Gemeinsam die Finsternis besiegt

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Erste deutsche Premiere des Jahres am Hermannstädter Gong-Theater

Ausgabe Nr. 2812

Die vier Molfare feiern den Sieg über die Finsternis (v. l. n. r.): der Realist (Adrian Prohaska), der Lehrling (Angela Paskuy), der Träumer (Claudia Stühler) und der Nörgler (Jenö Major).                                      Foto: Tudor TROANCA

In der Kultur der Huzulen wird eine Person mit magischen Fähigkeiten ,,Molfar“ genannt. Ihre Fähigkeiten konzentrieren sich auf Kräuterkunde und andere Volksmagie. In dem Stück ,,Der Märchenball“ der ukrainischen Autorin Martusya Hurin, in  der Regie von Iryna Tsypina bestimmen gleich vier Molfare die Handlung: die erfahrenen Molfare – der Nörgler und der Realist – und die Nachwuchs-Molfare – der Träumer und der Lehrling. Sie zaubern nicht und erklären auch nicht, wofür welche Kräuter gut sind, denn sie müssen sich darum kümmern, die Finsternis aus dem Wald zu verjagen, die plötzlich eingezogen ist und die Tiere bedroht. Die Premiere des Stücks, das von Cynthia Pinter aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt worden ist, fand am Donnerstag der Vorwoche an der deutschen Abteilung des Hermannstädter Gong-Theaters für Kinder und Jugendliche statt.

 

Die ukrainische Regisseurin Iryna Tsypina hat mit den vier Schauspielern der deutschen Abteilung – Angela Paskuy, Claudia Stühler, Adrian Prohaska und Jenö Major – ein Stück voller Symbole inszeniert, das sich um einen ,,Märchenball“ dreht, der als Spielball von den Molfaren den Tieren zugespielt wird und auch zuweilen im übertragenen Sinn beim Publikum landet. Dabei werden ukrainische Varianten bekannter Märchen eingebaut, wie z. B. das Märchen von der Froschprinzessin und dem Prinzen Iwanko oder jenes von dem von der Füchsin betrogenen Wolf.

Zu Beginn stellen die Molfare fest, dass am Himmel über dem Wald kein Stern leuchtet. ,,Weil wir nicht darauf geachtet haben, dass ein uralter Feind, die Finsternis, seinen Weg in unseren Wald fand“, sagt der Nörgler. Der Realist stellt fest: ,,Die Finsternis zu bändigen ist eine anstrengende Aufgabe.“ Und er wendet sich an den Träumer und an den Lehrling, die zum Kampf aufrufen: ,,Ihr seid zu jung. Ihr seid der Finsternis noch nicht nahe gekommen. Und wir sind erfahren, wir haben sie ein ums andere Mal aus dem Urwald verjagt, wir wissen also, dass von ihrer Ankunft nichts Gutes zu erwarten ist.“

Mit der Finsternis gemeint ist der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, der Feind tritt als ,,Raufbold Ziege“ auf die Bühne und besetzt unverschämterweise die kleine Hütte des Hasen, bei deren Bau alle Tiere mitgeholfen haben. Der Hausbesetzer rapt siegesgewiss und drohend: ,,Dein Haus ist toll,/ich werde darin leben./Zu zweit wird’s voll/Geh‘ du auf anderen Wegen.“

Der Hase unterdessen sucht Unterschlupf im Fäustling, in dem schon ,,Kratzi Maus“ im Warmen sitzt. Vor der Kälte, die von der Finsternis in den Urwald gebracht worden ist, will auch die Froschprinzessin in den Fäustling flüchten und bittet um Einlass. Der wird ihr schließlich gewährt und gemeinsam sinnen die Tiere nach, wie sie dem Hasen helfen können, seine Hütte zurück zu bekommen. Der erste, der in die engere Wahl kommt, ist der Bär, ,,Herr Mykhailovych“, dem sie im Chor erklären: ,,Ein furchterregendes Biest ist in Hases Haus eingedrungen und lässt ihn nicht rein.“ Der Bär versucht erfolglos, das Biest zu vertreiben, es versuchen es dann noch die schlaue Füchsin und der faule brummende Wolf. Keiner schafft es allein. Da hilft nur noch Zusammenhalt. Und dieser bringt dann die Sonne wieder zum Strahlen.

Am Ende vertreiben die Waldtiere gemeinsam mit den vier Molfaren die Finsternis alias Raufbold Ziege und singen dabei ein fröhliches ukrainisches Volkslied. Das Publikum klatscht dazu und hofft mit, dass auch der Krieg in der Ukraine bald zu Ende sein wird.

Symbolhaft für die gemeinsame Aktion steht in der Mitte der Bühne ein aufrechtes drehbares Rad, ein Lagerfeuer, das sich zuletzt als wieder strahlende Sonne entpuppt.

Die Inszenierung ist auf jeden Fall für Kinder ab 7 Jahre geeignet, die der deutschen Sprache mächtig sind. Die Übersetzung ist klar und deutlich, Wortspiele kommen gut herüber und auch sonst ist das Stück kurzweilig.  Davon konnten sich schon Schulklassen aus Hermannstadt überzeugen. Die Musik spielt auch eine wichtige Rolle. Leider werden die Lieder  nur auf Ukrainisch gesungen, eine bemerkenswerte Leistung der vier Darsteller.

Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.