Ein Wunderkind für die Ewigkeit

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Bamberg in Oberfranken erinnerte Ende April an musikalische Ikone Siebenbürgens

Ausgabe Nr. 2815

Die Büste von Carl Filtsch in dessen Geburtsort Mühlbach/Sebeș.     
Foto: Roland BARWINSKY

Oftmals wird bei druckreifen Rückblicken auf Ereignisse gern mit dem Wort „bemerkenswert“ jongliert. Ein viersilbiges Adjektiv, welches unbedenklich mit „beachtlich“ oder „bedeutend“ gleichgesetzt werden darf. Aber was war denn am dritten Aprilsonntag dieses Jahres in Bamberg eigentlich nicht außergewöhnlich? Klar, die Stadt im fernen Deutschland atmet regelrecht vor Geschichte, ist zugleich ein Ort praller Lebendigkeit. Und der Grüne Saal der dortigen Harmonie darf getrost als Dauerspender in punkto Kultur gelten. Selbst die Natur, welche die froh gelaunten Betrachter bei einem Blick aus den dortigen Fenstern farbenfroh anhimmelte, befeuerte eine gerade um sich greifende Aufbruchsstimmung.

Eine Aussage, die durchweg auch für ein Programm galt, welches von der hier ansässigen und einst im fernen Hermannstadt geborenen Autorin Dagmar Dusil vorbereitet wurde. Aufgrund von kräftig verteilter klanglicher Hochkultur und veredelter literarischer Wortkost sollte Carl Filtsch (1830-1845) gewürdigt werden. Dem aus Siebenbürgen stammenden und einstigen Lieblingsschüler von Frédéric Chopin (1810-1849).

Dieses Trio sorgte in Bamberg für Hochkultur (v. l. n. r.): Dagmar Dusil, Irisa Filip, Luise Pelger Pomarius.                              Foto: Iwana BARWINSKY

Die Aura dieses „Wunderkindes“ – übrigens auch so ein ganz spezieller Begriff aus der Sparte Semantik – muss einfach besonders gewesen sein. Ansonsten würde es heutzutage kaum gewichtige Gründe geben, um ihn noch immer voller Hochachtung plus Respekt zu würdigen. Wichtig waren den Vortragenden inhaltliche Harmonien. So dass der detailverliebte Bildungsbürger genauso elektrisiert von der Veranstaltung nach Hause ging, wie der eher dort zufällig Vorbeischauende. Sorgsam sortierte und ordnete deswegen im Vorfeld die Planerin einzelne Komponenten für den gehaltvollen Vormittag. Erstes Ergebnis: Am Klavier erlebten Zuhörende eine zielstrebig Aufstrebende, für die das Wort „talentiert“ eher eine Untertreibung darstellte. Fast „en passant“  feierte Irisa Filip am Tag der Veranstaltung auch noch ihren 16. Geburtstag. Die von weither Gekommene – sie reiste aus der rumänischen Schwarzmeerstadt Konstanza an – ist damit übrigens schon jetzt älter geworden als jene Persönlichkeit, um die es hauptsächlich ging. Beizeiten begann die Künstlerin mit dem Unterricht am Piano, belegte regelmäßig Meisterkurse, erhielt längst nationale und internationale Auszeichnungen. So war sie bereits 2018 – also mit nur elf Jahren – dreifache Preisträgerin beim Internationalen Klavier-und Kompositionswettbewerb „Carl Filtsch“, der seit Mitte der 1990er Jahre in Hermannstadt – dem geistig-kulturellen Zentrum Siebenbürgens – ausgetragen wird. Darf so unsere pianistische Zukunft aussehen? Ganz bestimmt! Hochkonzentriert ging sie mit der vorhandenen klassischen Erbmasse um, verdichtete stilvoll die vorgestellten Notenblätter zu einem Kunstwerk. Neben Kompositionen von Filtsch, stellte die schon Hochdekorierte auch Werke von Robert Schumann, Franz Liszt, Frédéric Chopin sowie Anton Rubinstein vor. Starker Applaus zeigte unerbittlich, was für positive Emotionen damit beim Publikum freigesetzt werden konnten.

Irisa Filip am Klavier übernahm in Bamberg den musikalischen Begleitschutz.        Foto: Iwana BARWINSKY

Aber ohne den parallel dazu abgelieferten historischen Kontext, wären die Erinnerungen an das Naturtalent aus der gern als „Land hinter den Wäldern“ bezeichneten Region eindeutig unvollendet geblieben. Für diese dringendst erforderliche Aufklärung übernahmen Dagmar Dusil und Luise Pelger Pomarius die Verantwortung. Zwei Sprecherinnen, die bestens in der siebenbürgischen Kulturlandschaft vernetzt sind. Anwesende erlebten somit plastisch, welche Entwicklung ein in Mühlbach geborener Wunderknabe durchlief und wie sein Schaffen wiederentdeckt wurde. Denn lange bevor ihm ab Mitte der 1990er Jahre ein ganzes Festival gewidmet wurde, tauchte im geschichtlich recht ereignisreichen Jahr 1968 eine Biografie über ihn unverhofft in einer rumänischen Bibliothek auf. Diese gedruckten Worte besaßen tolle Sprengkraft, elektrisierten umgehend wichtige Multiplikatoren wie den Mathematiklehrer Hans Tobi und den Pianisten Peter Szaunig. Aufmerksame im Saal erfuhren aufgrund der vorgenommenen Traditionspflege allerhand über prägende Ereignisse im Geburtsjahr des Geehrten. Gut konnten zugleich familiäre Verhältnisse und eine einst prosperierende Gegend, wo zu Lebzeiten von Filtsch mindestens 4000 Klaviere auf einem eher räumlich überschaubaren Raum standen, dargestellt werden. Als kleines Kind ermahnte der Einzigartige bereits Kirchenmusiker bei unkorrekten Tönen und träumte zugleich von einer Welt jenseits der für ihn sichtbaren elterlichen Weinberge. Im Alter von fünf Jahren schaffte es der Außergewöhnliche bis nach Klausenburg. Dort attestierten ihm Auskenner  kurzerhand eine „hervorragende Musikalität“. Seine nachfolgenden pianistischen Reisen durch Europa mutierten zu wahren Triumphzügen. Ein Knabe – der von anderswo her kam – begeisterte Chopin und Liszt und hinterließ bleibende Eindrücke bei der Witwe Mozarts. Kurzum: Dieser Junge erlebte in wenigen Jahren mehr als viele andere, denen wesentlich mehr Zeit für eine eigene Karriere blieb. Mit 15 Jahren verstarb der Virtuose in Venedig. Dieses als „Musikalisch-Literarischer Salon“ bezeichnete Programm hob viel Unbekanntes ans Licht, weckte zugleich Interesse an weiterer Tiefenschärfe. Dagmar Dusil erklärte auf Anfrage, dass ihr Kopf längst schon neue Sachen über dieses Genie vorbereite. Gedanken für Kommendes, für notwendige Verfeinerungen und passgenaue Weiterentwicklungen seien reichlich da und sprudeln schon heftig. Ohne Unterstützer hätte es aber diese Veranstaltung am 23. April mit einer im Gedächtnis der Dabeigewesenen  verwurzelten langen Haltbarkeitsdauer keineswegs gegeben.

Im Anschluss an das erste Internationale Carl Filtsch-Klavier- und Kompositionswettbewerbsfestival, das vom 28. August bis 3. September 1995 in Hermannstadt stattgefunden hatte, wurde am  4. September 1995 am evangelischen Pfarrhaus in Mühlbach eine zweisprachige Gedenktafel mit folgendem Text enthüllt: ,,Geburtshaus des anerkannten sächsischen Musikers, Pianisten und Komponisten Carl Filtsch, 1830-1845.“ Die Gedenktafel hatte das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien auf Initiative des Siebenbürgenforums gestiftet.          Foto: Roland BARWINSKY

So stellte Brigitte Klepper, eine Bambergerin sowie durch und durch klassisch Geerdete, ihr Tonstudio zur Verfügung. In diesem Raum mit sechs Metern Höhe übte die aus einem fernen Land gekommene hochmotivierte Pianistin vorab ausgiebig. Recht üppig fiel zudem die Förderung durch das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen aus. Zum Glück! Ohne diesen finanziellen Zuschuss hätte es die gesamte Choreografie so wohl niemals gegeben und natürlich auch nicht diesen Nachbericht.

Zudem wurden 400 Euro gespendet, die dem Kinder- und Jugendhospiz ,,Sternenzelt“ in Bamberg zur Verfügung gestellt werden.

Roland BARWINSKY

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.