Ein Zeichen gelebten Miteinanders

Teile diesen Artikel

Streiflichter vom 73. Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl

Ausgabe Nr. 2819

Warten auf den Beginn des Umzugs: Diese beiden Mädchen aus der Landesgruppe Hessen des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland warten in der siebenbürgisch-sächsichen Volkstracht in einem Handwagen, den ein gestickter Siebenbürgen-Wandbehang schmückt auf den Beginn des Umzugs.                         
Foto: Laura MICU

Von außen betrachtet mag es einer regelrechten Völkerwanderung gleichkommen, wenn alljährlich zu Pfingsten tausende Siebenbürger Sachsen aus aller Welt nach Dinkelsbühl strömen, um gemeinsam den Heimattag zu feiern. So kamen auch heuer vom 26. bis 29. Mai rund 20.000 Landsleute aus Deutschland, Österreich, Rumänien und Übersee in der schmucken mittelfränkischen 12.000-Einwohnerstadt zusammen. Der 73. Heimattag stand dabei unter dem Motto ,,Miteinander schafft Heimat” und erfreute sich erneut sehr großem Anklang. Bei wunderbarem Wetter und strahlendem Sonnenschein konnten die Gäste – darunter viele Jugendliche – vielfältige Veranstaltungen in der ganzen Stadt erleben.

Als Gäste hatte sich auch diverse politische Prominenz angekündigt. Der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder eröffnete den Heimattag am Pfingstsamstag mit einer begeisternden Festrede, in welcher er die tragende Rolle der Sachsen in Bayern und ihre besondere Heimatverbundenheit und Tradition würdigte. Ferner forderte er eine gerechtere Rentenpolitik der Bundesregierung für die Aussiedler und versicherte den Gästen im vollbesetzten Schrannensaal seine volle Unterstützung hierfür. Weiter sprachen bei der Eröffnung u. a. die bayerische Vertriebenenbeauftragte Sylvia Stiersdorfer und der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) Dr. Bernd Fabritius.

Der Landesvorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul-Jürgen Porr (3. v. l.) freut sich über den Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen, links neben ihm sein Laudator Dr. Bernd Fabritius; ferner auf dem Gruppenbild die Vertreter der Mitgliedsverbände der Föderation, von links: Radu Nebert (Siebenbürgen), Denise Crawford (USA), Rebecca Horeth (Kanada), Manfred Schuller (Österreich) und Rainer Lehni (Deutschland).                             Foto: Christian SCHOGER

Teil des kulturellen Angebots am Heimattag waren diverse Ausstellungen zu Themen aus Geschichte und Gegenwart wie z. B. Aquarelle von Juliana Fabritius-Dancu zum Thema Trachtenvielfalt. Ebenfalls zu bewundern waren die äußerst beeindruckenden, einmaligen Fotografien des diesjährigen Kulturpreisträgers Martin Eichler, entstanden im Siebenbürgen der 80er und 90er Jahre.

Mit viel Witz und Humor lud am Samstagnachmittag in der Schranne Roland Widmann, unter Mitwirkung von Doris Hutter und Michael Kenst, zu seinem Kabarett in sächsischer Mundart „Et wor emol… und äs nea wä et äs“. Vom Schäßburger Posaunenchor (Leitung Theo Halmen) musikalisch umrahmt, boten die drei Mundartautoren dem begeisterten Publikum äußerst unterhaltsame eineinhalb Stunden. Der lustige Themenmix aus Vergangenheit und Gegenwart der sächsischen Kultur, Tradition und Identität – gepaart mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen – begeisterte die Zuschauer rundum.

Die Großauer Trachtengruppe beim Festumzug in Dinkelsbühl.

Für Zufriedenheit und gute Laune der Musikbegeisterten sorgten diverse Blaskapellen mit heimatlichen Klängen an verschiedenen Orten in der Stadt. Tanzlustige fanden sich jeden Abend in der Schranne und im Festzelt auf dem Schießwasen ein, um bei Schlager- und Partymusik verschiedener siebenbürgischen Bands sowie der beliebten Sängerin Daniela Alfinito zu Tausenden ausgelassen zu feiern.

Höhepunkt des Heimattages war, wie jedes Jahr, der sonntägliche Trachtenumzug durch die historische Altstadt mit 2700 Trachtenträgern und über 100 teilnehmenden Gruppen. Aus Siebenbürgen angereist waren die sächsischen Volkstanzgruppen der Foren aus Bistritz und Schäßburg, samt dem dortigen Posaunenchor. Die traditionellen ortsspezifischen Trachten zogen die begeisterten Blicke der zahlreichen Zuschauer, die den gesamten Weg säumten, auf sich. Den Abschluss des Trachtenumzugs bildete schließlich die Festkundgebung vor der Schranne, bei welcher sich Repräsentanten aus Politik und Gemeinschaft zu Wort meldeten und zum Abschluss feierlich das Siebenbürgen – und Deutschlandlied erklang.

Der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder (links) der die Festrede zur Eröffnung des Heimattages der Siebenbürger Sachsen am 27. Mai im Großen Schrannensaal gehalten hat, im Gespräch mit Bundesvorsitzender Rainer Lehni (rechts) und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius (Bildmitte).
Fotos: Siegbert BRUSS

Der Sonntagnachmittag war durch weitere kulturelle Highlights geprägt: So lud die SJD (Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland) unter der Leitung von Sandra Bruss „Aus Tradition und Liebe zum Tanz“ zu Auftritten zahlreicher sächsischer Volkstanzgruppen im Freien, um schließlich als krönenden Abschluss mit allen Gruppen einen gemeinsamen Tanz aufzuführen.

Auf dem Podium im Schrannen-Festsaal (v. l. n. r.): Kathrin Welther, Rebecca Horeth, Dr. Paul Jürgen Porr, Christel Ungar, Rainer Lehni, Denise Crawford, Kerstin Arz und Manfred Schuller.        Foto: Christian SCHOGER

Einblicke in Lebensgeschichte und Wirken des Bischofs Emeritus D. Dr. Christoph Klein, aber zugleich auch einen zeitgeschichtlichen Rückblick in seine Jahre als Bischof der EKR, lieferte Christel Ungar-Țopescu in ihrem bereits 2007 entstandenen Porträtfilm „Kinderspiel und Berufung”. Dieser wurde im Konzertsaal (Spitalhof) vorgeführt und anschließend gemeinsam mit Michael Gross, Gustav Binder (Moderation) und der Filmemacherin selbst ausführlich diskutiert. Abwechslungsreich und vielschichtig stellt Ungar in ihrem Film Kleins Leben, beginnend von seiner Kindheit bis ins Bischofsamt hinein, dar. Dieses bekleidete er exakt zwei Jahrzehnte, von 1990 bis 2010. Gerade in der schicksalhaften Zeit in Folge des Massenexodusses der Siebenbürger Sachsen, mag wohl kaum einer einen kompromissloseren Zukunftsoptimismus gehabt haben als Klein. Von Beginn an glaubte er an einen Fortbestand der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien und prägte maßgeblich den Wandel von einer Volks- zu einer Diasporakirche mit neuen Chancen. Allein durch sein stets vorwärtsgewandtes Wirken ermöglichte er eine Zukunftsfähigkeit der EKR und dieser lebendigen Kirche, wie wir sie heute kennen. Der Film würdigt diese Schlüsselrolle Kleins in besonderem Maße. Ungars Filmbiografie zeichnet sich dabei durch eine Kombination verschiedener szenischer Elemente aus. Rückblenden in seine Kindheit in Form nachgestellter Szenen und Besuche der Originalschauplätze seines Wirkens wie z. B. seiner erste Pfarrgemeinde Katzendorf, fügen sich gemeinsam mit eigenen Erzählungen Kleins zu einem eindrucksvollen Persönlichkeitsbild des Altbischofs zusammen: Eine einzigartige Persönlichkeit, welcher das Amt des Bischofs als seine ,,Berufung” sah und sich von klein auf dem Pfarrberuf verpflichtet fühlte. Seine enorme Weisheit würdigend schloss Christel Ungar: „Ein Mensch, der eigentlich für viel mehr geboren wurde, als für eine Kirche, die gerade zerfällt”.

Martin Eichler.
Foto: Christian SCHOGER

Ebenfalls gewürdigt wurden am Sonntagnachmittag bei den Preisverleihungen drei für die Gemeinschaft besonders verdiente Persönlichkeiten. Den Ehrenstern der Föderation erhielt der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien Dr. Paul Jürgen Porr für seine besonderen Verdienste im Dialog zwischen dem Forum und den siebenbürgisch-sächsischen Organisationen weltweit. Tätig in verschiedenen Ämtern innerhalb des DFDR, darunter langjährig als Vorsitzender des Siebenbürgenforums (1995 bis 2013), setzte und setzt sich der 1951 in Mediasch gebürtige Mediziner nicht nur leidenschaftlich für die Bewahrung und die Weitergabe des deutschen Erbes in Siebenbürgen ein, sondern erreichte durch sein zeitbewusstes Wirken eine lebendige Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen weltweit. Sein Laudator, Dr. Bernd Fabritius lobte Porr in tiefster Dankbarkeit als ein „Vorbild”, der durch sein Handeln in „sächsischer Treue” einen großartigen Beitrag für die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft geleistet hätte.

Konrad Klein.
Foto: Christian SCHOGER

Der Kulturpreis stand dieses Jahr unter dem Zeichen der Fotografie und wurde an die Fotografen Konrad Klein und Martin Eichler verliehen.

Der gebürtige Hermannstädter Konrad Klein gilt als einer der besten Kenner der siebenbürgischen Bildgeschichte. Dabei zeichnet er sich in besonderer Weise durch Perfektion und Vielseitigkeit aus: Von seiner Jugend an begann er bereits, alles Siebenbürgisch-Sächsische mit der Kamera zu dokumentieren, wobei er bereits seit den 70ern seine Fotografien auch ausstellte und veröffentlichte. Ferner sammelte er historische (Bild-)Zeugnisse über Siebenbürgen in seinem privaten Archiv. Keinesfalls behielt er sein Wissen aber nur für sich, sondern veröffentlichte Bücher und unzählige Zeitungsartikel für die Siebenbürgische Zeitung, wobei ihm stets die lebendige humorvolle Wissensvermittlung von enormer Wichtigkeit ist. Diese besondere Leistung würdigte Hans-Werner Schuster in seiner Laudatio besonders, denn ,,nicht nur das Auge, sondern stets auch den Intellekt” spreche Klein an.

Beim Stand des Siebenbürgenforums in der Schranne (v. l. n. r.): Sozialreferentin Hildrun Schneider, Geschäftsführer Winfried Ziegler, DFDR-Kulturreferentin Doris Köber.                                                                    Foto: Laura MICU

In vielen siebenbürgischen Haushalten mögen wohl die Kalender des zweiten Kulturpreisträgers hängen: Die des Mecklenburger Fotografen Martin Eichler. Auf einer Reise in den 70ern „verliebte” er sich regelrecht in Siebenbürgen. Seine Landschaften, Kirchen und Menschen übten von Anfang an eine unvergleichbare Faszination auf ihn aus, weshalb er Siebenbürgen seither fotografisch bis ins kleinste Detail, über Jahrzehnte hinweg, umfassend dokumentiert. Bereits in den 80ern war er regelmäßig in Siebenbürgen unterwegs und sicherte durch seine beeindruckenden Fotografien einmalige Zeugnisse der damals noch völlig intakten sächsischen Gemeinschaft und ihres gesellschaftlichen Lebens, was heute einen unfassbaren Schatz darstellt. Michael Gross würdigte in seiner Laudatio die besonderen Verdienste Eichlers für unsere Gemeinschaft, welcher durch sein Wirken die visuelle Wahrnehmung Siebenbürgens wie kaum ein anderer prägte.

Den Abschluss des 73. Heimattags, welcher im Zeichen des 40. Jubiläums der Föderation der Siebenbürger Sachsen stand, bildete am Pfingstmontag die Podiumsdiskussion zu ebendiesem Thema. Unter der Moderation von Christel Ungar diskutierten Vertreter der Föderationsmitglieder gemeinsam mit dem Publikum über Entstehung, Gegenwart und Zukunft der Föderation sowie der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft im Allgemeinen.

Tanz vor der Schranne.

Dabei wurde besonders das gemeinsam von allen Föderationsmitgliedern ausgerichtete Große Sachsentreffen 2024 in Hermannstadt ausgiebig besprochen. Die Föderation als Chance grenzüberschreitender Zusammenarbeit einer kulturell zusammengehörigen Gruppe wurde dabei klar deutlich.

Und eben dieses Miteinander, sei es auf amtlicher Ebene wie in der Föderation oder ganz konkret, wenn vor der Schranne in heimatlicher Verbundenheit tausende Sachsen, alt oder jung, von nah oder fern, Arm in Arm stehen und gemeinsam das Lied „Wahre Freundschaft“ singen, beweist die umfassende Gültigkeit des diesjährigen Heimattagmottos: Denn diese Gemeinschaft und das Miteinander schafft in uns allen, ganz persönlich, Heimat.

Fabian LUTSCH

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.