,,Das Handwerk der Vorfahren erleben“

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Besuch der Glasausstellung in der ehemaligen Sommerresidenz Brukenthals in Freck

Ausgabe Nr. 2798

 

Vater und Sohn in der Glasausstellung: Günther Klingeis und Arnold Klingeis.         Foto: Privat

Wer die ehemalige Sommerresidenz Brukenthals in Freck besucht, kann auch die Glasausstellung bewundern, die zu Weihnachten 2020 hier eröffnet wurde, und damit zugleich einen Ausschnitt aus der Geschichte der Stadt miterleben. Die Ausstellung stammt nämlich aus der ehemaligen Glasfabrik, die etwa vor zwei Jahren aufgelöst wurde, wo viele Bewohnergenerationen der Stadt über Jahrezente hinweg tätig waren und deren Geschichte mit den Glasbläser-Familien, die aus der Steiermark nach Siebenbürgen einwanderten, eng verbunden ist. Bewundert werden können über 1.200 Exponate.

Die Glasbläser aus der Steiermark und aus Böhmen, die dann hier Glashütten betrieben, sollen das Glashandwerk vor etwa 180 Jahren nach Siebenbürgen gebracht haben. Der Grund dafür war, dass das Holz dort knapp wurde. Die Glashütten hier gingen dann später in der Glasfabrik  in Freck auf, die wiederum etwa hundert Jahre den Bewohnern der Stadt Beschäftigung  bot. Hier wurde Glasware aller Art für viele Länder der Welt hergestellt.

„Als mein Vater gehört hat, dass alles aufgelöst wird, wollte er, dass wir die Ausstellung unbedingt kaufen“, erzählte Arnold Klingeis. Sein Vater Günther Klingeis und sein Großvater Anton Klingeis hatten nämlich ebenfalls lange Jahre in der Fabrik gearbeitet. Außerdem stammt die Familie Klingeis aus der Steiermark und zwar aus Voitsberg bei Graz. So wurde die Tradition des Glashandwerks von Generation zu Generation weitergegeben. „Leider ist jetzt diese Tradition mit dem Bankrott der Glasfabrik hier in Freck und in der Umgebung verloren gegangen“, sagte Klingeis. „Was noch vorhanden ist, ist die Ausstellung, die hier in der Brukenthalschen Sommerresidenz  Gäste und Besucher begeistert, die womöglich über das Glas aus Freck wissen, sich aber nicht vorstellen konnten, dass so eine breite Variation an Glasprodukten hier hergestellt wurden“.

Ioan Niculae präsentiert einen in der Frecker Glasfabrik hergestellten Weinheber, hinter ihm zu sehen ist ein Schmelzofen aus den 1970er Jahren.                                          Foto: Werner FINK

Einige Familien die aus dem Gebiet des heutigen Österreich stammen und mit der Geschichte der Glasherstellung in Freck eng verbunden sind, heißen Gnad, Höhl, Libisch, Klein, Gogg oder Klingeis. Familien wie Kotzbacher oder Werboschek sollen dagegen aus Böhmen gekommen sein. „Die Nachkommen der Familien die irgendwann mal wieder ihre Heimat besuchen, können in der Ausstellung das Handwerk ihrer Vorfahren sehen, erleben“, sagte Klingeis.  „Es geht um eine kleine Minderheit.“ Insgesamt 27 Familien sollen es gewesen sein, die mit der Glasgeschichte in Freck verbunden sind. Die Glasbläser sollen dabei gut verdient haben, wobei zwei Wochen lang der Ofen angeheizt und zwei Wochen lang das Glas geblasen wurde.

Von 1892 bis 1923 war die Glasfabrik im Besitz der Brüder Fleißig, von 1923 bis 1937 wurde sie als offene Handelsgesellschaft betrieben, 1937 von der Gheorghe Lazar-Genossenschaft gekauft und bis 1940 betrieben. 1940 schließt die Fabrik wegen fehlendem Profit. 1948 wird die Fabrik verstaatlicht und wieder eröffnet. Ab 1994 geht sie wieder in Privatbesitz über und wird im März 2020 aufgelöst.

Am Höhepunkt ihrer Geschichte soll die Glasfabrik bis zu 1.600 Menschen beschäftigt haben. Lange Jahre arbeitete in der Glasfabrik auch Ioan Niculae, der durch die Ausstellung führte und sich zwischen den Ausstellungsgegenständen als der echte Fachmann erwies. ,,Ich habe an tausenden und abertausenden Modellen gearbeitet, von denen sich einige noch hier befinden“, sagte Niculae. Er war zwischen 1965 und 1997 bei der Glasfabrik in Freck tätig und war im Rahmen der Abteilung Öfen Glasmeister. Auch seine Frau und sein Vater hatten hier gearbeitet.

„In meiner Kindheit, und sogar als ich bereits da arbeitete, waren die meisten Mitarbeiter Siebenbürger Sachsen und Deutsche“, erinnerte er sich Niculae an alte Zeiten. „Während der Zeit, wo ich hier tätig war, wurden Glasprodukte hergestellt für den internen Markt, wie  Marmeladegläser, etwa nach 1968-1970 wurde dann mit dem Export begonnen“. Hochwertige Exportware entstand hier natürlich nicht nur während des Kommunismus, sondern auch bereits davor, als hochwertige Glasprodukte für die gesamte k. u. k.-Monarchie produziert wurden.

Die Glashütten kennt er übrigens auch als „Glăjării“. Dann wurde in viele Länder der Welt exportiert, darunter auch nach Österreich oder Italien, Spanien, Japan, Kanada oder USA. Laut Niculae wurden um 1970 landesweit zusätzlich zu den sechs bereits existierenden Fabriken weitere sechs gebaut, um den Export gewährleisten zu können. „Der Schritt von der Produktion für den internen Markt zum Export war riesig“, sagte Niculae. „Persönlich habe ich wenigstens 20 Jahre gebraucht, um den Export-Anforderungen zu entsprechen“. Nach 2000 soll aber der Niedergang begonnen haben. Nach und nach wurden die Glasfabriken geschlossen.

Von einfachen Trinkgläsern bis zu Kristallgläsern und rubinroten Vasen, bemalten Gläsern und Unikaten gibt es da alles zu sehen. Sogar ein kleiner Glasofen ist ausgestellt. 1972 nahm Niculae ,,in seinen jungen Jahren” an der Olympiade des Glasmachers, die von den Glasfabriken aus Rumänien organisiert wurde, teil und gewann den ersten Platz, er bekam einen Geldpreis von 500 Lei und auch eine zusätzliche Kategorie zum Gehalt. Einen rubinroten Pokal, auf dem Platz zwei eingraviert ist und der im Rahmen eines solchen Ereignisses vergeben wurde, nahm er vom Regal und zeigte ihn und erklärte die verschiedenen Techniken, wie so ein Schmuckstück  in der Fabrik hergestellt und verziert wurde.

Alles in allem: wer nach Freck fährt, der sollte sich auch die Glasausstellung einmal ansehen und damit ein Stück Geschichte der Stadt miterleben.

Werner FINK

 

Die Öffnungszeiten der Glasausstellung: April – Oktober 10 – 18 Uhr; November – März: Am Wochenende: 10 – 17 Uhr; an Feiertagen und in Schulferien: 10 – 17 Uhr.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.