Intensiv interpretiert

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Vorpremiere an der deutschen Abteilung des RST

Ausgabe Nr. 2791

Mit der Vorpremiere der Tragödie „Die Zofen“ von Jean Genet eröffnete die deutsche Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters  am 8. Oktober 2022 die neue Spielzeit. Ein gut gewähltes Stück vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, der Klimakatastrophe, der Suche der Menschen nach Identität und Lebenssinn.

Der Autor Jean Genet, 1910-1986, eine Persönlichkeit, die sich in der Zeit seines Leben in Nischen am Rande der Gesellschaft aufgehalten hat, schrieb 1947 den Einakter „Die Zofen“, der ständig zwischen Tragödie und Komödie oszilliert. Dem Wunsch Jean Genets nachgekommen ist der regieführende  Hunor Horvath mit  den Hauptdarstellern, den zwei Zofen  ,,Solange“ und „Claire“ – dargestellt von Yannick Becker und Benedikt Häfner -, sowie der „Madame“, dargestellt von Daniel Bucher, die männliche Schauspieler sein sollten.

Hunor Horváth und sein Team interpretierten das Stück als Spiegel der Gesellschaft, grandios aufgeführt auf der drehbaren Bühne, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt war und in der Mitte durch eine durchsichtige Wand getrennt war. Durch die Wand waren immer wieder die Schatten, die verborgenen,  die Identität suchenden Menschen zu sehen, die mit einer Videokamera von der Bühne aufgenommen wurden. Nichts war real, alles schien fließend, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verflossen im Spiegelbild der Wasseroberfläche. Hinter der Schattenwand war das Punkorchester „RakLap“ von Magor Bocsárdi als Blumenschmuck platziert und wurde immer wieder durch Drehen des Bühnenteiles ins Angesicht des Publikums verbracht, um dann zum Stück passende Klassiker wie zum Beispiel das Kultstück der Politrockband „Ton Scheiben Scherben“ „Der Traum ist aus“ zu spielen. Das Spiel und der Gesang von „RakLap“ waren von einer durchdringenden Inbrunst, dass es den begeisterten Zuschauern im Radu Stanca-Theater  schwer gemacht wurde, still sitzen zu bleiben.

Die Zofen Claire und Solange sind Angestellte der ,,Gnädigen Frau“, liefern sich im Wasser stehend einen Kampf, ein Spiel, in dem es um die Machtstrukturen im Haushalt geht, Gewalt und Unterdrückung bestimmen die Szenen, die Ermordung der Madame, der Herrin, ist das Ziel. Grenzen zerfließen zwischen Wahrheit und Spiel, brillant zu sehen in unterschiedlichen Schuhen, nassen, den Körper konturlos machenden Kostümen und geschminkten Gesichtern. Die Schauspieler Yannick Becker und Benedikt Häfner spielen die Zofen und deren Intrige voller Authentizität und mit Hingabe. Die Rolle der Madame, quasi die Bourgeoisie darstellend, die Herrin, wurde von Daniel Bucher und seiner einnehmenden Statur, gehüllt in einen Pelzmantel,  genauso angenommen und sehr intensiv interpretiert.

Der Höhepunkt der Inszenierung war die Gesangseinlage der „Madame“, auf einem Podest stehend und in Pelz gehüllt.  Daniel Bucher schmetterte ein Rhythm and Blues-Stück derart intensiv, dass man sich in die Baumwollfelder am Mississippi versetzt fühlen konnte, was das Publikum in einen kollektiven Taumel versetzte. Grandios.

Überhaupt war das Publikum ein wesentlicher Teil der Inszenierung, was auch in der neugierig machenden, das Stück erklärenden Begleitung von Jean Genet, dargestellt von – wie könnte es anders sein, ist Jean Genet doch ein Mann -,  der anmutigen Ana Tiepac. Nichts ist, wie es scheint. Ana Tiepac kündigte ein berauschendes, nervendes, wirksames Stück an und am Ende war es genauso gekommen, ein berauschtes Publikum zollte dem Schauspielensemble um Hunor Horváth minutenlangen, frenetischen, verdienten Applaus. Unbedingt sehenswert!

Lothar SCHELENZ


Besetzung

Darsteller: Yannick Becker und

Benedikt Häfner, Daniel Bucher

und Ana Tiepac

Regie: Hunor Horváth

Bühnenbild: Előd Golicza

Kostüm: Zsófia Gábor

Video und Visuals: Dan Basu

Lichtdesign:

Cristian-Gabriel Niculescu

Choreografie:

Edith Buttingsrud Pedersen

Dramaturgie und Texte:

Paula Breuer

Übersetzung und Untertitel:

Eva Frățilă

Musik: Magor Bocsárdi & „RakLap“ Orchester: Tamás Kolozsi (E-Gitarre und Klavier), Tas Kerezsi (Schlagzeug), Máté Duka (E-Gitarre), Soma Kolozsi (Bassgitarre), Dorka Mihály (Sängerin), Mátyás Hubbes (Sänger).

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.