Gespräch mit Luca Schaff über seine in Rumänien gesammelten Erfahrungen
Ausgabe Nr. 2792
Wer durch Rumänien reist, hat viele Möglichkeiten, von Flugzeug, über Zug bis hin zum Auto. Der Ostwestfale Luca Schaff hat sich gegen all das entschieden und ist im Sommer 2022 mit dem Fahrrad quer durch Siebenbürgen und über die Transfogarascher Hochstraße bis nach Bukarest gefahren. Der 25-Jährige erzählte im Interview mit der damaligen HZ-Praktikantin Annika K ö n n t g e n, wieso er das gemacht hat und was er erlebt hat.
Stell dich bitte vor.
Ich bin Luca Schaff, 25 Jahre alt und in Ostwestfalen geboren und aufgewachsen. Ich arbeite seit Kurzem im Kindergarten der Deutschen Schule Bukarest und habe früher in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung gearbeitet. Auf dem Weg dazwischen bin ich mit dem Fahrrad quer durch Europa von Deutschland nach Rumänien gefahren.
Warum hast du die Fahrradreise gemacht?
Ich liebe Fahrradfahren. Ich genieße die Freiheit und die Unabhängigkeit. Auch das Reisen macht mir Spaß – andere Kulturen und Landschaften zu sehen und viel Zeit in der Natur zu verbringen. Als ich beim vorherigen Job gekündigt hatte, wollte ich das beides verbinden. Ich hatte schon länger vor, eine lange Reise zu machen. Das habe ich dann einfach gemacht. Ich habe meinen Haushalt in Deutschland fast komplett verschenkt oder verkauft, meine restlichen Sachen gepackt und bin dann einfach losgefahren.
Warum war dein Ziel Rumänien?
Weil ich hier einen Job bekommen habe. Ich wollte mich irgendwo niederlassen, das war mein Ziel. Wenn ich zum Beispiel in Bulgarien einen Job bekommen hätte, wäre ich auch dorthin gefahren.
Du hattest vorher also keine Verbindungen zu Rumänien.
Nein. Ich spreche kein rumänisch und kenne niemanden aus Rumänien, zumindest nicht, bevor ich die Reise angetreten habe. Ich war vorher noch nie hier. Ich bin bewusst relativ naiv an die Sache rangegangen und es hat Spaß gemacht.
Wo warst du in Rumänien unterwegs?
Ich bin in der Nähe von Sathmar über die Grenze von Ungarn aus nach Rumänien eingereist. Von da bin ich über verschiedene Täler und Hügel durch Siebenbürgen gefahren. Ich habe viele nette, offene und hilfsbereite Menschen kennengelernt und einige nette Campingplätze entdeckt. Ich bin anschließend entlang von Kirchenburgen gefahren, durch Birthälm und Reichesdorf und ganz viele andere kleine Ortschaften. Dann bin ich an der Transfogarascher Hochstraße, die Siebenbürgen mit Südrumänien verbindet, angekommen, wo ich dann mit dem Fahrrad drüber gefahren bin. Von Anfang an war es ein großes Ziel für mich, dass ich das schaffe und ich wusste bis zu dem Tag, wo ich losgefahren bin, nicht, ob das wirklich funktioniert. Aber tatsächlich habe ich das geschafft und war mega glücklich darüber, ich bin es heute noch.
Was hast du auf dem Weg erlebt?
Auf dem Weg habe ich drei Bären getroffen am Straßenrand. Das war für mich ein großer Traum, so große Tiere zu sehen. Ich war nicht darauf vorbereitet, wie ich mit ihnen umgehen kann. Ich hab mich aber ein bisschen blauäugig darauf verlassen, dass mir Menschen helfen würden. Das haben sie auch gemacht. Ich wurde durchgehend von Autofahrern gewarnt. In der einen Situation mit einer Bärenmutter und ihrem Kind ist ein Auto als Schutzschild zwischen mir und dem Bären vorbeigefahren. In einer anderen Situation hat eine Familie mich mit sich ins Auto genommen und wir sind dann vom Bären weggefahren, der uns hinterhergelaufen ist. Als der dann irgendwann im Wald verschwunden ist, hat die Familie nochmal umgedreht und mich zu meinem Fahrrad zurückgebracht. Eine große Geste.
Du warst in vielen Ländern mit dem Fahrrad unterwegs. Ist Rumänien in irgendeiner Art und Weise aufgefallen?
Von den Menschen, denen ich auf der Reise begegnet bin, waren die Menschen in Rumänien im persönlichen Kontakt am offensten und herzlichsten. Zum Beispiel bin ich irgendwann in einem Dorf nahe Schäßburg gestrandet, wo ich Deutsche kennengelernt habe, die dort wohnen. Die haben mich total freundlich empfangen, mir einen Platz zum Zelten angeboten und eine Dusche, was zum Essen und zum Trinken.
Und wie ist die Situation zum Fahrradfahren im Vergleich zu anderen Ländern?
Es macht mir keinen Spaß, in Rumänien auf dem Fahrrad am Straßenverkehr teilzunehmen. Zum Beispiel wird viel zu häufig nicht der für Sicherheit nötige Abstand eingehalten, das ist mega gefährlich. Das ist traurig, aber nicht nur in Rumänien ein Problem, das hab ich auch in vielen anderen Ländern gemerkt. Für mich war Rumänien das unangenehmste Land, was das angeht. Außerdem finde ich, dass Rumänien viel Potenzial für Radrouten hat, gerade für Reisende auf Langstrecken. In anderen Ländern gibt es zum Beispiel Routen an interessanten oder historischen Gebäuden vorbei. Ich bin mir sicher, dass so etwas in Rumänien möglich wäre, weil es hier so viel zu sehen gibt. Es ist schade, dass das nicht genutzt wird.
Würdest du trotz allem, wenn du nochmal auf Reisen gehst, wieder mit dem Fahrrad losziehen?
Auf jeden Fall. Wie gesagt, ich bin frei und unabhängig, vom öffentlichen Nahverkehr, von Benzinpreisen, von einem funktionierenden Auto und so. Das einzige Benzin, das ich brauche, sind ein paar Müsliriegel und ein paar Äpfel. Außerdem weiß ich: Das Klima wird nicht besser. Ich möchte meinen eigenen Fußabdruck so klein wie möglich halten und gleichzeitig noch ein bisschen was von der Welt sehen. Ich brauche kein Flugzeug und keine Züge, keine Busse und kein eigenes Auto. Zwei Räder reichen.
Hast du Gegenden von Rumänien kennengelernt, die du nicht gesehen hättest, wenn du auf anderem Wege unterwegs gewesen wärst?
Definitiv. Zum Beispiel dieses kleine Dorf in der Nähe von Schäßburg. Da bin ich fast schon zufällig drüber gestolpert. Ich habe im Nachhinein nachgeschaut, es gibt keine Busse dorthin, ich wüsste auch nicht, wieso ich dieses explizite Dorf hätte erkunden sollen, wenn ich mit dem Auto unterwegs gewesen wäre. Ich bin sehr froh, dass ich die Menschen dort getroffen habe und ich bin überzeugt, dass das mir nur mit dem Rad passiert wäre.
Danke für das Gespräch.