Filmabend ,,Frauenpower in Siebenbürgen“ im Bundesplatzkino in Berlin
Ausgabe Nr. 2796
Seit 2018 widmet sich die Fernsehjournalistin und Filmemacherin Christel Ungar-Țopescu starken, pflichtbewussten Frauen, die ihr Leben und ihren Job meistern, sich für die Gemeinschaft engagieren und visionäre Projekte mit Tatkraft und Leidenschaft umsetzen. Aus der Reihe ,,Frauenpower“ wurden am 29. Oktober im Bundesplatz-Kino in Berlin drei Filme gezeigt: Ortrun Rhein (2018), Caroline Fernolend (2019) und Astrid Cora Fodor (2021). Ortrun Rhein ist seit vielen Jahren Leiterin des Dr.-Carl-Wolff-Altenheimes und des gleichnamigen Hospizes für palliative Betreuung in Hermannstadt. Caroline Fernolend gehört seit 17 Jahren dem unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles gegründeten Mihai-Eminescu-Trust (MET) an, dessen Vizepräsidentin sie seit 2005 ist. Astrid Cora Fodor ist seit 2014 Bürgermeisterin von Hermannstadt. Die Moderation der Veranstaltung hatte Dr. Ingeborg Szöllősi, Südosteuropa-Referentin im Deutschen Kulturforum östliches Europa, inne.
Dr. Ingeborg Szöllősi empfängt mit viel Power und Empathie die Kinogäste, begrüßt die Botschafterin der Republik Rumänien in Berlin, I. E. Adriana-Loreta Stănescu, ebenso den ehemaligen Deutschen Botschafter in Bukarest, Andreas von Mettenheim. Christel Ungar-Țopescu, die Filmemacherin und Fernsehjournalistin aus Bukarest wird ebenso mit leidenschaftlichen Gesten empfangen.
Wir werden von Christel Ungar mitgenommen nach Siebenbürgen, werden mit ihr und der Bürgermeisterin Astrid Fodor durch das mittelalterliche Hermannstadt gehen und im Dr.-Carl-Wolff-Altenheim Ortrun Rhein, die Direktorin dieses Heims und der dazugehörigen Hospize treffen und dann geht’s ans „Ende der Welt“ nach Deutsch-Weißkirch zu Caroline Fernolend, der Managerin und Präsidentin des Mihai Eminescu Trusts, dessen Schirmherr der damalige Charles Prince of Wales, der jetzige König Charles III., war.
Nicht nur Power haben diese Frauen allesamt, auch noch richtig fleißig sind sie und geben ihre physische Kraft den anderen, für die sie etwas bewirken können und wollen.
Ortrun Rhein leitet seit 1999 nicht nur das Altenheim, auch die dazugehörigen Hospize für Erwachsene und für Kinder. Der ehemalige Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Dr. Christoph Klein, schlug sie seinerzeit für diese Stelle vor, weil er um ihre soziale Kompetenz und ihr Organisationstalent wusste. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Altenheims schätzen sie, sprechen hingebungs- und liebevoll von „ihrer“ Direktorin, die Tag und Nacht für sie sorgt. Ausgewandert sind die meisten Familienangehörigen dieser Heimbewohner in die westliche Welt. Die Seniorinnen und Senioren brauchen Hilfe. Bei Ortrun Rhein, die 1967 in Rosenau bei Kronstadt, geboren wurde, finden sie ein Zuhause im Alter. Das angeschlossene Kinderhospiz ist eine der erhabensten physischen Herausforderungen und muss kaum erklärt werden! Schwer- bzw. todkranken Kindern den letzten Abschnitt des Lebens noch lebenswert zu gestalten ist kaum menschlich zu fassen. Rund um die Uhr ist liebevolles Kümmern Voraussetzung. Oft lassen Eltern ihre Kinder alleine zurück, weil sie Angst vor der schweren Krankheit haben und nicht damit zurechtkommen.
Theologie hat Ortrun Rhein studiert, was in der Ceaușescuzeit für Frauen kaum möglich war. Auch hierbei setzte sich D. Dr. Klein für Ortrun Rhein ein.
Schon sehen wir Astrid Fodor, die Bürgermeisterin von Hermannstadt mit ihrer Enkelin Ștefania über den Großen Ring laufen. Christel Ungar geht mit uns virtuell hinterher, bis wir am Rathaus, dem Amtssitz von Astrid Fodor, ankommen. Das Rathaus liegt gegenüber des geschichtsträchtigen Brukenthalpalais.
Eingewandert sind im Mittelalter die Menschen aus Luxemburg und dem Moselland in die unwegsame Landschaft in den Karpaten, bauten ihre Dörfer und Kirchen, die zu Kirchenburgen zum Schutz gegen Türken und Mongolen wurden. Siebenbürger Sachsen werden die deutschsprachigen Bewohner genannt. Seit Jahrhunderten wird in Hermannstadt die kulturelle Vielfalt Tag aus Tag ein gelebt. Deutsche, Rumänen, Ungarn, Roma und Juden prägten und prägen das Bild von allen Orten in Siebenbürgen, nicht nur von Hermannstadt. Auch für eine Bürgermeisterin sicherlich eine große Herausforderung.
2007 wird Hermannstadt zusammen mit Luxemburg Kulturhauptstadt in Europa. Damals regiert Klaus Johannis erfolgreich die Stadt, bis der Deutschstämmige zum Präsidenten von Rumänien gewählt wird und seit 2014 in Bukarest lebt.
Astrid Fodor liebt Herausforderungen. Mit Power empfängt sie 2019 die Staats- und Regierungsoberhäupter der EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Stadt. Mit Verve tut sie das. Eine Hochsicherheitszone am Rande der Karpaten wird geschaffen, Journalisten aus der gesamten Welt belagern die Innenstadt. Im Spiegelsaal des Deutschen Forums entstehen Fotos, die um die Welt gehen. Astrid Fodor, Angela Merkel und Klaus Johannis. Sicherlich ist dieser EU-Gipfel mit den interessanten Begegnungen und den hochpolitischen Themen ein Höhepunkt in der Amtszeit der Bürgermeisterin, die von den Hermannstädtern 2020 wiedergewählt wird.
Versprechungen hat sie den Bürgerinnen und Bürgern gegeben, über Neuerungen und Projekte erzählt sie im Film, erklärt warum und weshalb das neue Stadion gebaut werden musste, Ideenreichtum ist ihr Markenzeichen, den sie als Politikerin energisch umsetzt. Durch ihre kultivierte und angenehme Erscheinung ist sie schon von weitem zu erkennen, wenn sie die Stadt durchquert. Das Volksbad von 1904 ist ein regelrechtes Schmuckstück geworden und ist ein Lieblingsprojekt der Stadtmutter und Politikerin.
1953 wird Astrid Graef in Hermannstadt geboren, ein Einzelkind wird sie bleiben und von den Familienmitgliedern wird sie verwöhnt, eher strenger ist die Mutter, die Tochter muss alles gut machen und sie erwartet von ihr Fleiß. So durchläuft Astrid Graef fleißig das berühmte Brukenthalgymnasium und die Universität. Wirtschafts- und Verwaltungsrecht studiert sie in Hermannstadt. 1976 heiratet sie den rumänisch-orthodoxen Priester Ioan Fodor, bekommt zwei Söhne, der Ehemann stirbt 2001. In der staatlichen Fabrik „Libertatea“ wird sie im Außenhandel beschäftigt sein als Juristin, von 2002-2008 ist sie Wirtschaftsdirektorin der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien.
Eine schöne Landschaftsreise durch die kleinen Ortschaften Siebenbürgens unternehmen wir in Gedanken mit Christel Ungar, um zu Caroline Fernolend ans „Ende der Welt“ nach Deutsch-Weißkirch zu kommen. Abgeschieden liegt dieses schmucke Dorf, weiter nördlich von Kronstadt und Reps, hinter den Hügeln. Der imposante Turm der Wehrkirche ist von weitem zu sehen und gleich wird Caroline Fernolend erzählen. Sie ist stolz, Weißkircherin zu sein, ist im Dorf geblieben, hat Walter Fernolend aus dem gleichen Dorf geheiratet und die Tochter Ursula bekommen.
1963 wird Caroline Dootz in Deutsch-Weißkirch geboren, besucht das Gymnasium in Kronstadt, wird später an der Universität im Wirtschaftsbereich studieren. Sie strahlt mit ihrem freundlichen Gesicht beim Erzählen. Weit über eintausend Projekte laufen in vielen Dörfern in der Umgebung. Die jungen Männer erlernen Handwerke, lernen mit einheimischen Materialien zu arbeiten, erhalten und sanieren mit diesem Erlernten ihre Dörfer, ihre Kirchen. Die Dorfstrukturen sollen wiederbelebt werden und erhalten bleiben. Die Frauen stricken, häkeln, backen und vieles mehr. Von ihnen werden die Gäste, die nach Deutsch-Weißkirch kommen, mit einheimischen Speisen bewirtet und können selbstgestrickten Socken und andere schöne Dinge kaufen. Touristen aus aller Welt werden angelockt, genießen die Gastlichkeit, die schön hergerichteten Gästezimmer und die einzigartige Landschaft. Der Parkplatz vor dem Dorf entsteht für die Autos der Besucher.
Diktator Ceaușescu hatte geplant, die sächsischen Dorfer platt zu machen, deren Vergangenheit auszulöschen und gleichzeitig deren Kultur. Betonklötze sollten für die Bewohner erbaut werden. Zum Glück wurde nichts daraus, die Öffnung der Grenzen kam zum richtigen Zeitpunkt, doch dann gingen sehr viele Siebenbürger Sachsen in den Westen. Das Auswandern der Nachbarn beschreibt Caroline Fernolend als die härteste Zeit. Nun bewohnen auch andere Ethnien diese Dörfer und packen mit an. Den ansässigen Familien verschafft sie durch ihre Ideen, ihre Projekte und ihre Zielstrebigkeit Mitarbeit, integriert die Roma-Nachbarn.
Ceaușescus Absichten waren in Großbritannien bekannt. So wurde 1987 der Mihai Eminescu Trust in London gegründet, um diese Pläne zu verhindern. 2000 erfolgte die Stiftungsgründung in Rumänien, um die kulturellen Besonderheiten Siebenbürgens, die Dörfer, die Städte zu erhalten. Die Stiftung unterstützt Caroline Fernolends Ideen. Über diese Stiftung und mit deren Mitarbeitern ist sie nun in der Lage, Pläne zu schmieden und vor allem umzusetzen. Ihr Naturell ist verbunden mit Nächstenliebe. Es macht sie glücklich, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Inzwischen ist sie Präsidentin der Stiftung, die ihren Sitz in Schäßburg hat.
Jeder kennt ihre Mutter, die berühmte Sara Dootz. Sie steht vor ihrem Haus in der Dorfstraße, die Katze springt auf ihre Schulter. Sie plaudert von damals, von der Dorfschule und den sieben Klassen, die sie besucht hat, und wir erfahren, dass ihre vier Kinder studiert haben. So, wie sie es wollte. Auch hören wir von ihr, dass Tochter Caroline den blonden Walter Fernolend aus der Sonnengasse mit dem kurzen Garten geheiratet hat. Burghüterin ist sie viele Jahre, das Heimatmuseum in der Kirche hat sie gemeinsam mit Tochter Caroline eingerichtet. Die Kirchenburg ist eine mittelalterliche Gründung und wird saniert mit finanziellen Mitteln der Mihai Eminescu Stiftung, der Bundesrepublik Deutschland und der US-amerikanischen Botschafter. Der Ort und die Wehrkirche stehen seit 1999 auf der UNESCO-Welterbeliste.
Der damalige Charles Prince of Wales schwärmt von dem Dorf, oft sitzt er bei Sara Dootz am Küchentisch und wird von ihr bewirtet. Zur Einweihung der ersten biologischen Kläranlage Rumäniens ist er gekommen.
Kaum zu beschreiben ist die wunderbare, anheimelnde, gar an Heimat erinnernde Landschaft am „Ende der Welt“.
Über die drei Powerfrauen in den drei Filmen könnte ich weitaus mehr erzählen, es würde kaum ein Ende nehmen. Mit Orden und Ehrenzeichen wurden sie geehrt. Ihre Arbeit, die sie alle drei für die Gemeinschaft tun, wird ohne Zweifel neidlos geschätzt und anerkannt. Ingeborg Szöllőssi und Christel Ungar gebe ich ohne Bedenken zu den Powerfrauen aus Siebenbürgen hinzu. Ihr gesellschaftliches Engagement ist umwerfend, beide stammen ebenfalls aus Siebenbürgen. Abschließend hatte Christel Ungar festgestellt: ,,Manpower ist immer und Frauenpower ist in der deutschen AKZENTE-Sendung auf TVR 1 manchmal“.
Christel WOLLMANN-FIEDLER