Das Hermannstädter Balletttheater zeigte Shakespeare in modern
Ausgabe Nr. 2810
,,Modern Dance“ und Ballett. Prokofjew und ,,Queen“. Begriffe, die auf den ersten Blick antagonistisch klingen, werden in Marcello Algeris „Romeo und Julia. Rock Story” vereint. Am 11. März hat das Ensemble des Hermannstädter Balletttheaters das Publikum ein weiteres Mal mit dieser Produktion verzaubert, die letztes Jahr in Landshut Premiere gefeiert hatte. Das war am 23. September 2022 beim Festwochenende anlässlich des 20. Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Landshut und Hermannstadt. Im Oktober 2022 wurde es anschließend in Hermannstadt erstmalig aufgeführt.
Nach einigen Gastspielen im Ausland kam die Ballett-Version von Shakespeares wohl bekanntestem Stück zurück nach Rumänien und nach Hermannstadt, wo das Balletttheater mit einer Besetzung aus Spanien, Portugal, der Dominikanischen Republik, Japan, Kuba, Italien, Kanada, dem Vereinigten Königreich und Frankreich aufwarten darf.
Es ist vielleicht die berühmteste Liebesgeschichte der Welt: Romeo liebt Julia. Julia liebt Romeo. Beide zum Scheitern verurteilt. Wie erzählt man eine Geschichte möglichst packend, die dem internationalen Publikum bereits von klein auf geläufig ist? Marcello Algeris Antwort darauf ist ein Ballett, mit Musik der britischen Rockband ,,Queen”.
Familie Capulet in weiß, die Montagues in Schwarz. Auf große, ausfallende Kostüme wird verzichtet. Es wird die meiste Zeit Jackett getragen, lediglich in einzelnen Partyszenen wird, bei den Frauen, auf lange Kleider gesetzt. Schnell passiert auf der Bühne viel. Das liegt mitnichten am Bühnenbild, welches lediglich aus weißen Klötzen und einer Empore besteht, sondern am gewaltigen Ausdruck des gebotenen Tanzes. Julia wird von Alba Fernandez fantastisch verkörpert. Mit Miguel Teixeira als Romeo an ihrer Seite, wirken beide wie ein echtes Power-Couple. Teixeira lässt Fernandez mühelos durch die Lüfte gleiten, er dreht und fängt seine Julia immer wieder müdelos auf. Bereits hier fällt auf, dass nicht nur klassisch Ballett getanzt, sondern sich oftmals des Modern Dance bedient wird. Daher scheint gerade das Sakko der Hauptdarstellerin Alba Fernandez unglaublich zu stehen. Es bietet ihr als Julia mehr Freiheit zu tanzen und ist eindrucksvoller als jedes Tutu. Die Leidenschaft zwischen Romeo und Julia wird glaubhaft vermittelt und einige Zärtlichkeiten werden auf der Bühne ausgetauscht.
Highlight der Inszenierung neben den herausragenden Hauptdarstellenden sind wohl Mercutio, Tybalt und Königin Mab. Gerade Tybalt, dargestellt von Johan Mancebo, trägt das Image seiner anrüchigen Familie eigenständig. Mancebo tanzt, als wäre die stattfindende Vorstellung zur Premiere-Zeit. Leider fallen die restlichen Darstellenden der Familie Montague einzeln nicht auf, sondern bewegen sich eher als Einheit, sodass die Tanzenden zur Kenntnis genommen werden, aber nicht im Gedächtnis bleiben.
Mercutio hingegen, getanzt von Henrique Ferreira, wirkt wie ein angenehmer Geselle, da sein Tanz und seine Mimik eher etwas Verspieltes zeigen. Gemeinsam mit Tänzerin Ayaka Nagai schafft es die Familie Capulet, die Aufmerksamkeit des Publikums bei direkten Gegenüberstellungen mit den Montagues zu halten. Wahrscheinlich wird deshalb der Applaus für die Capulets, insbesondere für Mercutio (neben Romeo und Julia) am lautesten ausfallen.
Ebenfalls überzeugen kann Maria Trabalon als Königin Mab, die hier wie eine Unheilsfee das drohende Unheil zaubert. Mit skelettartigen Flügeln schwebt und funkt Queen Mab zwischen die Geschichte der beiden Liebenden.
Das tragische Ende der Story wird nah am Originalwerk getanzt, mit modernen Einschlägen. Alba Fernandez und Miguel Teixeira tanzen buchstäblich um ihr Leben und lassen das tragische Ende mit allem, was sie haben, zu einem Highlight werden. Schlussendlich trinkt Julia Gift, Romeo denkt, Julia ist tot, man kennt die Geschichte bereits. Eine kleine Änderung erfolgt, als Julia aufwacht und Romeos Tod bemerkt: Sie erdolcht sich nicht, sondern wird mit Schüssen getötet. War sie es nun selbst oder jemand anderes? Diese Frage lässt das Ballett unbeantwortet, man hört die Schüsse lediglich nur. Ein neuer, interessanter Ansatz.
Was leider nur teilweise gelungen ist, ist die Bemühung, den Klassiker der Weltliteratur als modernes, rockiges Stück auf die Bühne zu bringen. Unter dem Deckmantel „Rock Story” ist Romeo und Julia unter Algeris Regie eher ein Freddie Mercury Fest. Vereinzelt hallen durch die Bühnenboxen klassische Werke wie das von Sergej Prokofjew (vor allem der „Tanz der Ritter”) und ein wenig Tolga Kashif, die meiste Zeit läuft allerdings ,,Queen“. Was am Anfang herrlich erfrischend wirkt, wird auf Dauer allerdings ein wenig nervig. Schließlich sitzt man nicht in einem ,,Queen“-Konzert, sondern in einem Ballett. Am Ende beschleicht einen das Gefühl, inoffiziell das „Best-Off”-Album von Queen gehört zu haben.
Die Motivation, Romeo und Julia rockiger aufzuziehen, ist zu würdigen. Es wirkt als mutiger Ansatz bei einem modern getanzten Ballett. Allerdings scheint der einzig plausible Grund, dieses Ballett „Rock Story” und nicht „Queen Story” zu nennen, die Angst vor Verwirrung zu sein. Für eingefleischte Rockfans, die eine Reise quer durch das Genre erwarten, wird das Ballett ziemlich ernüchternd sein.
Trotz dieses Wermutstropfens ist Romeo und Julia keineswegs zu unterschätzen. Modern und vor allem atemberaubend getanzt, ist das Ballett genau richtig für alle, die Romeo und Julia noch einmal von einer anderen Seite erleben wollen.
Maja HENNEMANN