Von der Skipiste ins Polizeirevier

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Streiflichter von einem erlebnisreichen Wochenende Anfang Februar

Ausgabe Nr. 2804

Hannah Weiden, Praktikantin der Hermannstädter Zeitung, beim Skifahren in der Schulerau.                                                                                   Foto: Privat

Hannah Weiden, Praktikantin der Hermannstädter Zeitung, nutzte am Wochenende den Schnee und das Wetter zum Skifahren in Kronstadt. Unterwegs war sie mit mehreren Freiwilligen aus Deutschland, die sich derzeit in Rumänien engagieren. Nach einem schönen Tag auf der Piste endete die Reise für die Ostfriesin allerdings bei der Hermannstädter Polizei, die ihr aus einer misslichen Lage half.

 

Am Wochenende zog es mich zum Skifahren in die Berge bei Kronstadt. Ich konnte mich einer Gruppe junger deutscher Freiwilliger aus Hermannstadt, Fogarasch und Kronstadt anschließen, die mich netterweise auf- und mitnahmen.

Sie alle haben vergangenes Jahr Abitur gemacht und engagieren sich nun in Rumänien in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel Schulen, Kirchengemeinden oder Kulturstätten.

In der Nacht hatte es kräftig geschneit. Das nutzten Hunderte (vermutlich sogar Tausende), um in den Bergen Ski oder Snowboard zu fahren. Ich war zuvor nur in Österreich Ski gefahren und freute mich über die vergleichsweise niedrigen Preise in Rumänien. Die passende Kleidung konnte ich mir zusammenleihen oder in Hermannstädter Second-Hand-Läden kaufen, Ski, Schuhe, Stöcke und Helm gab es gegen Gebühr am Lift in der Schulerau/Poiana Brașov.

Das Skifahren verlernt man zum Glück nicht. Aber auch die Ski-Neulinge unserer Gruppe schlugen sich tapfer und kamen ohne größere Blessuren den Berg hinunter. Durch das Wetter waren Sicht und Schneebedingungen zwar eher bescheiden, aber das rumänische Skigebiet hat mir trotzdem sehr gut gefallen. Mittags kehrten wir in einer der Hütten ein. Dort gab es zwar keinen Kaiserschmarren und Käsespätzle, die ich aus Österreich kenne, aber dafür leckere Suppe, dampfend heißen Kakao mit Sahne und Schuss sowie ein wenig Kuchen zum Nachtisch.

Die Stärkung tat gut, denn draußen schneite und wehte es immer stärker. Nach einigen weiteren Abfahrten machten wir uns gegen Nachmittag wieder auf den Heimweg, gaben unsere Ausrüstung ab und zogen die nasse Kleidung aus. Einige der Freiwilligen wollten die Nacht über in Kronstadt bleiben, andere, inklusive mir, fuhren mit dem Zug zurück nach Hermannstadt beziehungsweise Fogarasch.

Das Revier der Bahnpolizei des Kreises Hermannstadt (Birou județean Poliție Transporturi) befindet sich im Bahnhofsgebäude an dem Ausgang aus der Unterführung. Wie Hauptkommissar Lucian Ilie der Hermannstädter Zeitung telefonisch erklärte, ist diese Dienststelle der Kronstädter Bahnpolizei unterstellt.                                                       Foto: Cynthia PINTER

Nach der dreistündigen Zugfahrt (mit einigen Nickerchen) kamen wir gegen 23 Uhr in Hermannstadt an. Wir alle waren hundemüde und freuten uns auf die heiße Dusche, die auf uns wartete. Gedankenverloren verließ ich den Zug – und ließ meinen kleinen Koffer auf der Gepäckablage liegen. Ich drehte um, stieg zurück in den Zug, doch der Koffer war weg. Mit einem Zugbegleiter sah ich mich noch einmal im ganzen Zug um, doch von meinem Koffer war noch immer keine Spur. Jemand muss den Koffer geklaut haben, dachte ich genervt und ehrlicherweise auch ziemlich frustriert. Beim Verlassen des Bahnhofs liefen wir an der Polizeistation im Bahnhof vorbei – ich entschloss mich, den vermeintlichen Diebstahl des Koffers zu melden.

Die beiden diensthabenden Polizeibeamten, Bogdan Toloargă und Laurențiu Sebastian Ion, waren sehr hilfsbereit und schauten sich gemeinsam mit mir die Aufnahmen der Videoüberwachung am Bahnsteig an. Die anderen Freiwilligen warteten auf mich. Tatsächlich konnten wir nach einigen Minuten einen Mann entdecken, der einen schwarzen Koffer, der sehr nach meinem aussah, davontrug. Allerdings verschwand er über die Bahngleise in einen Bereich, der nicht mehr von Kameras überwacht wurde. Die Polizisten versicherten, dass sie sich um die Angelegenheit kümmern würden. Ich gab ihnen meine Kontaktdaten und stapfte durch den Schnee zu meiner Unterkunft.

Ich hatte gerade einen Fuß in mein Appartement gesetzt, als mein Handy klingelte. Es war die Polizei. „We found your bag“, sagte der Polizist. Erleichterung. Nicht nur darüber, dass mein Koffer wieder da war, sondern auch darüber, dass sich das Klischee des diebstahlreichen Rumäniens für mich nun doch nicht bestätigt hatte. Während meines Praktikums bei der Hermannstädter Zeitung hatte ich bisher nämlich nur positive Erfahrungen mit Land und Leuten gemacht – sehr wohl sind mir aber die negativen Klischees bekannt, die über Rumänien existieren. Ich drehte wieder um und ging zurück zum Bahnhof. Die beiden Polizisten erklärten mir, dass ein Mann, der bei der Bahn arbeitet und privat mit dem Zug unterwegs war, den Koffer gesehen hatte und ihn zum Fundbüro bringen wollte. Wir mussten uns um wenige Sekunden verpasst haben. Er hatte den Koffer aus guter Intention mitgenommen.

Nachdem ich gecheckt hatte, ob der Inhalt des Koffers noch vollständig war (es befanden sich zum Glück eh keine Wertgegenstände darin), fuhren die Polizisten mich nach Hause. Im Gespräch erzählten Bogdan Toloargă und Laurențiu Ion mir, dass es die rumänische Polizei oft nicht leicht habe. Den Beamten eile ein schlechter Ruf voraus. Viele Bürger hielten die Polizisten für korrupt und nur wenig engagiert. Das alles seien Probleme, die vor allem in der Vergangenheit lägen, auch wenn es sicherlich noch heute schwarze Schafe gebe, erklärten sie. Die beiden jungen Männer erzählten mir von Angriffen auf Polizisten und einem generellen Unmut ihnen gegenüber. Ihre Aufgaben erstreckten sich über alle Bereiche der Polizeiarbeit – also auch dem Suchen verloren gegangener Koffer deutscher Praktikantinnen. Sie fragten mich, was mich nach Rumänien treibt und ich erklärte, dass ich derzeit ein Praktikum bei der Hermannstädter Zeitung mache. Über einen netten Bericht würden sie sich freuen, sagten sie. Gesagt, getan.

Hannah WEIDEN

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Allgemein.