Geteiltes Schicksal in herausfordernder Umgebung

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Schauspieler Daniel Bucher über seine Rolle im neuesten Stück von Sarah Brown

Ausgabe Nr. 2820

Daniel Bucher.                  Foto: Privat

Die Vorbereitungen für das bevorstehende Hermannstädter Internationale Theaterfestival (FITS), das vom 23. Juni bis 2. Juli  in Hermannstadt stattfinden wird, laufen dieser Tage auf Hochtouren und bereits jetzt ist die Vorfreude bei den Darstellerinnen und Darstellern groß. Unter den rund 3.300 Mitwirkenden ist auch die deutsche Abteilung des „Radu Stanca“-Nationaltheaters Hermannstadt (TNRS) mit zwei Vorstellungen vertreten.

Repräsentativ für die deutsche  Minderheit in Siebenbürgen befasst sich dabei das Stück „Herz eines Schreiners“ von Dramatikerin und Regisseurin Sarah Brown mit der siebenbürgisch-sächsischen Kultur des 14. Jahrhunderts. Das Werk erzählt die Geschichte eines jungen Schreiners namens Bartholomäus (kurz Bartl), der sich vom kleinen Dorf Bußd/Buzd bei Mediasch aus auf den Weg nach Hermannstadt macht, um dort Mitglied der Schreinerzunft zu werden. Die siebenbürgisch-sächsischen Handwerkszünfte waren zu jener Zeit für die Stadt Hermannstadt und die umliegenden Gemeinden von großer Bedeutung.

Die Hauptrolle des Schreiners Bartl wird bei den bevorstehenden Aufführungen vom deutschen Schauspieler Daniel Bucher gespielt.

Blickt man genauer auf die Lebensgeschichte des Schauspielers und die seiner Rolle, so fallen direkt einige Parallelen auf. Ähnlich wie der junge Bartholomäus kam auch Bucher ohne Papiere, im Grunde genommen ohne eine Identität nach Hermannstadt, und wollte dort seinem Handwerk (als Schauspieler) nachgehen. Sein einziges Ausweisdokument sei ein längst abgelaufener Reisepass gewesen, erzählt er nach einer Probe in der evangelischen Stadtpfarrkirche. Der Liebe wegen entschied sich der 51-Jährige 2011 für eine Umsiedlung von Deutschland nach Rumänien, wo ihm nur wenige Wochen nach seiner Ankunft eine Stelle am „Radu-Stanca“-Nationaltheater angeboten wurde.

Für den Fall, dass es mit der Schauspielerei in Rumänien nicht klappt, hatte er sich schon auf Stellen als Wachmann beworben. Bevor er jedoch in Hermannstadt sesshaft werden konnte, lebte er eine Zeit lang mit seiner Lebensgefährtin im Burzenland – ein Gebiet, in welches auch der fiktive Bartholomäus Kontakte pflegt.

Bartls Ziehvater stammt aus jener Region Siebenbürgens, und so wird in dem von Sarah Brown speziell für die evangelische Stadtpfarrkirche verfassten Theaterstück immer wieder auf humorvolle Art und Weise sein Burzenländer Dialekt thematisiert. Nicht zuletzt wegen dieser Parallelen lässt Daniel Bucher keinen Zweifel daran, dass er sich besonders gut in die Rolle des jungen Schreiners einfühlen können wird.

Eine Besonderheit beim Theaterstück „Herz eines Schreiners“ stellt auch die schon erwähnte Räumlichkeit dar, in welcher das Stück aufgeführt wird – die evangelische Stadtpfarrkirche. Dass das Theaterspielen in einer Kirche eher etwas Unkonventionelles ist, zeigt sich schnell bei der Probe. Anders als auf der Bühne des Radu Stanca-Nationaltheaters müssen die Schauspielerinnen und Schauspieler hier stets gegen den massiven Hall der Gewölbe ankämpfen. Treffen sie dabei nicht die richtige Lautstärke oder sprechen sie in die falsche Richtung, so werden ihre Worte direkt von den hohen Decken der Kirche verschluckt.

Autorin und Regisseurin Sarah Brown achtet deswegen beim Proben penibel darauf, dass alle sich angemessen artikulieren. Die US-Amerikanerin hat bereits Erfahrung mit Theaterinszenierungen an außergewöhnlichen Orten. Beim letztjährigen Theaterfestival schrieb sie ein Stück zur Aufführung in der Synagoge in der Salzgasse in Hermannstadt, das unter ihrer Regie ebenfalls im Rahmen des Hermannstädter Internationalen Theaterfestivals Premiere feierte.

„Es ist enorm wichtig, dass wir uns alle gegenseitig aussprechen lassen“, betont Schauspieler Daniel Bucher im Vorfeld der Probe. Was andernfalls passieren kann, zeigen die Szenen, für die das Drehbuch ein sich gegenseitiges Unterbrechen der Charaktere vorsieht. Sobald sich eine Person nicht richtig artikuliert oder die falsche Lautstärke wählt, entstehen unkontrollierbare, wiederhallende Wort- und Klangteppiche, deren Inhalt für das Publikum nur noch schwer zu verstehen ist. Trotz der ortsbedingten Tücken fordert Sarah Brown von ihrer Gruppe immer wieder ein: „keep the theatre in it“, also nicht zu vergessen, dass es sich immer noch um ein Theaterstück handelt.

Die Vorfreude auf die Aufführungen und das Theaterfestival ist bei der deutschen Abteilung des „Radu-Stanca“-Nationaltheaters spürbar groß. Nach der Probe erzählt Daniel Bucher, dass das Festival jedes Jahr ein absolutes Highlight sei. Mit dem Werk „Herz eines Schreiners“ werde dieses Jahr besonders etwas für die Siebenbürger Sachsen und die deutschsprachige Community in Hermannstadt geboten. Mit dabei ist übrigens der Hermannstädter Bachchor unter Leitung von Brita Falch Leutert, der derzeit ebenfalls fleißig probt.

Das Stück wird jeweils am 29. und 30. Juni um 21 Uhr in der evangelischen Stadtpfarrkirche aufgeführt und dauert 1,5 Stunden. Tickets sind erhältlich bei der Theateragentur oder online unter www.sibfest.ro.

Samuel HÖRMANN

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.