Besuch bei den Filmemachern Gábor und Áron Xantus (II) / Von Werner FINK
Ausgabe Nr. 2793

Zeichnung von János Xantus
„Dann haben wir Pfeifen ausgetauscht, und noch während des Rauchens bot mir mein neuer Freund seine Töchter an, damit ich eine zu meiner Ehefrau auswähle, – wofür ich mich natürlich bedankte, versprechend, dass ich mir diese wichtige Angelegenheit überlege.“
In der ersten Hälfte der 90er Jahre haben sich Gábor Xantus und sein Sohn Áron, heute Filmregisseur, Kameramann und Leiter des Xantus Filmstudios, auf den Weg gemacht, um die Laufbahn ihres reisenden Vorfahren János Xantus zu erforschen. „Wir sind auf den Spuren von Xantus in Nordamerika entlanggegangen. Wir haben auch die Stämme, also was von ihnen übriggeblieben ist, gefilmt, und wir haben versucht, diesen Lebensweg zu rekonstruieren, wenigstens die verschiedenen Schauplätze in Kalifornien festzuhalten, wobei wir seine Briefe dafür benutzten“, sagte Gábor Xantus. Daraufhin folgte eine andere Expedition in den Fernen Osten, wo János Xantus nach seiner Rückkehr aus Amerika forschte und von wo er auch volkskundliches und biologisch-wissenschaftliches Material nach Ungarn schickte. Ein Großteil davon ging während des Zweiten Weltkrieges leider verloren.
Nach der Amerika-Reise hatten die beiden auch das Karl May-Museum in Dresden besucht. „Wir haben mit den Forschern dort Kontakt aufgenommen und haben uns erkundigt, ob es einen Briefwechsel zwischen Karl May und Xantus gegeben hat. Wir haben aber nichts gefunden“, sagt Xantus. „Die Karl May-Romane wurden auf jeden Fall zeitlich später als das Xantus-Material verfasst. Also konnte nicht Xantus von Karl May übernommen haben, sondern es muss umgekehrt gewesen sein.“ So ist im Band ,,Winnetou I“ von Karl May zu lesen: ,,’Dieses Greenhorn ist wirklich ein ganz außerordentliches oder vielmehr ungewöhnliches Greenhorn! Hat das Pferd halb tot gedrückt, anstatt sich in den Sand werfen zu lassen! Wer hat Euch das gelehrt, Sir?‘ ‚Der Zufall, der mir einen halb wilden, ungarischen Pußtenhengst, der niemand aufsitzen lassen wollte, zwischen die Beine gab. Ich habe ihn nach und nach bezwungen, dabei aber fast das Leben riskiert'“.
Inzwischen gibt es auch neue Gesichtspunkte. Ana-Maria Bărgan suchte Áron Xantus auf und erzählte davon, dass ihr Großvater Iosif Krausz, Feuerwerker beim Petrila-Bergwerk und Vertreter der Deutschen aus dem Schiltal im Zentralkomitee der Rumänischen Kommunistischen Partei, aus Hingabe zu verschiedenen Bereichen, darunter zur Literatur, auf den Zusammenhang zwischen Xantus und Old Shatterhand gekommen sei, ein Manuskript verfasst und dieses Franz Remmel gezeigt habe. „Das ist jetzt alles Vermutung. Remmel hat allerdings nie davon erzählt, von wo er seine Hinweise hatte“, meint Gábor Xantus. „Unabhängig davon, wer was behauptet, gibt es Passagen, die diese Frage aufkommen lassen.“

Die Xantus-Kapelle bei Hosszúaszó.
Was die Familie Xantus betrifft, so sind ihre Wurzeln im Szeklerland zu suchen. Bereits der Königsrichter aus der Gegend von Csíkszereda/Miercurea Ciuc/Szeklerburg, der 1694 gegen die Tataren kämpfte und in der Schlacht fiel, trug diesen Namen. Woher dieser griechisch klingende Name? Angeblich sollen die schriftkundigen Szekler gemäß einer Mode jener Zeit ihre Namen entweder latinisiert oder gräzisiert haben. Eine Kapelle wurde bei Hosszúasszó/Hosasău, heute ein entvölkertes Dorf, zu dessen Gedenken errichtet und 1990 wiederaufgebaut. Laut Gábor Xantus leben Personen mit diesem Namen heute in Csíkszereda/Miercurea Ciuc, in Klausenburg, und die Nachkommen eines näheren Zweiges der Familie in Budapest.
Ob Zufall oder nicht, auch wenn die Familienmitglieder von Seitenzweigen des Xantus-Stammbaumes abstammen, zeigen sie ähnliche Interessen: Expeditionen, Naturforschung und dergleichen. Der Vater von Gábor Xantus, auch ein János Xántus, war ebenfalls Naturwissenschaftler, wie auch sein Großvater, der ebenfalls den Namen János Xántus trug. Wie es dazu kam, dass Gábor Xantus Filmemacher wurde? Er ist damit aufgewachsen. Sein Vater hatte in den 50er Jahren das Drehbuch des ersten rumänischen Farbnaturfilms verfasst, wo es um das Retezatgebirge ging: „Pe muntele Retezat“. Er wurde vom ,,Alexandru Sahia“-Filmstudio gedreht und wurde ein Erfolg. Gábor Xantus bekam vom Vater eine kleine 8mm-Kamera, die ihm als Kind Freude bereitete. „Den ersten Film drehte ich mit 16 Jahren“, sagte Xantus. „Als Mitarbeiter des rumänischen Fernsehens Anfang der 70er Jahre auf Korrespondentensuche waren, haben sie gehört, dass ich ein Amateurfilmemacher bin, sie wussten aber nicht, dass ich so jung bin. Sie sahen, dass ich brauchbare Filme machen kann und verschafften mir eine Kamera und Film und so hab ich mich mit 16 Jahren hinter die Kamera gestellt und mache das bis heute und habe das jetzt auch meinem Sohn übergeben“.
Inzwischen hat Gábor Xantus über 100 eigene Dokumentarfilme gedreht. Bei 300 Dokumentarfilmen hat er als Regisseur oder als Kameramann mitgewirkt und die Anzahl der Kurzfilme, die nur einige Minuten lang dauern, belaufen sich bestimmt auf die 1000.
Und dabei wird vor allem über die Expeditionsfilme in die Stapfen von János Xantus getreten. Im allerersten Expeditionsdokumentarfilm, den Gábor Xantus und sein Sohn Áron machten, gingen die beiden tatsächlich auf den Spuren von János Xantus los. Dann folgten auch andere Expeditionsdokumentarfilme. Auf den Spuren von Sámuel Fenichel ging es in Straßburg am Mieresch los, dann kam Lajos Biró an die Reihe, ein Erforscher von Papua-Neuguinea, dann ging man in Afrika den Spuren von László Sáska nach, der ebenfalls in Straßburg am Mieresch geborene Arzt, Forscher und Filmemacher. Außerdem gelang es, einen Großteil der von ihm in Afrika gefilmten Aufnahmen zu retten. Die beiden Xantus waren inzwischen mit der Kamera bereits auf jedem Teil der Erde unterwegs: Indonesien, Polynesien, Mikronesien, Australien, Borneo, Südafrika, Namibien, Äthiopien oder Tansania, die Länder Europas gar nicht mitgezählt. Und zuletzt waren sie zwei Mal in der Antarktis und zwar auf den Spuren von Emil Racoviță (1868-1947), der als Biologe und Fotograf Mitglied der allerersten Antarktisexpedition auf dem Schiff „Belgica“ war. Unter großem persönlichem materiellen und zeitlichen Aufwand ist nun der Expeditionsdokumentarfilm „To know, or not to know“ im Xantus Filmstudio entstanden, der 2021 die Auszeichnung der Rumänischen Akademie und Ende September dieses Jahres den Preis des Verbandes der Rumänischen Filmemacher (UCIN) für den besten Fernsehfilm (Dokumentarfilm) bekam. In der Geschichte des rumänischen Dokumentarfilms soll es geografisch gesehen, der Großangelegteste sein. In fünf Jahren wurden über 40.000 Kilometer zurückgelegt. Es wurde an über 200 Tagen gedreht, in Höhlen, auf unwegsamen Pfaden, auf 3 Kontinenten, in 7 Ländern.
Geboren ist Emil Racoviță in Jassy. Er lernte in Paris an der Sorbonne, von wo er dann in das Team der ,,Belgica“ kam. Die zweite Hälfte des Lebens verbrachte er in Klausenburg. Zum Lebenswerk von Racoviță gehören auch seine Höhlenforschungen, angefangen vom Bihor-Gebirge bis hin zu Spanien und Nordafrika. „Der Film ist nun fertig und wir warten darauf, dass jemand ihn bemerkt und hilft, den Film auf den Markt, auf die Leinwand, an Schulen, Universitäten usw. zu bringen“, meint Gábor Xantus. Es gibt zwar zwei Racoviță-Statuen in Klausenburg, allerdings als 1997 der Gedanke des Films über die ,,Belgica“-Expedition aufkam und Xantus zwei Studentengruppen mit Kameras zu den Statuen schickte, stellte es sich heraus, dass die Passanten keine Ahnung hatten, wer Racoviță war. So entschloss man sich, den Film zu machen. Schließlich waren unter den fünf Nationen, die als Erste die Antarktis betreten haben, durch Racoviță auch die Rumänen vertreten.
Ein weiteres Ziel ist nun, im Filmstudio ein Museum zur Filmgeschichte zu eröffnen, das erste dieser Art in Rumänien. Bestehen wird es aus dem Material, das im Verlauf der Jahre gesammelt wurde. „Klausenburg ist eine Wiege der Filmkunst. Im Zeitalter des Stummfilms wurden hier mehr als 70 kleine Spielfilme gedreht. Ein Museum ist also hier am richtigen Platz“, meint Gábor Xantus.
Ein weiterer Gedanke der beiden Xantus ist, einen Film zum Thema Old Shatterhand/Xantus auch auf Deutsch zu machen, falls sich ein geeigneter Partner dafür findet.
Gábor Xantus unterrichtet an der Filmabteilung der Fakultät für Theater und Filmwissenschaft der Babeș-Bolyai Universität. 35 Jahre lang war er beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen tätig. Sein Sohn Áron Xantus ist ebenfalls Filmemacher und hat sich vor allem auf Expeditionsdokumentarfilme spezialisiert. Seine Doktorarbeit schrieb er ebenfalls in diesem Bereich. Er ist der Leiter des Klausenburger Xantus-Filmstudios, das unter diesem Namen seit 2005 funktioniert. Die Grundlagen des Studios legte sein Vater Gábor Xantus bereits im Januar 1990. Gábor Xantus verbrachte als Kind jeden Sommer in den siebenbürgisch-sächsischen Dörfern Reichesdorf und Birthälm, weil ihn seine Eltern dorthin schickten, um Deutsch zu lernen. Heute noch kann er sich an die Kloos Hanni-Tante erinnern.