Ein grandioser Film

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Der deutsche Antikriegsfilm ,,Im Westen nichts Neues“ holte vier Oscars

Ausgabe Nr. 2809

,,Ohne dich wäre keiner von uns hier. Das war dein erster Film und du trugst uns auf deinen Schultern, als ob es nichts war”, sagte Regisseur Edward Berger dem Hauptdarsteller Felix Kammerer (unser Bild) bei der Oscar-Preisverleihung.                    Foto: theface.com

Der deutsche Antikriegsfilm ,,Im Westen nichts Neues“ nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque hat bei der 95. Verleihung der Academy Awards am Sonntag in Los Angeles vier Preise erhalten. Die Neuverfilmung unter der Regie von Edward Berger hatte insgesamt neun Nominierungen bekommen.  Schließlich wurde der Film zum Gewinner in der Kategorie „Bester internationaler Film“ gekürt, weitere drei Oscars gingen an den britischen Kameramann James Friend, den Komponisten Volker Bertelmann sowie an den Produktionsdesigner Christian M. Goldbeck und die Requisiteurin Ernestine Hipper. Über den Erfolg in Los Angeles gefreut hat sich auch der HZ-Mitarbeiter Lothar Schelenz, der im Folgenden über Buch und Film Auskunft gibt:

„Im Westen nichts Neues“, der Roman von Erich Maria Remarque 1928 geschrieben, blickt seit seinem Erscheinen auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. Als 1933 in Deutschland Bücher brannten, war auch „Im Westen nichts Neues“ dabei, als so genanntes „schädliches und unerwünschtes Schrifttum“! Die in den USA 1930 unter dem Titel ,,All Quiet on The Western Front“ (Regie Lewis Milestone)  produzierte Verfilmung des Romans holte damals die Oscars für den besten Film und die beste Regie wurde in Nazideutschland nach der Präsentation in Berlin von der Oberprüfstelle ebenfalls verboten, mit der Begründung: „Der Film schadet dem deutschen Ansehen im Ausland“! Tumultartige Szenen, von „Göbbels“ inszeniert, spielten sich in den „Lichtspieltheatern“ ab. Die Grundlage des Romans ist die  Geschichte Paul Bäumers, einem Abiturienten, der die Schrecken des 1. Weltkrieges aus seiner Sicht schildert! Die patriotischen Reden des Lehrers Kantorek hatten seine Schulklasse dazu gebracht, freiwillig in den Krieg zu ziehen.

Für jeden Oscar eine Lithographie: Vier Oscars hat die Neuverfilmung 2023 erhalten. Dazu schickte der Künstler Gert Fabritius, der heute in Hamburg lebt, der Hermannstädter Zeitung per E-Mail die hier abgebildeten vier Lithographien, die er 1966 als Student an der Kunsthochschule in Klausenburg als Illustrationen zu Erich Maria Remarques Roman  geschaffen hatte. Dazu schreibt Gert Fabritius: ,,Ich hatte schon als Student in Klausenburg unkorrekt an der Kunsthochschule provoziert“.

Der Roman wurde in 50 Sprachen übersetzt und verkaufte sich  weit über 20 Millionen mal! Bis heute haben die authentischen, Remarque war Kriegsteilnehmer, Schilderungen leider nichts an Aktualität verloren. Heute, 2023, findet vor unserer Tür wieder ein Krieg statt, dessen grausame Geschehnisse sehr stark an den Roman: ,,Im Westen nichts Neues“ und auch an die Begleiterscheinungen, oben beschrieben, erinnert.

Aber auch heute wird die  2022 gedrehte erste deutsche Verfilmung, geschaffen vom Regisseuren Edward Berger, genau wie die 1930 vom Regisseur Lewis Milestone mit dem renommierten Oscar ausgezeichnet. Die Neuverfilmung von Edward Berger erhielt 4 Oscars, darunter den für den besten internationalen Film. Die Faszination, die von der realistischen und schonungslosen Darstellung des Krieges im  Roman sowie den beiden Verfilmungen  ausgeht, ist ungebrochen.

Die Beweggründe der Schüler, die in nationalistischen euphorisierenden Reden ihres Lehrers Kantorek auf die Vorzüge des „Heldentodes und das Sterben fürs Vaterland“ als etwas Schönes dargestellt bekommen haben, wurden in beiden ausgezeichneten Verfilmungen nachvollziehbar wiedergegeben.

Edward Berger hat mit seiner Darstellung der Hässlichkeit des Krieges durch die Kameraführung und der Dramaturgie alles aus den Szenen herausgeholt um den Zuschauern die Geschichte des Bösen zu präsentieren. Erschreckend real ist die Massenrekrutierung auf Basis einer irreführenden Wertepropaganda dargestellt,  um  schließlich das geistige Ausbrennen als Totalschaden der Gesellschaft  zu dokumentieren. Meisterhaft gelingt es der  Crew um Regisseur  Berger mit dieser Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“  den quasi Kollateralschaden der Gesellschaft, begleitet von einer eindringlichen Trübseligkeit, zu inszenieren. Zweitrangig ist dabei, ob der Film sich immer exakt an die Buchvorlage gehalten hat, das braucht er nicht, solange er den Zielen Erich Maria Remarques – den Kampf gegen die Militarisierung der Gesellschaft und jeglicher Form von Diktatur – entspricht und das tut der Film auf eindringlichste Art und Weise. Am Ende steht:  An EINEM Tag, der so ruhig und so still war, dass der deutsche Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nicht Neues zu melden. Nur Paul Bäumer, der junge Schüler (Soldat), einer von Millionen anderer, war tot! Ein grandioser Film!

Erich Maria Remarque: Im Westen nichts  Neues. Propyläen-Verlag, Berlin, 1929. Auf dem Umschlag der deutschen Erstausgabe ist zu lesen: ,,Remarques Buch ist das Denkmal unseres unbekannten Soldaten/Von allen Toten geschrieben“. (Walter von Molo)

Es ist übrigens die vierte Produktion aus Deutschland, die einen Oscar in der Kategorie ,,Bester internationaler Film“ erhält, wobei anzuführen ist, dass es sich auch bei den ersten drei um Verfilmungen von Romanen handelte. Davor waren es in chronologischer Reihenfolge: ,,Die Blechtrommel“ (1980, nach dem gleichnamigen Roman von Günter Grass, Regie und Drehbuch Volker Schlöndorff; an dem Drehbuch mitgewirkt hatten auch noch Jean-Claude Carrière und Franz Seitz Junior), ,,Nirgendwo in Afrika“ (2003, nach dem gleichnamigen Roman von Stefanie Zweig, Regie und Drehbuch Caroline Link) und ,,Das Leben der Anderen“ (2007, nach dem gleichnamigen Roman von Florian Henckel von Donnersmarck, Regie und Drehbuch Florian Henckel von Donnersmarck)

Lothar SCHELENZ

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Film.