Humoriges am Rande einer Reise der Kronstädter ,,Drei Grazien“ (Teil II)
Ausgabe Nr. 2826
Die Kronstädter ,,Drei Grazien“ (selbstgewählter Spitzname) sind Generationskolleginnen an der Honterusschule, in Kronstadt wohnhaft, seit über 40 Jahren befreundet und unternehmen seit fast 20 Jahren größere oder kleinere Reisen. 2006 Paris, 2011 Prag, 2014 Istanbul, 2016 Rom, 2019 Neapel (zu zweit) und jetzt Wien. Jede Reise fand ihren Niederschlag in mehr oder weniger literarischen Berichten der Germanistin und Schriftstellerin Carmen Elisabeth Puchianu. Lesen Sie im Folgenden den zweiten Teil ihres Berichtes über die Reise nach und den Aufenthalt in Wien.
Schönbrunn, Belvedere und Zentralfriedhof
Der Tag mitten in der Woche ist Schönbrunn gewidmet. Ich wundere mich immer wieder über die doch sehr eng bemessenen und von weitläufigen Musik- oder Speisesalons umgebenen Schlafgemächer der gekrönten Häupter. Hohe Doppeltüren von Bediensteten bewacht und auf Geheiß geöffnet und geschlossen, imposante Keramiköfen machen die Atmosphäre herrschaftlich aber nicht freundlicher. Man wird den Eindruck nicht los, dass das Leben im Schloss nicht anders als unter Beobachtung verlief. Vielleicht bot einem der Labyrinth-Garten etwas Freiheit und der kleine Wald in der Nähe der Gloriette, wer weiß. An diesem Tag essen wir bei einem Italiener. Das hätte ich besser nicht tun sollen. Die Spaghetti alla puttanesca schmecken zwar sehr gut, bekommen mir aber nicht, vielleicht vertragen sie sich einfach nicht mit dem österreichischen Bier…
Am Donnerstag ist Fronleichnam und Feiertag für die Katholischen. Das bedeutet, dass außer Museen und Restaurants nichts geöffnet hat. Das stört uns weiter nicht, wir wollen an diesem Tag ins Belvedere und uns weiterhin in die moderne Kunst von Klimt und Schiele vertiefen. In der Oberen Belvedere gibt es außerdem bemerkenswert viele Künstlerinnen, deren Werke ausgestellt und zu sehen sind wie etwa ein Selbstbildnis aus dem Jahr 1937 von Lilly Steiner (1887-1961) oder Selbstporträt in Gelb aus dem Jahr 1948 von Margarete Hamerschlag (1902-1958).
Am Nachmittag soll A. nun endlich die Schatzkammer besichtigen und M. will irgendwo guten Wiener Kaffee trinken, während ich mit der U3 nach Simmering und von dort mit der Straßenbahn 11 oder 71 zum Zentralfriedhof fahre. Bereits in Paris hatte es uns auf einen der großen Friedhöfe, dem Montmartre, gezogen und in Instanbul ließen wir es uns auch nicht nehmen, den Friedhof in unmittelbarer Nähe des Großen Bazars zu besichtigen. Den Höhepunkt bildete Pompeji, das für mich der Friedhof par excellence ist und wo der Tod sich überall verkörpert unter dem unbeugsamen Kegel des Vesuvs. Am Wiener Zentralfriedhof begehe ich zuerst den alten jüdischen Friedhof und stoße gleich auf das Grab von Arthur Schnitzler. Und auf einen jungen Rehbock, der ungestört das hohe Gras zwischen den Grabsteinen und Stelen weidet. Wer könnte ihn auch schon an diesem wundersamen Ort der Ruhe stören! Zumal überall die Aufschrift angebracht worden ist: Wildtiere nicht füttern! Ich begebe mich zum Tor 1 des Friedhofes zurück und fahre mit der Straßenbahn eine weitere Station, um das Haupttor zu erreichen und dort die Prominentengräber zu sehen. Allen voran das Grabmal Mozarts und jenes von Beethoven, die zusammen mit jenem von Schubert eine schöne Rotunde bildet, umgeben von weiterer musikalischer Prominenz: Brahms, die Strauß Familie, Hugo Wolf… Neuere Grabstätten in amerikanischem Stil fallen mir auf, sie beherbergen, wenn man das so sagen kann, Politikerinnen und Politiker der Gegenwart. Ich sehe überraschend viele Besucher, Touristen jeden Alters, ganze Familien. Am meisten beeindruckt mich eine junge Mutter, die mit ihrem Baby auf dem Arm vor Mozarts Grabmal ein Selfie macht. Natürlich mache auch ich ein Selfie, ohne Baby auf dem Arm, aber mit Mozart und Beethoven im Hintergrund.
Am Abend dieses Feiertages, an dem Wien wesentlich ruhiger, wesentlich menschenleerer wirkt als an den Tagen davor und danach, würden wir gerne im Volksgarten etwas essen und trinken, doch ist der Biergarten dort wegen des immer wieder einsetzenden Regens geschlossen. Wir kehren schließlich im Bieradies ein, einem Lokal mit ebenso überraschendem wie viel versprechendem Namen und mit eher bayerischem Flair. Auch gut.
Hundertwasser und Billa Plus
Der letzte Tag, der Freitag (9.06.) gestaltet sich als etwas planloser und zäher Bummeltag. Im Grunde haben wir alles gesehen, was wir sehen wollten…außer dem Hundertwasser-Haus und dem Beethoven-Fries von Klimt in der Secession. Während uns die Anlage des Hundertwasser-Haus Komplexes anspricht und regelrecht begeistert, reißt uns das Klimt-Fries nicht unbedingt vom Hocker. Ein Essen im Café Zentral schwebt uns sozusagen als krönender Abschluss Wiener Gastronomie vor. Leider ist auch an diesem Tag die Schlange davor viel zu lang, da wollen wir unsere Zeit doch lieber anderswie totschlagen und setzen uns auf die Terrasse des Café Museum. Danach lockt der Volksgarten mit einigem Sonnenschein und lauter aufgeblüten Rosensträuchern und sehr vielen Besuchern. Sehr viel Volk hier, kommentiert A. Irgendwoher muss der Garten ja seinen Namen bekommen haben, nicht wahr?
Schließlich gehen wir die Mariahilfstraße hoch und kehren in einem Billa Plus ein, um uns etwas Wegzehrung einzukaufen, immerhin erwartet uns nochmal eine lange Bahnfahrt mit dem Dacia-Express in umgekehrter Richtung. An der Kasse kommt alles ins Stocken just nachdem M. mit ihrem Einkauf fertig geworden ist. Ein junger Mann kommt zur Kassiererin, reicht ihr seine angebrochene Limoflasche und sagt, er möchte sie zurückgeben, denn sie schmecke ihm nicht, die Limo. Es stehe zwar Limo drauf, aber es sei nicht die Limo, die er mag, das habe er festgestellt, als er einen Schluck daraus getrunken habe. Man möge ihm bitte eine andere, die richtige geben. Die Kassiererin, eine etwas schüchterne Frau in mittleren Jahren mit Migrationshintergrund weiß sich nicht anders zu helfen, als ihre Kasse zu verlassen, nach einer höher gestellten Kollegin zu suchen und diese um Hilfe zu bitten. Der junge Mann wiederholt sein Anliegen und wird letztendlich samt Limoflasche von der Angestellten des Ladens irgendwohin mitgenommen. Man weiß nicht, wie die Geschichte ausgegangen ist, aber zumindest konnte die Kassiererin ihre Arbeit fortsetzen und die Kronstädter Drei Grazien ihre Wegzehrung mitnehmen. Vielleicht hätten auch sie vorher die Wurst- und Käsepackungen aufmachen und kosten sollen, um festzustellen, ob das alles wie erwartet schmecken würde…
Epilog
Ja, es war schön in Wien, in Wien ist es immer schön, sagt M. und A. nickt dazu mit strahlendem Gesicht. Meine Wenigkeit beeilt sich beizupflichten: Ja, auch weil wir überall Seniorentarife zahlen konnten von wegen 65+…Etwas Gutes hat das Rentneralter doch…nur die Bahnfahrt, Mädels, die war nicht gut. Das nächste Mal wird geflogen und zwar aus Weidenbach! Zuhause klebt M. eine Ansichtskarte mit dem Hundertwasserhaus auf die Innenseite eines ihrer Bücherregale dorthin, wo sie schon Ansichtskarten der früheren gemeinsamen Reisen aufgeklebt hat. Auf ihren Regalen gibt es noch einige freie Stellen…