,,Behalten vs. veräußern?” war das Thema des letzten Kirchenburgengesprächs
Ausgabe Nr. 2824
Am 13. Juni hat das Team der Stiftung Kirchenburgen wieder ein online-Kirchenburgengespräch veranstaltet, dieses Mal zum Thema ,,Behalten vs. veräußern – Welche Strategie dient dem Erhalt der Kirchenburgen”. Als Podiumsgäste eingeladen waren Dr. Hans-Bruno Fröhlich, Bezirksdechant und Stadtpfarrer in Schäßburg, und Arne Franke, Kunsthistoriker und Denkmalpfleger aus Berlin. Bereits Mitte der 1990er soll Franke der Meinung gewesen sein, dass man vor einem riesigen Problem stehe. ,,Da darf man sich nicht Solitärobjekte aussichten und sagen, die machen wir jetzt schön, die bekommen EU-Fördergelder, sondern die Summe der Kirchenburgen prägt dieses Land”, meinte Franke. Moderiert wurde das Gespräch von Stefan Bichler, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien.
Begrüßt wurden die Teilnehmer vom Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen Philipp Harfmann, der darauf hinwies, dass das Thema des Abends die Stiftung von der ersten Stunde ihrer Arbeit begleite. ,,Es kommt immer die Frage auf: wird man alle retten können und wenn nicht: wo fängt man an, wo hört man auf. Gibt es Prioritäten?”, lauteten die einleitenden Worte von Stefan Bichler. ,,Die Stiftung Kirchenburgen hat es sich zum Ziel gesetzt zur Erhaltung der Kirchenburgenlandschaft beizutragen. Die Kirchenburgenlandschaft besteht natürlich aus der Gesamtheit aller Kirchenburgen, aus den prominenten und aus den weniger prominenten”.
Zu dem Schäßburger Kirchenbezirk gehören heute neben dem historischen Kirchenbezirk Schäßburg auch noch die ehemaligen Kirchenbezirke Reen und Bistritz sowie der südliche Teil des ehemaligen Czernowitzer Kirchenbezirks, also die Bukowina. Dabei geht es um insgesamt 88 Kirchengemeinden. ,,Wir stehen besser da, als wir vor 10 oder 15 Jahren gestanden haben”, meinte Bruno Fröhlich. Mit der Einweihung der Stadtpfarrkirche im Mai habe man ziemlich alle wichtigen Prestigeobjekte herrichten können. Dabei geht es um die Kirchen in den drei Städten: Bistritz, Sächsisch-Regen und Schäßburg. Aber auch in Gemeinden, wo es ganz wertvolle Kirchenburgen gebe, wurden europäische Finanzierungsprojekte umgesetzt, so in Trapold, Arkeden oder Malmkrog. Dann gibt es auch eine ganze Reihe von Landgemeinden, wo sich noch Gemeindemitglieder vor Ort befinden und wo die Kirchen hergerichtet werden konnten. Manche waren umfassendere Projekte, andere wurden wiederum über das Dächerprogramm hergerichtet, wie zum Beispiel Irmesch oder auch Marienburg bei Schäßburg.
,,Das heißt nicht, dass wir nicht auch Sorgenkinder hätten”, sagte Fröhlich. Ein solches Beispiel sei Schaas, wo die massive Kirche aus dem 19. Jahrhundert auf einem sumpfigen Untergrund stehe oder Zendersch, wo man in der nächsten Zeit etwas machen müsse.
Fröhlich vertritt als Pfarrer von Schäßburg den Eigentümer der Kirchengemeinde Schäßburg, aber als Dechant des Schäßburger Bezirkes alle Gemeinden, die den Status einer Diaspora-Gemeinde haben, also rund 84 Ortschaften.
,,Ich beobachte die Kirchenburgenlandschaft und deren Aktivitäten seit 25 Jahren und bin sehr oft hier und stelle immer wieder fest: außer den Highlights die es gibt, gibt es natürlich viele Objekte, die ganz gut bekannt sind und die vielleicht vor 20 Jahren ganz wertlos erschienen”, sagte Franke. Ein solches Beispiel sei Felldorf oder ganz kleine Pfarrkirchen. Beispielsweise sei die Kirche von Schmiegen ein ganz wertvolles Objekt, dessen Relevanz man eigentlich über die Jahrzehnte nie erkannt hat. ,,Es ist natürlich ein hochprominentes Objekt, für einen Kunsthistoriker aber eben auch für touristische Reisen”, sagte Franke. In Südtirol suche er immer die kleinen Kirchen, wo man aber schon sehr früh damit angefangen hat, Wandmalereien freizulegen.
Franke betonte, es sei ein gesamteuropäisches Problem, dass durch den Rückgang von Gläubigen in den Gemeinden Pfarrer überfordert seien. Eine ähnliche Situation wie in Siebenbürgen soll es auch in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, im heutigen Polen geben, wo es viele evangelisch-lutherische Kirchen gibt. Die Gemeinden sind da bereits 1945 weg. Einige Kirchen wurden zwar katholisch, viele dieser sind allerdings zu Ruinen zerfallen. Inzwischen gebe es aber eine erwachende polnische Bevölkerung, die der Meinung sei, dass man diese Kirchen erhalten müsse.
Viel Aktivität gibt es aber in England. Hier gibt es den National Trust, der sich seit über 100 Jahren um Burgen, Schlösser und Herrenhäuser kümmert und diese auch dem Tourismus zuführt. Weiterhin ist der Churches Conservation Trust eine erfolgreiche Organisation, die jetzt etwa 30 Jahre alt ist und die mehr als 350 Objekte, die ursprünglich der Kirche gehörten, verwaltet. Der Churches Conservation Trust verbaue im Jahr etwa 4,2 Millionen Pfund, erwirtschafte aber rund 12 Millionen Pfund mit der touristischen Vermarktung dieser Objekte. Weiterhin soll es auch noch Eigenbetriebe geben, die Biolandwirtschaft betreiben.
,,Es wäre schade wenn man jetzt beginnen würde zum beispiel marode Pfarrhäuser zu verkaufen, denn mit der Kirche oder mit der Kirchenburg an sich, kann man nicht unbedingt Geld machen”, meinte Franke. Dieses Geld diene natürlich wiederum dem Erhalt des Kulturerbes. Als ein Außenstehender sei er der festen Ansicht, dass alle Objekte, die historisch relevant sind, wie auch die kleine Kirche in Schmiegen, oder ein kleines Pfarrhaus in irgend einer Gemeinde, bei der Kirche bleiben müssten und in einer gewissen Weise outgesourced werden müssten. ,,Also man könnte vielleicht eine zweite Stiftung gründen, die nur für das Betreiben dieser Kirchenburgen zuständig ist”, meinte Franke. ,,Dann würden alle Objekte zentral verwaltet werden”.
,,In der heutigen Zeit geht es nicht mehr ohne eine gewsisse Dosis an Zentralisierung” meinte Bruno Fröhlich. Er machte aber auch darauf aufmerksam, dass die Siebenbürger Sachsen zurückhaltend sind, wenn es um ,,Zentralisierung” geht. ,,Bei uns hat diese Demokratie an der Basis, über Jahrhunderte hinweg funkioniert und in dem Moment, wo man begonnen hat von ganz ober zu diktieren wo es entlang geht, haben die Zerfallserscheinungen so richtig eingesetzt”, erinnerte Fröhlich an den geschichtlichen Aspekt.
Im Laufe der Zeit hatten verschiedene Kirchen und Kirchenburgen unterschiedliche Schicksale. In Nordsiebenbürgen rettete man vor der Wende Kirchen, indem man sie an andere Glaubensgemeinschaften verkaufte. Dann gibt es Beispiele, wo später Kirchen gerettet wurden durch Enthusiasten, wie Georg Fritsch der wegen familiären Bindungen sich für den Erhalt der Kirchenburg in Felldorf engagierte. In Halvelagen wurde die Kirche aus dem 19. Jahrhundert, die sich in schlechtem Zustand befand, dem Bürgermeisteramt als Geschenk überlassen.
In Hundertbücheln engagierte sich der Verein Churchfortress, deren Betreiber zwar keine familiären Bindungen zu dem Ort haben, wo sich aber trotzdem Enthusiasmus für den Erhalt der Kirchenburg fand.
Solche positive Beispiele wie in Hundertbücheln entstünden laut Franke vor allem auch durch den Fachtourismus, den die Stiftung Kirchenburgen macht, und wo sich Leute finden, die bereit sind, sich in verschiedenen Fällen beim Erhalt der Kirchenburgen zu engegieren. Die Dokumentarfilme zu Siebenbürgen seien eher traurige, man müsse aber Filme drehen über die positiven Beispielen, über positive Entwicklung, um weitere Leute anzuziehen, meint Franke. Außerdem handele es sich um ein gesamteuropäisches Problem, und so könne man einmal in Siebenbürgen eine internationale Konferenz zu diesem Problem organisieren.
Weiterhin werde das Interesse zunehmen, je mehr Objekte renoviert und restauriert werden. Selber führe er auch Gruppen sowohl zu restaurierten als auch zu solchen Kirchen, die kurz vor dem kollabieren sind. ,,Es muss koordiniert daran gearbeitet werden, um die Kirchenburgenlandschaft in der Breite zu erhalten”, sagte Franke.
Als weitere Beispiele, wo Tourismus mit Erfolg betrieben wird, nannte Franke Leuchttürme an der englischen Küste, die nicht mehr gebraucht wurden und die inzwischen voll ausgebuchte und teuere Gästehäuser beherbergen. ,,Mit Ideen hat man tatsächlich solche unrentable Objekte gefüllt und dadurch natürlich auch eine Refinanzierung für den permanenten Unterhalt bekommen”, sagte Franke.
Man werde vielleicht nicht jede einzelne Kirche bzw. Kirchenburg retten können, vor allem diejenigen, die kunsthistorisch vielleicht weniger bedeutend ist. Er betonte jedoch: ,,Die Kirchenburgen, müssen wir alle retten. In der Breite muss man möglichst viel retten, um eine Kulturlandschaft als Ganzes zu erhalten“.
Werner FINK