Eindrücke zu zwei überaus populären Kunstausstellungen in Wien
Ausgabe Nr. 2806
Modernste Technik verleiht Kunst eine neue Dimension. So bei dem Rundum-Kunsterlebnis „Monets Garten“, das noch bis zum 5. März d. J. in Wien zu bewundern ist. Hatten Sie bereits die Möglichkeit, einen Immersive Room zu besuchen? Glücklicherweise ich schon, denn ich durfte in eine Genussreise einer weltberühmten Kaffeefirma eintauchen – what else? Bei diesem Fünf-Sinne-Event wird der Besucher in einem Raum, der mit neuester Technologie und LED-Wänden, Lichtinstallationen und Projektionen ausgestattet ist, in eine multisensorische Welt entführt – Interaktionsmöglichkeiten inklusive. Als Pädagogin hätte ich mir diese allumfassende Technologie für meine Schülerinnen und Schüler gewünscht, aber wer weiß, vielleicht sieht über kurz oder lang so das Klassenzimmer der Zukunft aus.
Die Besucher haben die einmalige Chance in eine interaktive Multimedia-Erlebnisreise einzutauchen, wobei Leben und Schaffen von Claude Monet (1840 -1926), des wohl berühmtesten Vertreters des Impressionismus im Fokus stehen. Dieses einzigartige Ausstellungskonzept erzeugt in Verbindung mit Musik und Düften rauschende Farbenwelten und verwandelt für den Betrachter Illusion in Realität. Selbst das Wasser scheint lebendig zu werden!
„Monets Garten“ bietet drei fließend ineinander übergehende Erlebnisbereiche, die Details zur Person und zur Arbeit des Künstlers preisgeben. Den Anfang macht das Atelier Monets, wobei nicht nur die Sichtweise auf seine Werke erweitert wird, sondern Themen wie Licht und Schatten, Wind und Wasser als Reflexionsschwerpunkte neu definiert werden. Dem „poetischen Gesamtkonzept“ kann man sich nicht entziehen.
Man schwebt förmlich vom Atelier in den Garten, inspiriert von der weltberühmten Gartenlandschaft Monets in Giverny. Danach wandelt der Besucher über die „japanische Brücke“, sieht den Seerosen zu, wie sie im Licht tanzen und schlendert vorbei an Monets Haus. Die folgende großflächige Wandprojektion kann vom Besucher selbst interaktiv bespielt werden – ein fesselndes Abenteuer, dem sich weder das quirlige Kindergartenkind noch die staunende Großmutter entziehen kann. Spontan fallen mir die Worte des Schriftstellers Vladimir Nabokov ein, der da meinte, dass „künstlerisches Entzücken zwischen den Schulterblättern wahrgenommen wird.“ Und, „der kleine Schauer, der uns über den Rücken läuft, ist gewiss die höchste Form innerer Bewegung.“
Das absolute Highlight der Ausstellung ist der große immersive Showroom, der den Besucher schon beim Betreten voll in seinen Bann zieht. Unkonventionelle Sitzgelegenheiten laden zum Relaxen ein und man vergisst augenblicklich das eigene Sein. Spontan und voll Neugier wird man mit der Illusion eins und findet sich wie verzaubert mitten im Leben des großen Künstlers wieder. Hautnah „erlebt“ man das Genie und seine weltberühmten Bilder – von ,,Das Kap von La Héve bei Ebbe“ über ,,Die Dame im grünen Kleid“ bis hin zum ,,Atelierboot“.
Monet sagte: „Vielleicht verdanke ich es den Blumen, dass ich Maler geworden bin.“ So erklären sich Monets Seerosenbilder, die als Höhepunkt seines Schaffens gelten. Als Folge für den Betrachter wird der gesamte Raum zu einem riesigen Seerosenteich, endlos und doch ein Ganzes. Man scheint in Licht und Ton zu versinken, ist aber gleichzeitig ein Teil des Gemäldes und das Kunstwerk interagiert förmlich mit dem Zuschauer.
„Monets Garten“ ist ein grandioses Beispiel für „Kunst trifft Technik“, bei dem auch der beharrliche Museumsgeher voll Hingabe in eine multimediale Illusion aus Bild und Ton eintaucht und diese als absolut empfindet.
Im krassen Gegensatz zu der oben beschriebenen Ausstellung – doch nicht minder spannend – steht die Kunst von Sigrid (Kiki) Kogelnik (1935–1997). Sie ist eine der bedeutendsten in Österreich geborenen Künstlerinnen des vorigen Jahrhunderts. Ihre Werke umfassen Grafik, Installation, Malerei und Skulptur. Sie studierte ab 1955 Malerei bei Professor Gütersloh an der Wiener Akademie der Bildenden Künste, wo sie u. a. mit Friedensreich Hundertwasser und Arnulf Rainer Kontakt hatte. Nach ihrem abgeschlossenen Studium ging Kogelnik auf Reisen – Dublin, Rom, Paris und London sind ihre wichtigsten Stationen. Ihre Arbeiten sind durch abstrakte Malweise gekennzeichnet.
Bereits Anfang der 1960er Jahre wird Europa für Kiki künstlerisch zu eng und sie nimmt eine Einladung ihres Künstlerfreundes Sam Francis nach New York an. Sie teilt sich mit ihm ein großes Atelier am Broadway und lernt u. a. Roy Liechtenstein, Claes Oldenburg und Andy Warhol kennen. Die sich damals formierende Pop Art-Bewegung hat großen Einfluss auf Kogelniks Werke, die schwerpunktmäßig zurzeit im Wiener Kunstforum gezeigt werden. Sie begeistert sich für bunte und schrille Farben und eher untypische Materialien, die ihre Gemälde verändern: Die Materialien wachsen förmlich aus ihnen heraus, in den Raum. „Hangings“ sind die Folge. Es handelt sich dabei um ausgeschnittene Figuren, die als Objekt ihren Platz finden.
Die Themenstellungen ihrer Werke sind bis heute höchst aktuell. Sie setzt sich mit der Vergänglichkeit, dem Frauenbild, mit Sexualität, aber auch mit dem Tod auseinander. In einer Reihe von Tuschezeichnungen widmet sich die Künstlerin politischen und medizinischen Obliegenheiten.
Kiki Kogelnik gilt bis heute als die einzige österreichische Protagonistin der Pop Art, doch ihre Kunst geht weit darüber hinaus. Aus heutiger Sicht würde sich ihre Kunst als mannigfachstes Beispiel für die frühe Kunst der Postmoderne etablieren.
Dem Wiener Kunstforum ist es gelungen, mit großzügiger Unterstützung der Kiki Kogelnik Foundation und in Zusammenarbeit mit dem dänischen Kunstmuseum Brandts in Odense sowie dem Kunsthaus Zürich eine erstrangige Schau in Wien zu präsentieren, die man auf alle Fälle gesehen haben muss. Die Faszination, die von Kikis Werken auf den Betrachter ausgeht, ist ebenso eindringlich und – auch ohne Technik eines Immersive Room– fühlbar. Den kleinen Schauer, der mir über den Rücken lief habe ich voll Wohlbehagen zur Kenntnis genommen.
Ingrid WEISS
„Monets Garten“ – ein immersives Ausstellungserlebnis. Marx-Halle, 20. Oktober 2022- 5. März 2023
„Kiki Kogelnik – Now Is the Time“. Bank Austria Kunstforum Wien, 2. Februar-25. Juni 2023