Schulprojekt selbst nachgeholt

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Zwei junge Praktikantinnen aus Deutschland im ,,Diakoniehof Schellenberg“

Marit Cochius (rechts) und Henriette (Jette) Marie Graebe. Foto: Pirmin HINDERLING

Ausgabe Nr. 2815

Nur noch neun evangelische Gemeindeglieder lebten zu Jahresbeginn in Schellenberg. Die Kirchengemeinde der südöstlich von Hermannstadt gelegenen Ortschaft, welche bereits seit 2006 vom Stadtpfarramt Hermannstadt aus betreut wird, ist seit 2012 Teil des Gemeindeverbandes Hermannstadt-Hammersdorf-Schellenberg. Während mit dem Projekt der ,,Grünen Kirchenburg” in Hammersdorf ökologische Fragen in den Vordergrund gerückt wurden, richtete man im Schellenberger Pfarrhof den sogenannten ,,Diakoniehof Schellenberg”. In diesem sind verschiedene soziale Aktivitäten des Gemeindeverbandes beheimatet, ob das ,,Betreute Wohnen”, ein weitläufiger Bio-Garten oder das „Essen auf Rädern“. Im April weilten im Schellenberger Diakoniehof zwei Praktikantinnen, mit denen Fabian L u t s c h folgendes Gespräch führte:

 Bitte stellt euch kurz vor.

Wir sind Marit und Jette, beide 19 Jahre alt und kommen aus Deutschland, genauer gesagt aus Berlin. Zurzeit sind wir als Praktikantinnen in der evangelischen Kirchengemeinde Schellenberg tätig.

Wieso habt ihr euch gerade für ein Praktikum in Siebenbürgen entschieden?

Marit: Es begann in der 11. Klasse, als es bei uns an der Schule ein Projekt namens ,,Alle ins Ausland” gab, bei welchem sich die Schüler unserer Klasse im Ausland für drei Monate in einem Praktikum sozial engagieren konnten. Den Ort und die Praktikumsstelle durfte sich jeder selbst wählen. Da wir beide im Jugendchor der St. Laurentius-Gemeinde Köpenick singen, welche eine Partnergemeinde der Hermannstädter evangelischen Kirchengemeinde ist, tat sich für uns eine erste Verbindung hierher nach Siebenbürgen auf. So nahmen wir Kontakt mit Stadtpfarrer Kilian Dörr auf, um uns zu informieren und alles Notwendige zu klären.

Jette: Alles stand schon fest, doch dann kam unseren Plänen die Corona-Pandemie dazwischen. Exakt eine Woche vor unserer Abreise, wurden die Grenzen nach und nach geschlossen, sodass es für uns unmöglich wurde, unser ,,Alle ins Ausland”- Projekt hier in Hermannstadt wahrzunehmen. Daher nahmen Marit und ich uns vor, dieses Praktikum, das ja ursprünglich im schulischen Rahmen hätte stattfinden sollen, auf private Weise nachzuholen. Sowieso wollten wir beide nach dem Abitur erstmal in einem Orientierungsjahr diverse Erfahrungen sammeln und so planten wir in diese Zeit auch einen Monat Siebenbürgen mit ein. Also machten wir uns Anfang April auf den knapp 35-stündigen Weg per Fernbus von Berlin nach Hermannstadt.

Wie können wir uns eure Tätigkeiten am Diakoniehof Schellenberg vorstellen, in welchen Bereichen seid ihr aktiv?

Jette: Der heutige Tag kann eigentlich als Paradebeispiel für unsere Tätigkeiten dienen: So halfen wir heute Vormittag bei Aufräumarbeiten in der Schellenberger Kirche, da in dieser viele Utensilien aus der Stadtpfarrkirche während der dortigen Renovierungsmaßnahmen gelagert wurden. Das werden wir gewiss auch die kommenden Tage weiterführen. Ansonsten steht Gartenarbeit an. Als wir Anfang April hier ankamen, schneite es und der Boden war gefroren, doch jetzt ist er bearbeitungsfähig, sodass heute bereits Rüben und Mais für die Schellenberger Tiere gesetzt werden konnten.

Marit: Ansonsten leben in Schellenberg zeitweise aus verschiedenen Gründen bedürftige Familien im ,,Betreuten Wohnen”. Mit den Kindern dieser Familien bastelten wir heute, morgen steht der gemeinsame Bau eines Insektenhotels an. Unsere Tätigkeiten sind also durchaus abwechslungsreich und vielfältig.

Gibt es dabei einen Bereich oder eine Tätigkeit, die euch besonders am Herzen liegt?

Marit: Vor allem die Gartenarbeit und die Arbeit mit den Kindern gefällt mir gut. Am Schönsten bei der Gartenarbeit ist es, wenn man die Ergebnisse seiner Arbeit wirklich sehen kann.

Jette: Dem kann ich mich nur anschließen. Wir sind beide kreative Menschen und mögen auch die Arbeit mit Kindern sehr. Was die Gartenarbeit angeht, ist es, bedingt durch unseren einmonatigen Aufenthalt, schade, dass wir wenig von den Erträgen unserer Arbeit sehen werden. Schön finde ich, dass wir stets gut von verschiedenen Personen angeleitet werden und in ein großes Team eingebunden sind.

Wie gestaltet sich euer Leben hier außerhalb eures Praktikums, seid ihr auch anderweitig aktiv oder habt euch schon etwas von Hermannstadt und dem restlichen Siebenbürgen angeschaut?

Marit: Wir sind viel mit den Fahrrädern unterwegs und erkunden daher Hermannstadt vor allem auf zwei Rädern. So fuhren wir bereits nach Hammersdorf, wo wir uns die ,,Grüne Kirchenburg” ansahen. Aber auch das Bummeln durch das historische Zentrum Hermannstadts macht uns viel Freude. Insbesondere die orthodoxe Kathedrale beeindruckte mich.

Jette: Auch in der Kirche wurden wir bereits an unserem ersten Tag direkt eingebunden.

So haben wir als Teil des Jugend- und Bachchors während der Osterzeit diverse Gottesdienste mitgestaltet, was uns viel Spaß gemacht hat.

Gibt es etwas, was ihr euch noch unbedingt in eurer Zeit hier anschauen wollt?

Jette: Wir führen tatsächlich eine Liste mit Dingen, die wir hier gerne sehen möchten und die stetig ergänzt wird. Wandern ist etwas, was wir gerne noch tun wollen. Auch haben wir uns vorgenommen, eine deutsche Theatervorstellung zu besuchen.

Marit: Wichtig ist uns auch, die traditionelle Küche weiter auszuprobieren. Wir haben das schon getan und sind ganz angetan von den siebenbürgischen Gerichten, welche genau unseren Geschmack treffen, sodass wir das gerne fortführen möchten.

Entspricht das Praktikum und auch Siebenbürgen im Allgemeinen euren vorherigen Vorstellungen?

Marit: Das ist tatsächlich keine einfache Frage. Denn ich weiß gar nicht mehr, wie genau ich mir Rumänien und das Praktikum im Speziellen vorgestellt habe. Ich denke ich habe es mir bestimmt nicht exakt so vorgestellt, wie es jetzt ist, da ich kaum eine Ahnung von Land und Leuten hatte. Aber so wie es jetzt ist, ist es schön und gut.

Jette: Bei mir ist es ähnlich. Mir gefällt es, auch wenn es mir schwerfällt, das Jetzige mit meinen vorherigen Erwartungen zu vergleichen. Ich glaube, wir können auf jeden Fall viele verschiedene Erfahrungen aus unserem Praktikum hier mitnehmen.

Wie lange bleibt ihr noch in unserer Stadt und wie wird es für Euch in der Zukunft weitergehen?

Marit: Noch bis zum 2. Mai bleiben wir hier, danach treten wir, auf einigen Umwegen mit Stopps in Budapest und Wien, die Heimreise an. Danach möchte ich gerne ab dem Wintersemester in Berlin Bildende Kunst studieren, wofür ich bereits die Mappenabgabe hatte, von der ich allerdings noch keine Rückmeldung erhalten habe. Daher bin ich gespannt, ob alles klappt und ich meine Pläne verwirklichen kann. Weitere Studiengänge, die mich interessieren, sind Filmwissenschaften, soziale Kulturanthropologie oder Kunstgeschichte.

Jette: Ich bin gerade in einem Bewerbungsprozess für ein FSJ (Freies Soziales Jahr), welches ich gerne an einem Berliner Theater ab Herbst absolvieren möchte. Daraufhin möchte auch ich gerne studieren, zum Beispiel Schauspiel oder Darstellung auf Lehramt. Doch jetzt erstmal genießen wir die Zeit hier.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.