Interview mit Prof. Friedrich Philippi / Von Ruxandra STĂNESCU
Ausgabe Nr. 2794

Prof. Friedrich Philippi zeigt das 4. Fotoalbum mit den Kuratoren. Foto: Ruxandra STĂNESCU
Friedrich-Georg Philippi ist einer der bekanntesten Geographielehrer Hermannstadts – auch wenn er sich nach 48 Dienstjahren schon 2013 aus dem Lehramt verabschiedet hat. Bekannt ist er aber auch durch seinen vielfältigen, ehrenamtlichen Einsatz für die deutsche Gemeinschaft landesweit. Zum morgigen 80. Geburtstag wünscht ihm die Redaktion der Hermannstädter Zeitung alles Gute, Gesundheit und Lebensfreude!
Können Sie mir bitte ein paar Angaben zu Ihrem Lebenslauf machen?
Geboren bin ich am 5. November 1942 in Kronstadt, bin also eigentlich Kronstädter. Dort habe ich bis zum Studium gelebt und habe sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit! Ich war zum Beispiel Mitglied im Schulorchester, wo ich Klarinette geblasen habe. Schöne Erinnerungen habe ich an die Orientierungsläufe und die vielen Ausflüge, Schulreisen und Skilager mit meinem Vater, der auch Geographielehrer war. Damals konnte man aus der Schulerau bis vor das Elternhaus im Zentrum auf Skiern fahren. Dann habe ich Geographie und Biologie in Klausenburg studiert, das war auch eine schöne Zeit. – und ich bin ins Lehramt zugeteilt worden nach Hermannstadt. Die Zuteilung ins Lehramt erfolgte damals für alle Geographieabsolventen des Landes in Jassy. Die Stellen für deutsche Schulen waren damals getrennt aufgelistet und das war mein Glück. Sonst hätte ich eine andere Stelle wählen müssen. Zum Beispiel war eine Lehrstelle an der „Școala printre văi” („Die Schule zwischen den Tälern”) in Poiana Mărului frei. Frei war aber auch die Stelle am Pädagogischem Lyzeum in Hermannstadt, kombiniert mit der Brukenthalschule, und die konnte ich dann wählen. So bin ich dann 1965 nach Hermannstadt gekommen und habe an beiden Schulen unterrichtet. Zuerst hatte ich die Basis am Pädagogischen Lyzeum und war dort auch Klassenlehrer für zwei Jahrgänge. Erst seit 1980 bin ich dann mit der Basis an die Brukenthalschule gegangen und war dort Klassenlehrer. Unterrichtet hatte ich aber die ganze Zeit an beiden Schulen. Manchmal bin ich in der Pause von einer Schule in die andere gelaufen. Die Jahre am Päda waren wohl die schönsten.
Warum war das so?
Wir haben Lehrer, Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen hauptsächlich für unsere Dorfschulen ausgebildet. Und unsere Schüler kamen fast nur vom Dorf. Als Klassenlehrer musste man sie näher kennen lernen und ich habe auch alle zu Hause besucht. Mit meiner Klasse habe ich auch Schulreisen organisiert, von Siebenbürgen und bis ins Banat oder ans Meer. Das war sehr schön. Mit der einen Klasse hatten wir einen bunten Abend zusammengestellt und sind mit dieser Aufführung auf Tournee gefahren.
Wo haben Sie gespielt?
Auf den Dorfbühnen in Hetzeldorf, Zendersch, Walendorf, Jaad, Oberwischau und Bildegg. In manchen Dörfern haben die Zuschauer geweint, weil sie nach Jahren wieder einer deutschen Veranstaltung beiwohnen konnten.
Daran haben Sie bestimmt viele Erinnerungen…
Diese eine Schulreise ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben. Da wir mit einer Aufführung auch in andere Verwaltungskreise fahren wollten, musste ich um deren Bewilligung zum Kulturministerium nach Bukarest reisen. Dann hatten wir jeden Abend in einem anderen Dorf unsere Aufführung. In Bildegg hatten wir Schwierigkeiten mit dem Wein… (lacht)… da gibt es am Dorfrand viele Weinkeller. Ich musste zum Bürgermeister und zum Parteisekretär gehen, um die Bewilligung zu zeigen, und die waren alle in ihren Kellern und wir mussten überall anstoßen. Ich wundere mich auch heute noch, dass alles gut gegangen ist… Anschließend gab es in jedem der Dörfer noch Ball, dann haben die Schüler bei verschiedenen Familien im Dorf übernachtet und ich hatte am nächsten Morgen Schwierigkeiten, meine Leute einzusammeln, denn die Reise musste ja weitergehen. In der Brukenthalschule habe ich mit meinen dortigen Schülern ebenfalls viele Ausflüge gemacht.
Haben Sie nur Geographie unterichtet?
Nach der Wende, als die Lehrer ausgewandert sind, habe ich auch Biologiestunden übernommen und zeitweise auch Astronomie und Geologie unterrichtet. Diese Fächer waren leider mit der einen Wochenstunde jahrzehntelang benachteiligt und auch als Lehrer hatte man nicht genug Zeit, die Schüler kennen zu lernen. In einem Schuljahr hatte ich in meinen 18 Klassen zusammen 30 Schüler mit dem Familiennamen Schneider!
An den Schulen war ich übrigens auch verantwortlich für die Lehrbücher – die habe ich bestellt, ausgeteilt und wieder eingesammelt und wusste auch immer, welchem Schüler welches Lehrbuch fehlt.
Ich kann mich erinnern, dass Sie für alle Stunden viel Lehrmaterial dabei hatten… damals ohne Internet, im Kommunismus….
Ich habe sehr früh damit begonnen, Bildmaterial zu sammeln. Zuerst bin ich mit Bildalben durch die Klasse gegangen – diese Bücher habe ich von der einen zu der anderen Schule geschleppt. Dann habe ich Bilder aus Zeitschriften wie National Geographic, Geo und andere abfotografiert und Dia-Serien zusammengestellt, die ich im Laufe der Zeit ergänzt habe. Um diese Dia-Reihen im Unterricht einzusetzen musste ich mit der ganzen Ausrüstung – Diaprojektor, Bildschirm, Verlängerungsschnur, Verdunklungsvorhängen – von Klasse zu Klasse wandern. Erst später wurde mir im Päda ein Raum im Keller zur Verfügung gestellt, der dafür eingerichtet wurde. Nach der Wende hatte ich die Möglichkeit, für beide Schulen einen Klassensatz Diercke-Atlanten zu beschaffen und im Unterricht einzusetzen. Die Anschaulichkeit im Unterricht war mir immer schon wichtig!
Haben Sie das ganze Lehrmaterial den Schulen überlassen?
Ja, ich habe alle Dia-Serien auf eine CD gebrannt und an die Kolleginnen und Kollegen verteilt, soweit Interesse war. Aber ich habe den Eindruck, dass die CDs nicht benutzt werden. Das bringt nämlich Arbeit. Auch meine Arbeitsblätter stehen den Kollegen in der Schule zur Verfügung.
Sie hatten neben Ihrem Hauptberuf als Geographie-Lehrer auch weitere Aktivitäten…
Ja, von 1975 bis 1997 (anfangs auch zusammen mit anderen Kollegen) war ich Leiter der deutschen Vortragsreihe der Volksuniversität in Hermannstadt. Das waren wöchentliche Vorträge mit durchschnittlich über 100 Zuhörern. Ich hatte vorgedruckte Plakate, die ich ausgefüllt und dann an zehn Stellen im Stadtzentrum angebracht habe. Der für mehrere Monate zusammengestellte Vortragsplan umfasste Themen aus allen Bereichen, möglichst mit Bildern und Dias. Die Vortragenden kamen aus dem ganzen Land und mussten betreut werden. Die Vorträge fanden zuerst im Festsaal des Päda, dann in der Aula der Brukenthalschule und zuletzt im Forumshaus statt und mussten dort entsprechend vorbereitet werden. Diese Vortragsreihen habe ich auch schriftlich dokumentiert, damit diese damals für unsere deutsche Bevölkerung wichtige Kultureinrichtung bei der Beschreibung dieser Zeit nicht vergessen wird.
Das haben Sie ehrenamtlich gemacht?
Ja. Und fast ehrenamtlich war auch die Übersetzung mehrerer Geographie-Lehrbücher nach der Wende. Die Arbeit wurde minimal bezahlt.
Sie haben sich auch im Siebenbürgenforum für das deutschsprachige Schulwesen eingesetzt…
Zwischen 1998 und 2009 war ich Vorsitzender der Schulkommission des Siebenbürgenforums. In dieser Zeit habe ich elf Siebenbürgische Lehrertage organisiert und die jährliche Schulstatistik für ganz Siebenbürgen zusammen getragen.
Da gab es eine Neuigkeit.
Ja, meine Idee, die Lehrertage nicht mehr nur in Hermannstadt, sondern auch in anderen Städten – auch in kleineren Städten, wo es eine deutsche Schule gibt – zu organisieren, fand großen Anklang.
Sie haben Schulbücher nicht nur ausgeteilt und übersetzt, sondern auch gesammelt…
Ja, nach 1990 kam eine Dame vom Georg-Eckert-Institut aus Braunschweig und hat hier alte Schulbücher eingesammelt. Ich überlegte mir, dass wir die alten Schulbücher, die an den deutschsprachigen Schulen in Siebenbürgen verwendet wurden, und die von einheimischen Fachkollegen geschrieben waren, auch hier dokumentieren, also sammeln sollten, da sie ein Beweis für den jeweiligen Stand der schulischen Ausbildung sind.
Wo ist diese Schulbuch-Sammlung?
Diese Sammlung, die inzwischen meinen Namen trägt, befindet sich jetzt im Teutsch-Haus als Teil der Transilvanica-Bibliothek und ist Dank der Mithilfe von Kollegin Inge Sommer inzwischen auch elektronisch erfasst. Immer wieder dient sie Forschern als wichtige Quelle bei ihrer Arbeit. Seit bald zwei Jahren arbeite ich jetzt ehrenamtlich in der Bibliothek des Teutschhauses in Teilzeit.
Die HZ-Redakteure und die Leser warten immer auf die Ergebnisse der jährlichen Storchzählung. Seit wann machen Sie das?
Mein Schwiegervater Werner Klemm war Biologielehrer und hat sich mit Ornithologie und der Vogelwelt Siebenbürgens befasst. Als er 1988 ausgewandert ist, habe ich die Storchzählung übernommen und bis heute weiter geführt.
Haben Sie auch Hilfe dabei?
Seit 25 Jahren habe ich Hilfe von meinen guten Freunden Anselm und Matthias Ewert aus Brandenburg. Mein Enkelsohn Andreas Zeck kommt seit fünf Jahren auch mit, aber das wird schwieriger, da er aus der Schule nicht fehlen kann.
Sie sind auch im Rahmen der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien aktiv.
Das war dann nach der Wende auch für uns Mittelschulprofessoren möglich und so wurde ich Mitglied der Gemeindevertretung und des Bezirkskonsistoriums. Von 1999 bis 2010 war ich Bezirkskirchenkurator des Kirchenbezirkes Hermannstadt.
Als Bezirkskirchenkurator habe ich durch Besuche und bei Lektorengottesdiensten – ich habe über 90 Gottesdienste in 30 Gemeinden gehalten, zum Beispiel drei Jahre lang zu Weihnachten in Craiova und in Râmnicu Vâlcea -, die ich halten durfte, die Gemeinden und die Kuratoren in unserem Kirchenbezirk kennen gelernt. Durch meine 2008 erfolgte Wahl zum Landeskirchenkurator, die dann bei weiteren drei Wahlen bestätigt wurde, hat sich mein Aufgabenbereich geographisch auf das ganze Land erweitert.
Ihnen sind die Verbindungen zu den Kuratoren sehr wichtig.
Ich habe mir als Landeskirchenkurator selbst die Aufgabe gestellt, die Verbindung der Kirchenleitung zu den Gemeindekuratoren zu festigen. Das habe ich zu erreichen versucht durch die Veranstaltung der jährlichen Kuratorentage, durch Besuche vor Ort (z.B. bei runden Geburtstagen), Glückwunschkarten zu den Hochfesten Weihnachten und Ostern, viele telefonische Anrufe, die z.T. seelsorgerlichen Charakter hatten. Aber auch bei den Rüstzeiten/Seminare für neugewählte Presbyter oder für Lektoren habe ich mitgeholfen. All dieses stärkt den Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt unserer kirchlichen Mitarbeiter. Aus den Gemeindekuratoren, die inzwischen nicht mehr nur Männer sind, sind durch den Rückgang der Gemeindemitgliederzahl inzwischen die Ansprechpersonen geworden, die in nicht wenigen Gemeinden zu Schlüsselverwaltern (der Kirche oder Kirchenburg) wurden. Aber auch sie zu kennen und bei ihrem meist ehrenamtlichen Einsatz zu stärken ist mein und das Anliegen unserer Kirche!
Vor Ihnen liegen vier Alben mit Fotos von den Kuratoren. Was wird daraus?
Vielleicht wird einmal ein Fotoalbum draus. Ein Teil dieser Bilder ist im Großformat im zweiten Stock des Bischofshauses zu sehen.
Sie haben auch einige Bücher herausgebracht.
Bei den Fahrten durch unsere siebenbürgischen Dörfer habe ich gemerkt, dass es hie und da noch einen Hausspruch an den sächsischen Häusern gibt. So kam ich auf die Idee, diese zu dokumentieren, bevor sie verschwinden. Inzwischen wohnen andere Leute in den Häusern, die renovieren das Haus und streichen es und wissen gar nicht, was dort steht. Diese Dokumentation der deutschen Haussprüche in Siebenbürgen ist 2014 als Buch erschienen und meine Frau Ilse hat mir dabei wesentlich geholfen. Darin sind viele Haussprüche zu finden, darunter zwei in Urwegen sogar in Notenform geschrieben. Je nachdem, wie streng der Parteisekretär war, mussten in der kommunistischen Zeit in manchen Dörfern die Haussprüche abgedeckt werden. Diese Hausbesitzer haben eine Möglichkeit gefunden, ihre Haussprüche sichtbar zu erhalten, denn da sind die Noten der Lieder „Ein feste Burg ist unser Gott” und „Nun danket alle Gott”.
Mit Hans Klein habe ich auch den Bildband „Lebendiges Siebenbürgen” herausgebracht. Zu meinen Fotos hat Hans Klein Gedanken und Gedichte aufgeschrieben.
Das Album „Denkmäler und Gedenktafeln für die im Januar 1945 in die Sowjetunion deportierten Rumäniendeutschen” ist 2020 in Zusammenarbeit mit Erwin Josef Țigla erschienen. Wir haben darin die Denkmäler aus 175 Orten aus dem Banat, Nordsiebenbürgen und Siebenbürgen für die Tausenden Opfer der Deportation der Rumäniendeutschen dokumentiert.
Was hat es für Sie bedeutet, dass sie 2009 die Honterus-Medaille erhalten haben?
Es ist eine große Ehre und Genugtuung, dass die Arbeit, die man geleistet hat, von der Gemeinschaft auch anerkannt wird. Ich habe mich für die Gemeinschaft, für meine Heimat eingesetzt. Darin sehe ich mich aber nicht allein gewürdigt. Solche Würdigungen beziehe ich auch auf alle Gleichgesinnten, die geblieben sind und sich für den Fortbestand unserer deutschen Gemeinschaft eingesetzt haben. Denn manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie es heute bei uns aussehen würde, wenn alle Rumäniendeutschen nach 1990 ausgewandert wären?
Haben Sie Zeit, sich zu langweilen?
Ich bin sehr beschäftigt und das ist auch gut. Man braucht Beschäftigung. Ich kann auch im Garten arbeiten, aber ich habe mich immer für die Menschen eingesetzt. Für die Gemeinschaft. Das ist mein Leben.
Herzlichen Dank.