Schulbucharbeit: Rückblick auf das letzte halbe Jahr
Ausgabe Nr. 2803
Hand auf’s Herz: Wer würde nicht gerne so ein Tauschangebot annehmen? Wenn wir statt mit dem Montagmorgen, der die Woche eröffnet und uns zu früher Stunde nur die Spitze des Eisbergs offenbart, zu dessen Untiefen wir uns dann bis zum Freitagnachmittag durchzuarbeiten haben, gleich mit dem Freitagnachmittag ins Wochenende starten könnten – das hätte doch was!
O ja, aber nicht für Menschen, die an Schulbuchprojekten arbeiten. Für die erscheint am Freitagnachmittag ein neuer Eisberg, dessen Untiefen wochenendfüllend sind. Und die einem zudem auch noch in der Woche die Abende fressen und die für die Familie aufgesparte Freizeit und den einen oder anderen Feiertag.
Schulbücher zu „machen“, also an der Erarbeitung eines Schulbuchs mitzuwirken, oder ein oft viel zu kompliziertes rumänischsprachiges Schulbuch in verständliches und fachspezifisch korrektes Deutsch zu übertragen, oder auch fertig „gemachte“ Schulbücher auf Schreib- und Ausdrucksfehler, aber auch auf Konformität mit dem Lehrplan oder dem rumänischen Schulbuch zu überprüfen, ist ein Knochenjob und angesichts des zeitlichen Drucks und der wenig aussichtsreichen Bezahlung ein zusätzlicher Stressfaktor.
Umso mehr gilt es, die Ergebnisse dieser Arbeit und die Menschen, die dahinterstehen, entsprechend zu würdigen. Gut die Hälfte des Schuljahres 2022–2023 liegt schon hinter uns – Zeit, einen Blick zurückzuwerfen. Wir haben das Schuljahr mit drei neuen Deutschbüchern (2., 6. und 7. Klasse) und einem neuen Musikbuch (4. Klasse) begonnen. Viele fleißige Deutschlehrerinnen in Temeswar und ein gemischtes Autorinnenteam (Mühlbach – Mediasch) gaben den Deutschbüchern für die 7. bzw. 6. Klasse nach dem sehr guten Ergebnis der Überprüfung in einem ständigen Hin und Her mit dem Verlag den letzten Schliff, damit sie rechtzeitig vor dem Schulstart gedruckt werden konnten. Das Deutschbuch für die 2. Klasse wurde in Hermannstadt in infernalischem Tempo überarbeitet (wie gut, dass man da schon auf bestimmte Vorarbeiten zurückgreifen konnte). Und an dem Musikbuch waren MusikerInnen und Musiklehrerinnen aus ganz Siebenbürgen beteiligt. Nun haben wir sie, endlich, diese Bücher, zumindest für die nächsten vier Jahre (das ist hierzulande das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ für Schulbücher). Manche sagen: „Schön, dass wir jetzt diese Bücher haben. Und wann kommen die, die uns noch fehlen?“ (Antwort: Sie sind in Arbeit.) Andere sagen: „Schön, dass wir diese Bücher jetzt haben. Danke!“ Und bei diesem „Danke“ möchte ich verweilen. Danke für die unzähligen Stunden der Arbeit, der Recherche, der Materialsammlung, des Aufgabenerfindens, des Austauschs, der Fragen und des Zweifelns, der Entscheidungen, der Korrekturen, die dazu geführt haben, dass unsere deutschsprachigen Schulen mit gutem neuem Lehrmaterial ausgestattet werden konnten. Die AutorInnenteams freuen sich übrigens über konstruktive Rückmeldungen (nicht nur zu den genannten Büchern, sondern auch zur Fibel, zu Deutsch 5 und den Musikbüchern 2–3), da für die Fibel eine Überarbeitung gerade im Gange ist und die anderen Bücher nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums vermutlich mit allfälligen Korrekturen neu herausgegeben werden können.
Dank gebührt auch all jenen, die an der Übersetzung der Schulbücher für die 5. Klasse mitgewirkt haben (alle Bücher sind übersetzt worden, die letzten drei sind gerade noch in Arbeit). Auch da wird studiert und recherchiert und diskutiert, wird im Team ein Konsens gesucht zur Übersetzung einzelner Ausdrücke oder Fachbegriffe oder Rubrikenüberschriften. Wie frei darf die Übersetzung sein? Wie wörtlich muss sie sein? Wie formuliere ich kindgerecht? Schwierige Fragen, mit denen sich ÜbersetzerInnen von Schulbuchtexten befassen und ÜberprüferInnen von Schulbüchern nicht minder. Auch deren unsichtbare und doch so wichtige Arbeit wollen wir dankend bedenken.
Die Schulbucharbeit beschränkt sich aber nicht auf die genannten Kategorien von Mitwirkenden. Um die Arbeit an und mit Schulbüchern zu verbessern, werden Fortbildungen zu relevanten Themen veranstaltet. In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Bukarest bot das Zentrum für Lehrerfortbildung im Oktober 2022 eine Fortbildung zum Thema „Was macht ein gutes Schulbuch aus?“ an. Im Januar dieses Jahres gab es dann die Fortsetzung zu dem nicht nur für die Erarbeitung von Schulbüchern, sondern auch für den Unterricht wichtigen Thema „Übungen und Aufgaben“. Die intensiven Arbeitseinheiten mit Herrn Ernst Endt brachten den zahlreichen TeilnehmerInnen der Online-Fortbildung neue Erkenntnisse über die Art und Logik der Aufgabenstellung im Unterricht und in Schulbüchern. Auch hier darf der Dank nicht ausbleiben für all jene, die solche Fortbildungen vorbereiten und anbieten, oder auch finanzieren.
Ein Stichwort aus der Fortbildung, das bei mir hängengeblieben ist, ist Rückwärtsplanen. Was möchte ich, dass ein Kind später in seinem Leben kann? Welche Kenntnisse und Fertigkeiten sollte es haben, um im Alltag zu bestehen? Mit diesem Ziel vor Augen sollte ich dann für den Unterricht oder für das Lehrbuch entsprechende Aufgaben formulieren.
Wenn ich das Rückwärtsplanen auf die Schulbucharbeit als Ganzes übertrage, müsste ich fragen: Wie möchte ich, dass unser deutschsprachiger Unterricht in Rumänien in zehn Jahren (vielleicht auch nur in fünf Jahren) aussieht?
Meine Antwort: Ich möchte, dass er bestehen bleibt, dass das Niveau erhalten wird. Deshalb ist neben vielen anderen Tätigkeiten im Schulbereich auch die Arbeit an Lehrbüchern wichtig. Und das schon jetzt!
Wenn das auch Ihre Antwort ist, freue ich mich über neue Kräfte in der Schulbuchwerkstatt. Am Montagmorgen, am Freitagnachmittag und an allen Tagen dazwischen.
Renate KLEIN
Schulbuchbeauftragte des DFDR
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