Ja, es war schön in Wien, in Wien ist es immer schön!

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Humoriges am Rande einer Reise der Kronstädter ,,Drei Grazien“ (Teil I)

Ausgabe Nr. 2825

Die Kronstädter Drei Grazien im ,,Reinthaler Beisl“.

Die Kronstädter ,,Drei Grazien“ (selbstgewählter Spitzname) sind Generationskolleginnen an der Honterusschule, in Kronstadt wohnhaft, seit über 40 Jahren befreundet und unternehmen seit fast 20 Jahren größere oder kleinere Reisen. 2006 Paris, 2011 Prag, 2014 Istanbul, 2016 Rom, 2019 Neapel (zu zweit) und jetzt Wien. Jede Reise fand ihren Niederschlag in mehr oder weniger literarischen Berichten der Germanistin und Schriftstellerin Carmen Elisabeth Puchianu. Lesen Sie im Folgenden den ersten Teil ihres Berichtes über die Reise nach und den Aufenthalt in Wien.

 

Prolog oder die Fahrt im Dacia-Express

Covid, Krieg und andere mehr oder weniger ernst zu nehmende Katastrophen haben der Reiselust der meisten Menschen zeitweiligen Abbruch geleistet. So liegt die letzte große Reise des kompletten Trios der Kronstädter Drei Grazien sage und schreibe sieben Jahre zurück – man erinnert sich vielleicht, es handelte sich um eine einwöchige Romreise, über die man damals zu schildern beliebte – während zwei Drittel des Trios sich vor vier Jahren eine Woche in und um Neapel aufhielten – auch darüber wurde berichtet. Da mittlerweile alle drei Grazien zum Status fröhlicher Rentnerinnen avanciert sind, Covid angeblich weniger wild agiere und man nie wisse, wie lange man in Sicherheit reisen könne, machen sich die Kronstädter Drei Grazien, A., M. und meine Wenigkeit am 4. Juni 2023 auf den Weg nach Wien, wo man bis zum 9. Juni 2023 zu verweilen gedachte. Aus nostalgischen Gründen hat man sich für eine Zugfahrt mit dem von CFR betriebenen Dacia-Express entschieden, der um 17.21 Uhr pünktlich aus Kronstadt/Brașov losfährt und in fast mehr als drei-und-einhalb Stunden in Schäßburg/Sighișoara erst Halt macht. Es werde an den Schienen gearbeitet, wird uns gesagt, der Zug fährt halt wie er kann, im Schneckentempo. Auch gut, denn überall blüht hübscher roter Mohn an den Feldrändern und an den Schienen entlang, man kann ohne Weiteres einen Strauß pflücken, sich ein poetisches Kränzchen aufs Haar setzen, oder wenigstens die eine oder andere Blüte zum Mitnehmen pressen und später ins Stammbuch der Freundin kleben… Zu der Zugfahrt habe ich mich nur überreden lassen, weil man mit dem Schlafwagen fahren will. Allerdings erweist sich das Sitzen auf dem unteren Bett der gemeinsamen Kabine als recht unbequem, denn das mittlere Bett darüber lässt sich zwar hochklappen, aber nur so weit, dass man mit leicht gesenktem Haupt und gekrümmter Wirbelsäule nebeneinander sitzen kann. Vor allem für mich erweist sich dann später auch das Liegen auf dem obersten Bett als nicht besonders angenehm und das nicht nur wegen der Hitze. Beim nicht nur sehr lauten sondern auch heftigen Hin-und-Her-Gerucke des immerhin ab Simeria mit Höchstgeschwindigkeit rasenden Zuges, muss ich befürchten möglicherweise bei einer stärkeren Ruckbewegung vom Bett zu fallen. Früher gab es Sicherheitsgurte für das obere Bett, meine ich mich zu erinnern und tatsächlich finde ich ein Halfter, das anzubringen höhere Kunst und Wissenschaft erfordert, wie sich bald herausstellt. Es gelingt uns mit vereinten Kräften das Ding irgendwie anzubringen, dass ich zumindest die Illusion habe, gesichert zu sein. Immerhin hat das Geschirr eine Tasche, in die ich meine Brille, den Pass und mein Buch hineinlegen kann, um alles griffbereit zu haben im Falle eines Falles, sozusagen…

Ankunft im Deja-vu

Die Nacht verläuft, wie eine Nacht im Schlafwagen des Dacia-Express eben verlaufen muss: Kurz nach 1.30 Uhr klopfen die rumänischen, danach die ungarischen Grenzpolizisten an unsere Tür, überprüfen unsere Papiere, unsere Visagen, zum Schluss kommt noch einer mit einem spiegelähnlichen Gegenstand, der in die Kabine gehalten wird. Alles in Ordnung, wir schmuggeln nichts, sind unbescholtene Bürgerinnen eines respektablen EU-Landes. Meinen siebenbürgischen Schnaps entdecken sie nicht…Es geht dann zügig weiter und unser braver Dacia-Express kommt 8:20 Uhr am Montag, dem 5.06., pünktlich am Wiener Hauptbahnhof an. Wir besorgen uns je eine Wochenkarte für alle öffentlichen Verkehrsmittel der Wiener Linien und begeben uns zur U1, die uns bis zum Stephansplatz bringt, wo wir in die U3 umsteigen und zur Neubaugasse fahren, wo wir den Ausgang zur Mariahilfstraße nehmen, denn unser Hotel – es heißt Continental Hotel-Pension – liegt an der selbigen, Ecke Kirchengasse. Das klingt nicht nur gut, das ist sogar gut, sehr gut!

Rehbock auf dem alten jüdischen Friedhof Wien.

Das Hotel liegt auf der ersten Etage über dem Zwischenstock eines imposanten Hochhauses und wird von einer ungarischen Familie geführt. Der ältere Herr an der Rezeption begrüßt uns ebenso freundlich wie distinguiert, spricht höflich und zurückhaltend, er fordert uns auf, uns an dem Frühstücksbüffett zu bedienen und unser Gepäck zunächst abzustellen und einen ersten Erkundungsspaziergang in die Innenstadt zu machen, denn unser Zimmer sei erst ab 13 Uhr beziehbar. Gerne folgen wir seiner Aufforderung und begeben uns in den adretten Frühstücksraum, zumal wir noch etwas wacklig auf den Beinen stehen, nach der nächtlichen Zugfahrt, es rauscht in unsern Ohren und die Köpfe brummen.

Vom Hotel ist das Museumsquartier in wenigen Minuten zu erreichen und von dort ist es im Grunde ein Katzensprung bis zur Hofburg, in den Graben und zum Stephansdom. Wir bummeln ziellos immer der Nase und den Erinnerungen nach. Denn keine von uns ist zum ersten Mal in Wien und jede von uns erlebt das eine oder andere Deja-vu. Es zieht einen in den großen Städten im Grunde immer zu den gleichen Plätzen, von denen man meint, man kenne sie lange bevor man sie mit eigenen Augen gesehen und auf eigenen Füßen begangen habe. So ist es uns vor Jahren in Paris gegangen, danach in Prag und in Rom und nun in Wien.

A. möchte unbedingt die Schatzkammer der Hofburg sehen und die Kapuzinergruft und natürlich das Schloss in Schönbrunn und vielleicht auch die Spanische Reitschule. M. plädiert für das Belvedere und die Secession, wo das Beethoven-Fries von Klimt zu sehen ist und meine Wenigkeit möchte den Zentralfriedhof sehen und die Sammlungen in der Albertina. Auch möchte ich unbedingt Germknödel essen. Auf jeden Fall muss das eine oder andere Beisl und das eine oder andere Café aufgesucht werden, in diesem Punkt sind sich die Drei Grazien einig. Und da es inzwischen Mittag geworden ist, wird beschlossen zum Naschmarkt zu gehen und dort etwas zu essen. Es gibt zwar jede Menge Wienerisches wie etwa Kaiserschmarrn oder Marillenpalatschinken, aber keine Germknödel. Ein Wiener Schnitzel fungiert als Lückenbüßer, dazu nehmen wir einen gespritzten Weißen. Germknödel, dies in Klammern, werde ich die ganzen fünf Tage nicht essen… Den ersten Tag lassen wir nach kurzer Nachmittagsruhe im inzwischen hergerichteten Zimmer des kleinen Hotels Continental mit einem weiteren Bummel die Mariahilfstraße aufwärts auf der Suche nach einem Beisl oder einem ähnlichen Lokal in plötzlich einsetzendem Regen ausklingen.

Alter jüdischer Friedhof Wien

Von Kunst- und anderen Genüssen

Den zweiten Tag beginnen die Drei Grazien mit einer Straßenbahnfahrt. Immerhin will die erstandene Wochenkarte zum Einsatz kommen. Man fährt den Burgring entlang bis zum Schwedenplatz, dort steigt man aus und geht ein Stück am Donaukanal entlang, man erkundet einige Nebenstraßen und kehrt zu der Straßenbahn und mit dieser zum Burggarten zurück. Das Palmenhaus will besichtigt werden und die wundersamen Schmetterlinge, die dort zu sehen sind. Sie hängen wie die Trauben an den Zweigen der tropischen Pflanzen, zieren die prächtigen Blüten der Orchideen oder flattern in Paaren um die Köpfe der Besucher. Es sind Pfauenaugen, deren eine Flügelseite dunkel ist und die andere metallisch blau schillert, auch sind die Schmetterlinge unglaublich flink. Nur mit Mühe gelingt es mir, ihre Flatterspiele zu filmen. Danach ist Kaffeepause angesagt. Man setzt sich auf die Terrasse des Café Mozart, trinkt eine Melange und isst Apfelstrudel mit und ohne Vanillesoße, meine Wenigkeit nimmt ein Stück Sachertorte. So gestärkt machen sich die Grazien in die Albertina auf, wo es Interessantes aus der Batliner Sammlung zu sehen gibt. Drei Ausstellungen locken uns im besonderen: Die eine verspricht Einblick in Dekadenz und Moderne unter dem Titel Von Monet bis Chagall, die zweite zeigt Graphiken von Georg Baselitz mit Blick in die Postmoderne und die dritte zeigt Zeichnungen, Gemälde und Unikat-Keramiken von Pablo Picasso. Besonders beeindruckend finde ich die beinahe fahlen Farben in den Bildern von Monet sowie die Repräsentationen von weiblicher Körperlichkeit, die in der Vision der Expressionisten zwischen Karikatur und Leidenschaftlichkeit angesiedelt scheint und die auf den Kopf gestellten Körper und Porträts von Georg Baselitz.

Kunst strengt an, ganz gleich ob man sie selber betreibt oder, ob man sie betrachtet. Sie strengt an, weil sie einen herausfordert, sich mit ihr auseinanderzusetzen und indem man das tut, setzt man sich mit der Welt und sich selbst auseinander…und dabei wird man hungrig! An diesem zweiten Tag finden wir beinahe auf Anhieb ein angesagtes Beisl, das Reinthaler Beisl in unmittelbarer Nachbarschaft des Café Hawelka in der Dorotheengasse gegenüber von Trześniewski mit den „unglaublich guten Brötchen“. Während meine Freundinnen Kalbsgulasch und ich Frankfurter Würstchen, die eigentlich Wiener Würstchen heißen müssten, verzehren, beobachten wir die Menschen, die gegenüber die unglaublich guten Brötchen genußvoll an hohen Stehtischen verzehren.

Fortsetzung folgt

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Tourismus.