Mit Lächeln, Harmonie und Schönheit

Teile diesen Artikel

Pressekonferenz in Wien zum 30. Hermannstädter Internationalen Theaterfestival

Ausgabe Nr. 2818

Zum Auftakt am 23. Juni, wird das Stück ,,Povestea prinţesei deocheate” (Die verwunschene Prinzessin) im Eugenio Barba-Saal in der Kulturfabrik gezeigt, mit dem das Radu Stanca-Nationaltheater bei der 10. Internationalen Theaterolympiade in Budapest eingeladen war und am 19. Mai d. J. einen durchschlagenden Erfolg feiern durfte. Unser Bild: Szenenfoto mit den beiden Hauptdarstellern Ofelia Popii und Iustinian Turcu.               Foto: Paul BĂILĂ

Unter dem Motto „Miracol – Wunder – Wonder“ findet vom 23. Juni bis 2. Juli 2023 das Hermannstädter Internationale Theaterfestival (FITS) zum 30. Mal statt. Damit diese Jubiläumsfestspiele in den Medien dementsprechend präsent sind, fand am 12. Mai d. J.  in den Räumlichkeiten der Botschaft von Rumänien in der Republik Österreich in Wien eine Pressekonferenz statt. Auch heuer ist das Österreichische Theater bei dem renommierten Hermannstädter Theaterfestival bedeutend vertreten.

 Der Botschafter von Rumänien, S. E. Emil Hurezeanu und die Leiterin des Rumänischen Kulturinstituts Wien, Andreea Dincă fungierten als Gastgeber. Ferner waren der Präsident des Festivals, Constantin Chiriac, der Leiter der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters, Hunor Horváth aus Rumänien, Liviu Jicman, der Präsident des Rumänischen Kulturinstituts in Bukarest angereist. Das Hermannstädter Internationale Theaterfestival in Hermannstadt (FITS) zählt nicht nur zu den renommiertesten Festivals in der Welt, sondern es ist auch das größte Kunstevent in Mittel- und Osteuropa. Daher wird es auch als die bedeutendste Veranstaltung für darstellende Kunst in Rumänien bezeichnet. Außergewöhnliche Aufführungen mit Produktionen aus den Bereichen Theater, Tanz, Zirkus, Film, Musical, Oper, Literatur, Ausstellungen, unterschiedlichste Performances von Musik- und Straßenaufführungen zeigen viele populäre Künstler, die u. a. aus folgenden Ländern anreisen werden: Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien, USA, Israel, Japan, Österreich, Schweiz, Italien, China und Republik Moldova. FITS steht unter der Schirmherrschaft des Staatspräsidenten Klaus Johannis, wird unterstützt und gefördert vom Rumänischen Kulturministerium, vom Rumänischen Kulturinstitut, wie auch von den lokalen und regionalen Behörden des Kreises Hermannstadt.

S. E. Emil Hurezeanu, Ioan Hollender, Constantin Chiriac, Liviu Jicman und Hunor Horváth (v. l. n. r.).
Foto: Heinz WEISS

An den zehn Tagen werden 800 Aufführungen bzw. Veranstaltungen an 75 Schauplätzen präsentiert. Das Festival hat drei große Komponenten, die das Event in ein physisches, Online- und Hybridformat unterteilen: Indoor-Aufführungen, Outdoor-Aufführungen und Sonderveranstaltungen. Dialog, Diversität und Multikulturalität sind die Säulen, auf denen das Konzept des Festivals ruht. Diese Eckpunkte werden auch in Zukunft fester Bestandteil des Vorhabens bleiben.

Festivalsleiter Chiriac gibt zahlreiche bemerkenswerte Beispiele für die international beachtete Erfolgsgeschichte dieses Festivals, führt den Anwesenden u. a. auch die Dimension der notwendigen Logistik eindrucksvoll vor Augen – immerhin werden 3300 Mitwirkende aus 73 Ländern und über 800.000 Zuschauer erwartet – und er freut sich über viele renommierte Künstler, die bereits einen Stern auf der Hermannstädter „Walk of Fame“ (Ruhmesmeile) verliehen bekommen haben. Ja, und wieder spürt man die enge freundschaftliche Verbundenheit von Rumänien und Österreich, denn der österreichische Schauspieler und Regisseur Klaus Maria Brandauer – das Publikum konnte ihn 2015 auf der Bühne des Thaliasaals im Stück „Das letzte Band” unter der Regie von Peter Stein sehen –  hat für sein umfassendes Engagement als erster Österreicher einen Stern auf der Ruhmesmeile erhalten. Eine wunderbare Geste für grenzüberschreitende, kulturelle Seelenverwandtschaft.

Das Österreichische Theater ist auch heuer stark vertreten. Vom Wiener Burgtheater mit ,,Dorian Gray“ bis zum Max Reinhardt Seminar bietet das Programm des FITS neun Theatervorführungen und sechs Veranstaltungen mit österreichischem Bezug. Voriges Jahr bot Österreich zur Eröffnung einen Theater-Höhepunkt: „Der König stirbt“ von Eugene Ionesco unter der Regie des „Bühnenmagiers“ Claus Peymann. Am Rande fand damals auch noch ein spannendes Podiumsgespräch mit Peymann statt.

Doch zurück zum FITS 2023: Wo überall in Hermannstadt wird gespielt? Die Aufführungen finden in klassischen Sälen, aber auch an unkonventionellen Orten, in Kirchen, an zentralen Plätzen der Stadt und sogar in den Häusern der Zuschauer statt. FITS setzt die Tradition der großen Auftritte in offenen Räumen fort, zu denen das Publikum freien Zugang haben wird. Außerdem wird eine Reihe von Aufführungen kostenlos online übertragen.

So wird von der deutschen Abteilung des „Radu Stanca“-Nationaltheaters Hermannstadt (TNRS) unter der Leitung von Hunor Horváth „antigone.ein requiem“ online gestreamt. In Thomas Köcks Bearbeitung des antiken Stoffes, die auf der Hölderlinschen Übersetzung des Dramas von Sophokles basiert, entwickelt sich der Konflikt zwischen Kreon und Antigone zu einem Diskurs über Menschenrechte, Werte und politische Praxis. Wie Thomas Köck das antike Personal mit zeitgenössischer Bedeutung auflädt, ist mitreißend. Was taugt ein Frieden, der nur für die Bewohner eines Staates gelten soll, der für den Unfrieden vor den Staatsgrenzen keine Verantwortung übernehmen möchte? Diese Fragen kommen mit Antigone aus einer anderen Zeit und sind relevant wie nie.

Das Projekt von Sarah Brown in der evangelischen Stadtpfarrkirche „Herz eines Schreiners: Die Geschichte eines Siebenbürger Sachsen“ beschäftigt sich mit den siebenbürgisch-sächsischen Handwerkszünften des 14. Jahrhunderts. Die Sachsen siedelten sich im 12. Jahrhundert in Siebenbürgen an und ihre Bevölkerung wuchs bis zum 17. Jahrhundert auf über 100.000 Menschen. Heute leben nur noch etwa 12.000 Sachsen in Rumänien, doch der sächsische Geist ist in den gut erhaltenen Städten und Kirchen, die der historischen Region Zentralrumäniens ihre weltberühmte Schönheit verliehen haben, noch sehr lebendig. Die sieben „Zitadellen“ stellten wertvolle Zentren für Handel und Gewerbe dar; die sächsischen Handwerkszünfte waren für die Gemeinden, denen sie dienten ungemein bedeutend. Im 14. Jahrhundert gab es in Hermannstadt mindestens neunzehn Handwerksgilden. Das Stück konzentriert sich auf die bedeutsame und einzigartige Kultur der sächsischen Handwerkszünfte in Siebenbürgen. Wie ein Volksmärchen präsentiert erzählt es – mit Humor, Poesie, Musik und viel Herz – die Geschichte einer fiktiven Figur, namens Bartholomäus (Bartl) Bäumel.

„Der Rattenfänger von Hameln“, eine Sage nach den Gebrüdern Grimm ist ein weiteres Projekt der deutschen Abteilung des Nationaltheaters von Hermannstadt. Im Rahmen des Projekts wird man sich auf ländliche und kleine städtische Gebiete konzentrieren und das Publikum in den Städten Kronstadt, Schäßburg, Mediasch und Reps sowie in den Dörfern Schönberg, Halvelagen, Pruden, Porumbacu de Sus, Deutsch-Weißkirch, Birthälm, Reichesdorf und Michelsberg erreichen. Der historische Kern der Rattenfängersage konnte bis heute nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen werden. Unter den vielen Interpretationen hat der Hinweis auf die von Niederdeutschland ausgehende Ostkolonisation den größten Wahrscheinlichkeitsgrad: Die „Kinder von Hameln“ sollen auswanderungswillige Hamelner Bürger gewesen sein, die von adligen Territorialherren zur Siedlung im Königreich Ungarn, Ostpreußen, Pommern oder im Deutschordensland angeworben wurden. Dabei wird davon ausgegangen, dass damals wie noch heute alle Einwohner als „Kinder der Stadt“, „Stadtkinder“ bezeichnet werden können. Die „Kinderauszugs-Sage“ wurde später mit einer „Rattenvertreibungs-Sage“ verknüpft.

Als Eröffnungsvorstellung zeigt die deutsche Abteilung des TNRS „Die Zofen“ von Jean Genet. Das Stück wurde 1947 in Paris unter heftigen Protesten uraufgeführt. Es wurde zum Skandalstück aufgrund Genets unterschwelliger Bewunderung für die Schönheit einer elegant zelebrierten Brutalität. Die von einem realen Mordfall angeregte Geschichte über zwei Schwestern, die sich in Liebe und Hass ihrer Herrin unterwerfen, ihr zugleich aber auch nach dem Leben trachten, faszinierte wegen seiner psychologischen Raffinesse. Es zeigt gnadenlos die Perversion unserer nach wie vor konservativen Gesellschaft und hinterfragt dabei die Moral als ein Privileg der Mächtigen und Reichen. Spielerisch werden die Grenzen zwischen Liebe und Hass sowie Machtmissbrauch, aber auch die wechselnde Täter- Opferrolle in einer ungerechten Welt dargestellt.

Die Schauspieler Yannick Becker, Benedikt Häfner und Daniel Bucher der deutschen Abteilung vom Nationaltheater „Radu Stanca“ Sibiu, sowie Nachwuchsschauspielerin Ana Tiepac in der Rolle des Jean Genet stellen sich dieser Herausforderungen gemeinsam mit dem Punk-Orchester „RakLap“, das den Abend gemeinsam mit den Spielenden musikalisch durchdringt und die Rebellion gegen die im Stück dargestellten Machtstrukturen lauthals verkündet.

Immer und immer wieder müssen die Schauspielenden um ihre Identität ringen, während sich ihre Maskierung in der riesigen Wasserfläche, die die Bühne bedeckt reflektiert, wobei die zu Beginn klar eingeteilten Rollenbilder auf der Drehbühne zu verschwimmen beginnen. Dabei wird die Bühne die Schauspieler scheinbar gefangen nehmen.

Es stellt sich die Frage: Welche Position wird dem Individuum zugewiesen? Bedarf es erst einer Katastrophe, damit sich jeder Einzelne von uns als Momentaufnahme im Wir-Gefüge einer gemeinsamen Welt versteht?

Tatsächlich benötigt es Wunder! In Zeiten geprägt von Pandemie, Krieg, Migration und Isolation setzt das  Hermannstädter Internationale Theaterfestival das Wunder des internationalen Theaterschaffens mit Lächeln, Harmonie und Schönheit entgegen. Wir wünschen schon jetzt ALLEN eine bereichernde Zeit, in der überdies Wertschätzung und Empathie im Rampenlicht stehen mögen!

Ingrid WEISS

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.