Beeindruckende Lebensgeschichten

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Tag der offenen Türen im ,,Haus Nazareth“

Ausgabe Nr. 2825

Gruppenbild mit Dr. Holger Lux (Bildmitte mit Krawatte), ehemaligen und aktuellen Betreuten, Familienmitgliedern, Freundinnen und Freunden der Einrichtung vor dem „Potter’s House“ (Haus des Töpfers).    
Foto: Daniela ANDRĂȘESCU

„Nur du allein kannst es schaffen, aber du kannst es nicht alleine schaffen“. So lautet das Motto des Hauses Nazareth. Am 1. Juli des Jahres feierte das Haus Nazareth, das erste Therapiezentrum für Suchtkranke in Rumänien, in Kleinscheuern 30 Jahre seit seiner Gründung und den 28. ,,Tag der Offenen Türen“.

Der Verein „Blaues Kreuz in Rumänien“ war kurz nach der politischen Wende auf Betreiben des rührigen evangelischen Pfarrers Christian Weiß mit Unterstützung von Diakon Friedhelm Maßmann gegründet worden und bald darauf, im Jahr 1993, konnte auch das Zentrum für suchtkranke Männer im ehemaligen evangelischen Pfarrhaus von Kleinscheuern in Betrieb genommen werden. Übrigens: Das Blaue Kreuz wurde am 21. September 1877 in Genf von Pfarrer Louis Lucien Roschat gegründet.

Ab 1997 gab es dann auch ein Therapiezentrum für suchtkranke Frauen, erst in Burgberg, dann in Schellenberg. Inzwischen konnte mit Hilfe großzügiger Spenden ein neues, größeres Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft des Pfarrhauses gebaut werden. Dort sind nun seit der Pandemie sowohl die Männer als auch die Frauen untergebracht. Was in Zeiten der Pandemie als Notlösung gedacht war, erwies sich als praktische Lösung.

Alljährlich veranstaltet das Zentrum ein Sommerfest, das auch als Tag der offenen Tür gemeint ist. Gäste sind gerne willkommen.

In diesem Jahr begann das Fest mit einem beeindruckenden Gottesdienst in der evangelischen Kirche. Anschließend übernahm Dr. Holger Lux, der seit 28 Jahren die Geschicke des Therapiezentrums leitet, die Moderation und ließ erst den Vorsitzenden des Trägervereins, Pfarrer Constantin Necula, und den stellvertretenden Vorsitzenden, Pfarrer Dietrich Galter, zu Wort kommen. Der für die geistliche Betreuung der Patienten zuständige Pfarrer Valentin Delcă war ebenso dabei wie der Geschäftsführer Marius Oltean, der Psychologe und Psychotherapeut Vasile Șoaită und einige weitere Gäste die zum Teil beeindruckende Lebensgeschichten haben.

So haben etliche jener, die einmal hier als Patienten waren, inzwischen selber eine Ausbildung zu Psychotherapeuten gemacht, andere haben in ihren Heimatstädten Gruppen der „Anonymen Alkoholiker“ gegründet, wo sich abstinente Suchtkranke regelmäßig treffen, um Kraft für den Alltag ohne Suchtmittel zu tanken.

Denn eine Sucht ist unheilbar. Das einzige Mittel dagegen ist die lebenslange Abstinenz, denn bei jedem, auch zufälligen Kontakt mit dem Suchtmittel sind die Abhängigkeitssymptome wieder da. Das ist in erster Reihe der Alkohol, der einem auf Schritt und Tritt begegnet, mal in Reinform, mal in Kuchen oder Pralinen oder gar alkohollöslichen Medikamenten versteckt.

Einige Anwesende erzählten zum Beispiel, dass sie es 20 Jahre lang geschafft hatten, abstinent zu bleiben, und dann doch wieder rückfällig wurden.

Inzwischen haben es die Ärzte und Therapeuten des Zentrums auch mit allerlei Drogen zu tun, bei den Frauen vor allem kommt es oft auch zu einer Medikamentensucht.

Auch suchen immer mehr Spielsüchtige in Kleinscheuern professionelle Hilfe. Wichtig ist aber außer der Therapie das Gemeinschaftsgefühl, das Wissen, dass man nicht alleine mit seiner Krankheit ist, dass es Menschen gibt, die das Gleiche erleben oder erlebt haben, und offen dazu stehen.

Nach diesem beeindruckenden Teil der Veranstaltung konnten sich alle mit Würsteln, Kaffee und Striezel stärken, es gab eine Tombola mit lauter Gewinnerlosen, deren Erlös die Arbeit des Hauses unterstützt, denn die bis zu sechs Monaten dauernden Therapieaufenthalte können sich nicht alle, die Hilfe brauchen und suchen, leisten. Der staatliche Zuschuss deckt nur einen Teil der anfallenden Kosten.

Anschließend konnten Patienten wie Gäste bei schönstem Sommerwetter miteinander ins Gespräch kommen, alte Bekanntschaften auffrischen, neue Leute kennenlernen.

Wer mehr über die Arbeit des Blauen Kreuzes Rumänien und des Therapiezentrums erfahren möchte, findet ausführliche Informationen unter https://www.dependenta.org/.

Sunhild GALTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Soziales.