,,Von Mensch zu Mensch“: Neues Buch des Hermannstädter Theologen Hans Klein
Ausgabe Nr. 2800
Der den meisten Lesern wohlbekannte emeritierte Theologie-Professor, ehemaliger Stadtpfarrer und Stadtrat Dr. Hans Klein, der auch langjähriger Vorsitzender des Hermannstädter Deutschen Forums war, hat zusätzlich zu seinen bisherigen Veröffentlichungen vor Kurzem im hiesigen Honterusverlag ein sehr ansprechendes Büchlein mit Sinnsprüchen herausgegeben. Es ist eine Sammlung unabhängiger Sentenzen, die unter ungefähr vierzig Überschriften oder Stichworten in Gruppen zusammengestellt sind. Die Sprüche sind ein Ergebnis intensiven Nachdenkens über das Dasein. Es geht darin um gedankenvolle Betrachtungen, um praktische Erfahrungen, die zu einem geregelten Leben führen. Das Büchlein ist mit sehr gelungenen, wirkungsvollen farbigen Bildern und Naturaufnahmen ausgestattet, die das Auge erfreuen und zum Nachdenken und Meditieren einladen.
Es werden vom Autor Feststellungen gemacht, die zum Mitteilen drängen, zum Mitdenken anregen und (indirekt) zu Ermahnungen werden und dem Leser Lebenshilfe leisten. Die eigenen Sinndeutungen und Erfahrungen werden an den hörbereiten Leser weitergegeben und gleichsam ausgewertet. Sie machen deutlich, dass es eine dem Menschen und der Welt umgreifende Ordnung der Dinge gibt, in die das Leben verankert ist. In einem Spruch heißt es: „Es gibt nichts auf dieser Welt, was an sich und in jedem Fall gut ist. Ausnahme ist die Liebe. Wahre Liebe ist nicht von dieser Welt“ (S. 5) Jedoch herrscht im ganzen Dasein eine alles umfassende Ordnung, die es zu erkennen gilt und die der Verfasser seinen Lesern erschließen will und erfahrbar macht. So lautet der Spruch: „Unsere Welterkenntnis ist ein Versuch einer Ahnung. Sie wird begründet von Voraussetzungen, die von der Umwelt und der Geschichte abhängig sind.“ (S. 16). Dabei tragen die Sprüche nicht ein abgerundetes Ganzes oder eine ausgebildete Lehre bzw. ein philosophisches System vor. Es sind vielmehr Gedankensplitter, die bestimmte Einsichten und hilfreiche Erkenntnisse vermitteln. Es sind Denksprüche, die zu rechtem Erkennen und Bewerten führen, zugleich aber auch Mahnsprüche, die zu rechtem Handeln, zu verantwortlicher Lebensführung anleiten. Die darin vermittelte Einsicht macht dazu fähig, all das, was auf uns zukommt, anzunehmen. So lautet ein Spruch: „Wenn Not über uns kommt, sind wir immer unvorbereitet; bewältigt werden kann sie nur aufgrund dessen, was bis dahin das Leben trug. Bewältigte Not wird zur Kraftquelle“ (S.39) Diese Einsicht führt zu innerer Reife und äußert sich in einem immer neuen Fragen nach den Tiefen der Lebenszusammenhänge, nach dem Innersten, das letztlich ein Geheimnis bleibt, das nur dem Nachdenkenden erschlossen wird. Diese Erkenntnis will nicht bei sich bleiben, sie strebt nach Mitteilung, nach Weitergabe, sie drängt auf Ermahnung und erzieherisches Einwirken auf andere. Von den durch Erfahrung gewonnenen Erkenntnissen her werden Lebensfragen erörtert: „Zwischen Sein, Sein-Wollen und Sein-Sollen besteht ein erheblicher Unterschied. Es ist gut, wenn diese drei sich im Laufe des Lebens annähern“. (S.3)
Jeder Spruch weist auf Lebenserfahrungen hin, wobei der Facettenreichtum des Lebens deutlich wird. Jeder Tag, jede Zeit führt zu eigenen Erkenntnissen, zu neuen Einsichten, zu weiterer Reife. Wer aber Einsicht besitzt, der hat die Möglichkeit, richtige Entscheidungen zu treffen und recht zu handeln. So werden die in den Sprüchen enthaltenen Weisheiten für den, der sie versteht und annimmt, zu einer Lebenshilfe. Die Wahrnehmung der geordneten Umwelt führt in den Sprüchen gewissermaßen zu einer praktischen Lebenskunde. Und in dieser gilt: Menschen helfen Menschen. Es gehört zur Würde des Menschen, dass er für andere offen ist, dass er von den äußeren Dingen Abstand nehmen kann und sich seinem Nächsten oder Partner zuwendet. Diese Zuwendung geschieht von Mensch zu Mensch, sie begründet wahre Mitmenschlichkeit und gelebte Humanität. Darin ist eine Ethik der Zuwendung und der Hilfsbereitschaft eingeschlossen. So heißt es in einem Spruch: „Es ist besser, sich darauf zu konzentrieren, das Gute zu tun, als Fehler zu vermeiden. Wo Gutes getan wird, wiegen auch die Fehler nicht schwer.“ (S.45)
Aus einem gegenseitigen Geben und Nehmen erwächst zugleich eine Ethik der Dankbarkeit und des guten Willens. „Nicht das Empfangen von Dank macht uns menschlicher, sondern der Dank an andere“. Die Sprüche rufen zur Überwindung der Selbstbezogenheit und Selbstverkrampfung und weisen den Einzelnen in ein großes „Miteinander“, in die Gemeinschaft, in der das Erfahrene mit den anderen geteilt wird: „Aufbau der Gemeinschaft kann auch durch Einzelhilfe geschehen“ (S.7) Keiner lebt für sich allein. Jeder trägt Verantwortung für die ihn umgebende Gemeinschaft, denn er ist ein Baustein im großen Bau zu dem er gehört. Er lebt nicht nur für sich, er weiß um die Berufung zu einem Dasein für andere. Es gibt eben eine letzte Unausweichlichkeit der Erfahrung und Erkenntnis, deren der Nachdenkende innewird und die er auch anderen mitteilen will, aber auch mitteilen kann. Dabei geht es ganz schlicht um das Tun des Nötigen, um das Tun des Gerechten. Ein Spruch lautet: “In Zeiten der Not hilft es wenig, Schuldige zu suchen. Die Hand dem Nächsten reichen und zusammenstehn, hilft immer“. (.7) Die Sprüche, erwachsen aus einer über achtzigjährigen Lebenserfahrung, rufen den Leser zu eigenem nachdenken über sich selbst, über die Welt und über den Ablauf der Dinge. So heißt es in einem der Sprüche: „In der Gegenwart leben kann nur, wer in der Vergangenheit fest verwurzelt ist und sich gleichzeitig der Zukunft entgegenstreckt.“ (S. 43)
Dieser Rückblick lädt einerseits zum Ansehen der Bilder ein, die den Betrachter in die schöne weite Welt, in ihr Aufblühen und zugleich in ihre Vergänglichkeit führen. Die hier dargestellte Welt ist auch ein Bild unseres Lebens innerhalb der unendlichen Schöpfung in ihrem Werden und Vergehen. In dieser Welt sind wir als Menschen hineingestellt und zu einem sinnerfüllten Leben in Gemeinschaft gerufen. Hier wird von Mensch zu Mensch gesprochen und da kann jeder, der sich genügend Zeit zum Nachdenken und zu innerer Öffnung nimmt, eine geistige Bereicherung und Hilfe erfahren.
Hermann PITTERS