuhauser des Jüngeren über, die am Beispiel südsiebenbürgischer Städtedarstellungen, der Bildauffassung traditionell akademischer Kategorien formelhafter Veduten- und Landschaftsdarstellungen verhaftet bleiben. Über ein von Carl Dörschlag gemaltes Männerporträt, einen Maler, den es aus Mecklenburg nach Siebenbürgen verschlagen hatte, und eine Nocturne von Fritz Schullerus führt der Ausstellungsparcours zu den klangvollen siebenbürgischen Künstlernamen des 20. Jahrhunderts – von den Hermannstädtern Arthur Coulin und Robert Wellmann zu den Kronstädtern Fritz Kimm, Hans Eder, Hans Mattis- Teutsch, Heinrich Neugeboren/dit Henri Nouveau bis Ernst Honigberger und Heinrich Schunn, oder den in den deutschen Südwesten ausgewanderten Ernst Graeser. Auch die ungarische Schule ist am Beispiel der Maler aus der ungarisch-jüdischen Künstlerkolonie in Frauenbach/Nagybánya/Baia Mare – Àcs Ferenz, Makalik Alfred – vertreten. Die beeindruckende Formensprache der hier im bildlichen Dialog versammelten Werke fügt sich in einen stilistischen Spannungsbogen vom Jugendstil und dem Symbolismus über den Expressionismus, hin zu konstruktivistischen Sichtweisen und Anleihen am Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit. Eindrucksvoller lässt sich der Anschluss der in Siebenbürgen beheimateten Künstler an die europäische Kunstentwicklung seit den Zeiten der Klassischen Moderne kaum belegen.
Der letzte Ausstellungsraum nimmt den chronologischen Faden der durch radikale gesellschaftspolitische wie biographische Brüche geprägten rumänischen wie gesamteuropäischen Wirklichkeit auf. Im Spiegel der sehr dynamischen, an Frankreich orientierten Kunstszene in Rumänien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – ich denke hier nur an die Entwicklung von der „Tinerimea Artistică“ um Ștefan Luchian und Gheorghe Petrașcu hin zu den Avantgardekünstlern des Dada um Marcel Ianco – erscheinen einem manche Künstler in den südsiebenbürgischen Städten von dieser jenseits der Karpaten sich etablierenden Avantgardekunst abgeschnitten, und verharren ab 1930/40 in einem sächsisch provinziellen Heimatverständnis, das nur durchbrochen wird von Namen wie jene von Hans Eder oder von dem der Künstlerin Margarete Depner, die in der Tradition von Aristide Maillol in Paris ihre Lehrjahre absolvierte.
Die in Gundelsheim ausgestellten Gemälde aus dieser Zeit widerspiegeln in Motivrepertoire und Formenapparat den Einfluss nationalsozialistischer Weltsicht, um dann – nach dem großen kollektiven Drama der Deportation der deutschen, arbeitsfähigen Bevölkerung Rumäniens in die Arbeitslager des sowjetischen GULAG – sich in den Zwängen des staatlich verordneten Sozialistischen Realismus wiederzufinden. In der Ausstellung ist diese Zeit durch ein Werk von Harald Meschendörfer vertreten.
Ab den 1960/70er Jahren suchten die jüngeren Künstler vermehrt den Weg in die Emigration und fügen sich mehr oder weniger erfolgreich in den Kunstbetrieb der Bundesrepublik Deutschland ein. Sie experimentieren mit dem Lettrismus (Reinhard Schuster), vollenden ihre Kunst auf dem Gebiet der Bildhauerei (Peter Jacobi und Kurtfritz Handel) oder des Holzschnitts (Gert Fabritius) und fanden schließlich ihre eigenen künstlerischen Positionen vor allem über die Auseinandersetzung mit den großen Themen humanistischer Prägung, jenen der conditio humana. Für diese bringen sie, über die eigenen dramatisch-menschlichen existentiellen Erfahrungen eine Resonanzbereitschaft mit, die ihrem künstlerischen Œuvre tiefberührend Wahrhaftigkeit verleiht. Friedrich von Bömches und später Peter Jakobi ordnen ihre Grenzerfahrungen des Seins dem Leid als zeitlos-allgemeine Welterfahrung zu und schaffen Werke „choralhaft mythischer Klangdimensionen“.
Auf unsere spezifische Museumsarbeit im Dienste von Kunst, Kultur und deren Bewahrung über die Zeiten hinweg, beziehe ich nun zuletzt eine Aussage des Dichters Immanuel Weißglas: ,,In gruft’gen Krügen schöpfen wir Gedulden/ und hegen Tropfen Zeit in Zeitlos-Mulden.“