Worschtkoschtprob als Auftakt für Temeswar Europäische Kulturhauptstadt 2023
Ausgabe Nr. 2806
Das Programm „Temeswar – Europäische Kulturhauptstadt 2023” wurde am Wochenende mit rund 130 Events eröffnet und verspricht ein volles und interessantes Jahr. Während am Mittwoch davor im Stadtzentrum noch hastig asphaltiert wurde und auf die Grünflächen junge Sträucher gepflanzt wurden, fand im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus (AMG-Haus) eines der wichtigsten Events der deutschen Minderheit im Banat statt: die Worschtkoschtprob der Banater Zeitung.
Rund 350 geladene Gäste freuten sich am 15. Februar über den tollen Start in das Kulturhauptstadtjahr, mit Musik, Tanz, Essen, Schnaps und natürlich hausgemachter Wurst, um die es jedes Jahr bei der Worschtkoschtprob geht. Das berühmte Testessen der Banater Zeitung (BZ) fand diesmal eben wegen des Kulturhauptstadtjahres in Temeswar statt, denn in den letzten Jahren wurde es in den Banater Dörfern organisiert, um diese immer mal wieder ins Rampenlicht zu bringen, wie der BZ-Redaktionsleiter Siegfried Thiel erklärte.
Bereits eine gute Stunde vor Beginn der Feierlichkeiten – die Gäste wurden um die Mittagszeit eingeladen – fanden sich die ersten Gäste ein, um zuerst die voll beladenen Tische im AMG-Haus zu bestaunen und mit den Augen die beste Wurstsorte zu suchen. Auf einem Tisch in der Mitte waren 24 prall mit Wurstscheiben gefüllte Teller zu sehen, durchnummeriert, so dass man am Ende die Entscheidung der fünfköpfigen Jury loben oder kritisieren konnte. Vorne vor der Bühne begutachtete die Jury die gleichen 24 Wurstsorten, die auf einem langen Tisch schön säuberlich in Tellern präsentiert wurden.
Rund um den Haupttisch herum lockten aber weitere voll beladenen Tische, wo die „Gesellen” der Wurst aufgestellt wurden: kalte Platten, eingelegte Gurken, Rogen-, Boeuf- und Kartoffelsalat, Brot und ganze Strizelberge. Dazu gab es Saft, Wasser und natürlich Wein und Schnaps, damit man das Fett traditionsgerecht herunterspülen kann.
Bevor es um die Wurst ging, wurden die Gäste begrüßt, in Begleitung der „Banater Musikanten”, die dann auch während der Verköstigung spielten. Begrüßt wurden die Gäste von Regina Lochner, die Deutsche Konsulin in Temeswar, Thomas Şindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für interethnische Beziehungen, Nina May, ADZ-Chefredakteurin und natürlich von den Gastgebern, Siegfried Thiel, BZ-Redaktionsleiter und Ştefana Ciortea-Neamţiu, BZ-Redakteurin.
„Ich freue mich, diesem Ruf gefolgt zu sein”, erklärte Thomas Şindilariu. „Was gibt es Interethnischeres, was gibt es Kulturelleres als eine Wurstkostprobe?”, fragte er, denn „es wird gemetzgert, es wird Wurst hergestellt, es sind nicht nur die Deutschen, es sind nicht nur die Rumänen, es sind nicht nur die Ungarn, die diese Wurst pflegen. Man begegnet sich bei so einer Gelegenheit, man kennt seine Nachbarn, was gibt es Wichtigeres und Besseres und Europäischeres?”
Mitmachen kann bei der Worschtkoschtprob jeder, der einen „Zipfel hausgemachte Wurst” mitbringt. Dieser „Zipfel” brachte Timotei Ţintoi zum zwölften Mal den ersten Preis. Platz zwei und drei ging an zwei Gemeinschaften, die zusammen die Wurst gemacht haben: die „Gefährten der Wurst“ und der „Banater Kranz“. Den Sonderpreis vergaben die Jurymitglieder an Harald Groo.
Dieses Jahr war die Anzahl der Konkurrenten kleiner als im Vorjahr, „doch ich sehe da eigentlich keinen Einbruch”, erklärte Siegfried Thiel, der die Koordination des Organisationsteams übernommen hat. „Wir hatten Jahre, wo nur 15 Teilnehmer dabei waren, aber auch Jahre mit 50 Teilnehmern. Das hängt auch vom Moment ab, in dem man diese Veranstaltung organisiert, ob die Leute noch genügend Wurst zu Hause haben, um teilzunehmen. Es hängt auch vom Ort ab, im dem es stattfindet, wenn da Schweine gezüchtet werden und auch die Anreise der Leute ist nicht immer einfach.” Der BZ-Redaktionsleiter ist auch sicher, dass auch weiterhin Interesse besteht und dass dieses Event noch viele Jahre stattfinden wird. Dabei ist es auch wichtig, dass weiterhin Unterstützer und Sponsoren sich melden, die ein Kilo Käse oder eine Flasche Schnaps spenden: „Man unterstützt ja nicht etwas, was man nicht mag”. Die Wurst bleibt zwar „das A und O des Festes”, doch dazu wird mit Essen, Tanz und Musik ein „netter und notwendiger Rahmen gestaltet”.
Wichtig für die Organisatoren waren auch die viele Helfer, die „gefühlte 100 Kilogramm Wurst geschnitten haben”, so Thiel. „Eigentlich waren es um die 70 Kilogramm”.
Unter den Helfern und auch Teilnehmern war Annette Unterweger, die mit dem „Banater Kranz” den 3. Preis erhalten hat, aber auch viele Kilo Wurst in kleine Scheiben geschnitten hat. Dadurch hatte sie die Chance, alle Würste zu kosten: „Bei der Wurstherstellung ist es eine Geschmackssache, ich mag eigentlich die milden Sorten. Ich fand einige Würste im Wettbewerb eigentlich fast besser als unsere Wurst”, lacht sie, „aber es waren sicher viele sehr gute dabei”.
Die Jury hatte dann die Qual der Wahl, die beste Wurst zu finden. Siminela Stăncioi erklärte, dass bei der perfekten Wurst „Geschmack, Aussehen, Geruch und Konsistenz” übereinstimmen müssen. Sie selber mag eher die pikanten Würste, und der Gewinner ist sehr nahe an der „perfekten Wurst”. Franz Wissenz war dieses Jahr in der Jury, wobei er schon mal als Konkurrent teilgenommen hat. Einfach war die Wahl der perfekten Wurst nicht: „Erst bin ich durch die Reihe gegangen und habe die Proben optisch rausgepickt und erst dann habe ich probiert. Gute Wurst soll Salz, Pfeffer, Paprika und gutes Fleisch haben, in den richtigen Mengen. Der Gewinner war auch im Abgang angenehm pikant. Aber es muss mit Liebe gemacht werden. Ich glaube kaum, dass man zu Hause eine Wurst macht, die nicht schmeckt, weil man das gerne macht.”
Mit Liebe ihre Wurst zubereitet hat auch Frau Nina, die sehr zurückhaltend beobachtet hat, wie die Leute ihren Teller unter den ersten leergegessen haben. Zwar hat sie nicht gewonnen, aber das war ein Zeichen, dass ihre Wurst mit der Nummer 13 im Wettbewerb viele Fans hatte. „Ich habe ein Rezept meiner Mutter benutzt und bin gekommen, weil meine Kolleginnen vom Job darauf bestanden haben. Meine Wurst ist eher mild, weil ich sie für die Familie mache. Wir machen auch alles noch zu Hause, auch wenn wir in der Stadt leben.” Während sie erzählt, holt sie aus der Tasche eine Serviette mit einer kleinen Scheibe Wurst „Nummer 17”, die sie ihrem Mann mitbringen will, da diese ihr am besten geschmeckt hat. Wie viele der Gäste findet auch sie, dass die Worschtkoschtprob ein guter Auftakt zum Kulturhauptstadtjahr ist: „Die Temeswarer müssten die Chance ergreifen, Außergewöhnliches zu erleben, wie die Brauner- und Brâncuşi-Ausstellungen.”
Das Kulturhauptstadtjahr hat den Organisatoren keine zusätzlichen Probleme gebracht, dafür die stark angehobenen Preise. Siegfried Thiel: „Wir haben aber entsprechend geplant, wir haben vermutet, dass eine Preisexplosion kommen wird und zum Glück haben auch die Förderer vom Banater Forum und vom Departement für interethnische Beziehungen die deutlich höheren Summen genehmigt”.
Über die Worschkoschtprob und das Kulturhauptstadtjahr freut sich auch Konsulin Regina Lochner: „Dass ich in meiner Amtszeit das Kulturhauptstadtjahr erleben kann, ist ein unverdientes Glück, wenn kein Sechser im Lotto ein Fünfer auf jeden Fall. Was aber auch viel Arbeit bedeutet.” Das Deutsche Konsulat in Temeswar ist auch in mehrere Projekte des Kulturhauptstadtjahres impliziert: „Wir haben Veranstaltungen, die von der ofiziellen deutschen Seite gefördert werden, u. a. die Aufführung der ,,Gurre-Lieder“ von Arnold Schönberg im September, das wird eine große Sache. Wir haben uns auch eine Halbfunktion herangezogen, ein bisschen Koordinator zu spielen bei verschiedenen deutschen Events, wie Heimattag und Blasmusikfestival und möchten dafür sorgen, dass alles ordentlich abläuft, richtig deutsch also.”
Auf das Kulturhauptstadtjahr freut sich auch Siegfried Thiel, denn bis zur Worschtkoschtprob 2024 – die übrigens in Lowrin stattfindet (und 2025 in Nitzkydorf) – hat er ein volles Programm und freut sich auf eine lebhafte und interessante Zeit.
„Ich gehe es erstmals positiv an. Wir haben gerade mal die Eröffnung hinter uns, es gibt sehr viele Meinungen und Diskussionen, von toll bis zu schwach und schlecht haben wir alles gehört. Ich freue mich aber, dass wir eine tolle Zeitung machen können. Ich freue mich auf die vielen Gäste, die die sich angemeldet haben, die die deutsche Gemeinschaft und Temeswar besuchen. Im Endeffekt ist dieses Jahr eine wunderbare Werbung.” Wichtig ist, dass im Programm auch Events der deutschen Minderheit untergebracht sind: „Auch die deutsche Gemeinschaft hat sehr vieles auf dem Zettel: Die Heimattage der Banater Schwaben vom 2 bis 4. Juni, 30 Jahre Banater Zeitung im neuen Format. Es gibt bestimmt noch viele Kirchweihfeste, in Bakowa will man zum Beispiel 3-4 Tage einmal richtig feiern, das wird sehr schön sein. In diesem Jahr wird auch ein Oktoberfest des Wirtschaftsclubs stattfinden, es ist also viel los.”
Die Banater Zeitung wird dieses Jahr sicherlich sehr reichhaltig sein, hier sind auch die Empfehlungen der Redakteure zu finden: „Ich kann empfehlen, unseren Veranstaltungskalender in der Banater Zeitung zu verfolgen, denn man hat dieses Jahr ein ganz volles Jahr. Ich wurde privat gefragt, ob wir in diesem Jahr überhaupt zu Hause sind… wahrscheinlich nicht.”
Temeswar ist sicherlich auch ohne Kulturhauptstadtjahr sehenswert, dieses Jahr aber nicht zu verpassen. Ein Vergleich zwischen Hermannstadt und Temeswar als Kulturhaptstadtstädte ist auch nicht zu machen, vor allem wenn man bedenkt, dass 16 Jahre zwischen den zwei Events liegen. Schön wäre es, dass auch weitere rumänische Städte sich um diesen Titel bemühen, damit nicht weitere knapp zwei Jahrzehnte vergehen, bis Rumänien auch für positive Überraschungen sorgt. Vom Angebot der Events her ist sicherlich nichts zu bemängeln, auch wenn die Übersichtlichkeit des Programms kein Pluspunkt der Organisation ist. Weniger toll ist die Tatsache, dass die Autofahrer bereits am ersten Wochenende auf touristische Unsicherheiten genervt reagieren… auf sie kommt noch was zu.
Das erste Wochenende hat aber auch bewiesen, dass auch viele In- und Ausländer sich auf dieses Jahr sehr freuen und die Eröffnungsshow hat sicher die meisten Besucher überzeugt – der große Platz war fast zu klein – und viele verprachen, wieder zu kommen.
Unter https://timisoara2023.eu ist das Kulturhauptstadtprogramm zu finden, die Seite wird auch kontinuierlich aktualisiert. Und einen guten Kaffee kann man hier mit oder ohne Programm im größtenteils frisch renovierten Zentrum genießen, genauso wie einen abendlichen Spaziergang durch die schön beleuchtete Fußgängerzone. Und noch etwas: Aus Hermannstadt kann man fast ausschließlich auf der Autobahn nach Temeswar fahren, da ist sogar ein Tagesausflug möglich.
Ruxandra STĂNESCU