Eiskalt erwischt in den Fogaraschern

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Reportage von einem Ausflug mit Gottesdienst

Ausgabe Nr. 2809

Zugefroren: Einen Gottesdienst auf 2.000 Metern Höhe bei minus zehn Grad Celsius Außentemperatur erlebte die HZ-Praktikantin Maja Hennemann mit weiteren 40 Teilnehmenden aus den Gemeindeverbänden Neppendorf und Kerz der Evangelischen Kirche A. b. in Rumänien am 6. März am Buleasee, der damals noch komplett zugefroren und verschneit, also nicht zu sehen war. Foto: Christine GRAHL

Am Montag, dem 6. März, begab sich HZ-Praktikantin Maja Hennemann zum Buleasee und in die Fogarascher Berge in den Südkarpaten. Anlass hierfür: ein evangelischer Gottesdienst, zu dem die Gemeindeverbände Neppendorf und Kerz der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien eingeladen hatten.

Zwei Hosen, zwei Pullover, eine dicke Jacke und feste Schuhe. Meine Kleidung entspricht nicht dem milden Wetter, welches angekündigt wurde. Der Zwiebellook hat allerdings Sinn – es geht zum Buleasee. Dieser Bergsee befindet sich in den Karpaten, daher ist es bei über 2.000 Metern Höhe ordentlich kalt.

Je 15 Personen haben in der Kabine der Seilbahn stehend Platz, eine Fahrt dauert ca. 10 Minuten, aber die tolle Aussicht lässt einen die Zeit vergessen…Foto: Christine GRAHL

Etwas müde stehe ich, gegen 8.30 Uhr, startbereit in der ehemaligen Landlergemeinde Neppendorf, heute ein Stadtteil von Hermannstadt. Dort werde ich von der Gemeindesekretärin, Renate Köber, freundlichst empfangen. Sie ist, was meine Reise betrifft, gleichzeitig Organisatorin. Renate Köber bestellt gerade telefonisch einen zweiten Kleinbus, da nicht alle 15 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in einen Pkw passen. Eine kleine zeitliche Verzögerung folgt. Nachdem wir uns auf die beiden Busse verteilt haben, geht es los. In meinem Auto scheint man die verlorene Zeit wieder gut machen zu wollen, daher heizen wir über rumänische Straßen, die immer schmaler werden. Den ersten Berg flitzen wir schnell hoch, sodass sich an der Spitze angekommen mein Kopf meldet. Die Zeit haben wir tatsächlich eingeholt – kurzweilige Kopfschmerzen inklusive.

Ca. 40 Gemeindemitglieder und Gäste nahmen an dem Gottesdienst auf der Terrasse der Hütte am Buleasee teil.Foto: Christine GRAHL

An der Seilbahn angekommen, stoßen weitere Gemeindeglieder aus Kerz zu unserer Gruppe hinzu. Wir sind nun ungefähr 40 Leute, die sich zum Buleasee aufmachen. An der Rampe kann man bereits weit blicken und ich bekomme beim leichten Anstieg ein wenig Angst. Als die rote Seilbahn vor uns hält, bin ich nervös, da es in der Bahn keine Sitze gibt. Wir teilen uns in drei Gruppen auf, ich bin in Gruppe zwei.

Stehend erlebe ich allerdings meinen ersten Verzauberungsmoment. Während die Bahn von unserem Startberg zum Zielberg fährt, ist mein Respekt vor der Höhe vergessen, denn ich kann die wunderbare Natur genießen. Wir lassen Fichtenbäume und Bäche hinter uns und können die kleinsten Pflanzen, die an den umliegenden Bergen wachsen, beobachten. Schnee verzeichnet sich auf den Bergen je höher man kommt, bis man am Ende im weißen Winterwunderland hält. Dort sind nur wenige, vereinzelte Hütten in Sicht, ansonsten sieht man unberührte Natur. Der Buleasee ist komplett zugefroren zugeschneit und es herrschen eisige Temperaturen.

Unser erster Halt ist das Eishotel (Hotelul de Gheață Bâlea Lac). Es ist leicht abgesenkt und ist gebaut wie ein Iglu. Im Hotel selbst gibt es mehrere Schlafzimmer sowie eine Eisbar. Tatsächlich übernachten hier Leute, erklärt der Guide. Es sei allerdings mehr eine Sache, die Gäste machen würden, um sie dann von der To-Do-Liste des eigenen Lebens streichen zu können. Kaum ein Mensch verbringe mehrere Nächte hier, erklärt er. Weiterführend erfahren wir, dass das Hotel aus natürlichem Eis- und Schneevorkommen sowie künstlichem Schnee besteht. Durchsichtiger Schnee sei hierbei künstlich, der weißlich scheinende echt. Bei einem kleinen Rundgang kann man somit feststellen, dass gerade die Bar und vereinzelte Statuen aus künstlichem Schnee bestehen. Säulen und Betten scheinen allerdings aus echtem Schnee gebaut zu sein. Zudem trägt jedes Schlafzimmer den Namen einer anderen europäischen Stadt, ist im Grundbau aber identisch.

Den neunten von den Gemeindeverbänden Neppendorf und Kerz organisierten Gottesdienst zelebrierten gemeinsam Pfarrer Michael Reger (Kerz), Pfarrerin Angelika Beer (Malmkrog) und Dechant Pfarrer Dietrich Galter (Neppendorf).Foto: Christine GRAHL

Nach dem kleinen Ausflug zum Eishotel nutze ich die Gelegenheit, mir die Berge genauer anzuschauen. Diese erwischen mich eiskalt. Neben diesen Riesen fühlt man sich auf einmal unbedeutend und klein. Dr. Ciprian Ghișa, stellvertretender Direktor des Transylvania College/The Cambridge International School in Klausenburg/Cluj-Napoca schreibt in seinem Beitrag in der Online-Zeitung „Ost-West. Europäische Perspektiven“ (https://www.owep.de/artikel/1095-karpaten-in-geschichte-und-mythologie-rumaenen), dass die Karpaten ein Gebirgszug mit über 1.500 Kilometern Länge seien und der größte Teil der Berge sich über Rumänien erstrecke. Grob lassen sich, ihmzufolge, die Karpaten in Ost- und Südkarpaten einteilen. Da ich in den Fogarascher Bergen stehe, begutachte ich somit die Südkarpaten. Diese lösen in mir ein Freiheitsgefühl aus. Die Formationen der Natur begeistern mich, genauso wie der viele Schnee. Scheinbar ist man in einer anderen Welt. Es erstaunt mich, wie unberührt man den Ort gelassen hat. Neben der Seilbahn, dem Eishotel und der Schutzhütte am Buleasee (Cabana Bâlea Lac) findet sich in der Umgebung: nichts.

Ich fange an, viele Bilder der umliegenden Berge zu knipsen, als die Sonne sich zeigt. Diese scheint irgendwann recht intensiv, sodass ich eine Sonnenbrille aufsetzen muss. Allerdings wärmen die Sonnenstrahlen mich nicht genügend, sodass ich mich in die Gaststätte der Pension aufmache, um einen Tee zu trinken. Ehe ich mich versehe, bekomme ich allerdings direkt zwei Schnäpse in die Hand gedrückt, sodass der Tee warten muss.

Beim gemeinsamen Singen in der Hütte gingen die Pfarrer Dietrich Galter (mit Gitarre) und Michael Reger mit gutem Beispiel voran.Foto: Christine GRAHL

Um 12 Uhr beginnt der Gottesdienst. Dieser findet unter freiem Himmel statt. Die Pfarrer Dietrich Galter und Michael Reger sowie Pfarrerin Angelika Beer sprechen abwechselnd deutsch und rumänisch. Da ich nicht religiös aufgewachsen bin, hinterlassen Psalm 91, Texte aus dem Evangelium und eine Predigt eher Fragezeichen als Antworten in meinem Kopf. Trotz der Tatsache, dass ich zudem kein Rumänisch verstehe, bemerke ich den Versuch, den Gottesdienst jung zu halten. Immer wieder werden Anglizismen oder Sprichwörter in den Raum geworfen, die für einige Lacher sorgen. Dem anschließenden deutschen Hauptgebet kann ich gut folgen und das Vaterunser ist mir ebenfalls nicht unbekannt. Vier Lieder stehen im Gottesdienst zudem auf der Liste: „Lobet den Herren“, ,,An deine Leiden denken wir“, ,,Von Gott will ich nicht lassen“ und ,,Unsern Ausgang segne Gott.” Diese lassen sich auch als Anfängerin gut singen, da die Melodien einfach aufgebaut sind. Nach 45 Minuten ist der Gottesdienst vorbei.

Das Mittagessen startet alsbald in der Pension und beinhaltet ein ganzes 3-Gänge-Menü. Serviert wird zuerst eine saure Suppe, die Ciorbă. Als Beigabe gibt es scharfe Paprika. Ich greife zu und muss gestehen: Die Paprika ist wirklich sehr scharf. Nach diesem Appetizer geht es zum Hauptgang, dem Gulasch mit Kartoffelbrei. Das Fleisch ist zart und der Kartoffelbrei schmeckt cremig. Als abschließendes Dessert gibt es Johannisbeerkuchen mit Cappuccino-Eis. Aus dem Restaurant werde ich mich wohl rauskugeln müssen. Um alles sacken zu lassen, wird noch ein wenig mit den Pfarrern Galter und Reger musiziert und am Tisch geplaudert. Kurz vor Ende unseres Abenteuers stelle ich mich noch einmal in die Schneelandschaft und lasse alles auf mich wirken.

Maja Hennemann konnte sich nicht satt sehen.Foto: Christine GRAHL

Gegen 16 Uhr treten wir den Heimweg an. Pfarrerin Beer muss mich schließlich vom Ausblick der Berge losreißen, da bereits alle Teilnehmer an der Seilbahn versammelt sind. Schweren Herzens folge ich ihr. Im Nachhinein wird sie sagen, dass ich am liebsten nicht mehr weg wollte.

Im Auto wieder angekommen, kämpfe ich den einstündigen Heimweg mit der Müdigkeit. Plötzlich merke ich den Tagesausflug in jeder Faser meines Körpers. Wieder in Hermannstadt angekommen, muss noch eine Stärkung her. Mit einem Lángos trete ich den Heimweg an.

Zuhause lege ich mich direkt ins Bett und kuschel mich in meine warme Decke ein. Den Temperaturunterschied merken meine Füße sofort, sie fangen mit leichten Zuckungen an. Na super, sie hat es ebenfalls eiskalt erwischt.

Ein wirklich schöner Tag geht damit zu Ende. Allerdings auch ein sehr eisiger.

Maja HENNEMANN

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Allgemein.