Streiflichter von der Kunstmesse ,,Paris+ par Art Basel“ / Von Claus REHNIG
Ausgabe Nr. 2793
,,Selten war das Geschiebe auf einer Kunstmesse in Paris größer als auf der ersten ‚Paris+ par Art Basel‘. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich nichts anderes als ein neuer Ableger der weltweit wichtigsten Messe für Gegenwartskunst, der Art Basel“, schwärmte Reporter Thomas Walde im ZDF-Mittagsmagazin am Freitag, dem 24. Oktober 2022. Und tatsächlich herrschte eine äußerst positive Stimmung bei der Nachfolgerin der FIAG, die Jahrzehnte lang die Geschicke dieser Pariser Kunstmesse leitete. Die Stadtverwaltung von Paris, die Paris wohl zur Weltkunst-Hauptstadt wandeln will, gab diesmal den Zuschlag an Art Basel, die über größere Verbindungen zu internationalen Kunstsammlern verfügt.
Die Aufbruchstimmung, die die bisherige Schwerfälligkeit und das etwas zu grandiose Stardenken ablöste, war ein erstes Zeichen. Kann Paris nach London und New York führend werden auf dem internationalen Kunstmarkt? Die Zukunft wird es zeigen. Aber die rege Kauflust, die herrschte, lässt denken, dass frisches Blut manchmal Wunder tut. Gleich am ersten Tag ging ,,Border“ von Joan Mitchell für 4,5 Millionen Dollar weg. Große Zeitspannen wurden an den ersten zwei Tagen für VIPs und Sammler reserviert, aber man darf die große Zahl normaler Besucher nicht vergessen, die immerhin 40 Euro für ihr Ticket hinlegen müssen. Das ist nicht wenig, doch schien das Interesse bedeutsam. Es war der Ort der Woche (das Grand Palais Ephémère, das wirkliche Grand Palais wird renoviert) von dem ganz Paris sprach und wo man gewesen sein musste.
Was war zu sehen? Außer der Präsenz einiger amerikanischer Galerien nicht mehr als sonst, nach Aussagen einiger Spezialisten. Eine Messe ist keine Ausstellung: man ist da, um zu verkaufen. So z. B. Jim Dine, der Spaten, Rechen und andere Gartenwerkzeuge auf einem Bild befestigte, eines seiner Meisterwerke von vor 20 Jahren für 450.000 Euro. Oder auch ein großformatiges Photo von Jeff Wall ,,A Woman and her Doctor“ für sage und schreibe 2 Millionen. Oder Ron Muecks Skulptur ,,Woman with shopping“, die für knapp eine Million wegging. Pierre Soulages wie so oft mit einem ziemlich teuren tiefschwarzen Monochrom, diese Art Bilder kommen auch sonst wieder in Mode. Dominique Gonzalez-Foerster mit ,,Alienarum5″, farbige Neonbuchstaben bei Esther Shipper Berlin; bei Neu, Berlin vier blaugrüne Worte mit Leuchtbuchstaben: ,,Someone is getting rich“. Und Max Hetzler ebenfalls Berlin bietet einen Raymond Hains ,,Untitled 1967″ für 350.000 an, wo kaputte schmutzige Poster auf Metall geklebt sind. Großen Erfolg hatten 194 Glaskugeln auf einer Wand, die die Farben violett, gelb und schwarz ändern, je nach Standpunkt (500.000), ebenso Ai Weiwei’s ,,Schlafende Venus 2022″. Sie ist aus Legosteinen produziert, 5 x 3 Meter, eine Heidenarbeit, die immerhin mit einer Million Euro belohnt wird. Bei der selben Galerie, Neugerriemschneider, dann auch zerbrochene, versaute Spanplattenstücke MM01 von Thilo Heinzmann für 78.000. Aber auch kleinere Werke gab es. Bei Barbara Weiss aus Berlin ein Werk von Sung Thieu für 20.000, bestehend aus einem (nagelneu aussehenden) Koffer mit Handtuch, Buch, Schachspiel und Wecker und an der Wand dazu den eingerahmten Arbeitsvertrag (Fotokopie), der zwischen einem VEB Betrieb und der Vietnamesischen Regierung (damals ,,Brudernation“) ausgehandelt wurde, in deutsch und vietnamesisch auf allen drei Seiten.
Oft muss man auch erstmal mit dem Galeristen sprechen, wie bei nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien, wo wir auch Werke von dem in Bukarest geborenen und in Berlin und Hongkong lebenden Daniel Knorr entdeckten. Er verzichtet auf klassische Bildträger, sammelt irgendwelche Objekte wie Mauerstücke aus Berlin, die er dann in Polyurethan gießt. Bizarre, oft schreiend farbige Gebilde aus Kunstharz in leuchtenden Farben, aber auch sehr dekorativ, seine Inspiration funktioniert nun mal so.
Die Galerie Plan B aus Klausenburg/Berlin zeigte Bilder von Cornel Brudașcu (,,Ohne Titel“, 2022, ,,Liegende Figur mit Pferd“, 2020), Horia Damian (,,Cosmogonie“, 1990), Marieta Chirulescu (,,Ohne Titel“, 2021), Octav Grigorescu (,,Imaginäre Kreatur“, 1967, und ein großformatiges Bild von Adrian Ghenie (,,Ohne Titel“, 2022), eine Straßenszene, sehr überladen, für 1,6 Millionen. Für Plan B, wie für die meisten Galerien hat sich die Reise nach Paris gelohnt, war erfolgreich und es scheint, dass selbst der monumentale Adrian Ghenie verkauft wurde.
Auch einigen aufstrebenden Galerien gab ,,Paris+“ einen Platz und eine davon hatte Glück, weil sie von Lafayette Anticipations als beste aufstrebende bewertet wurde: Galerie Heidi aus Berlin braucht die Standmiete nicht zu bezahlen und der jamaikanische Künstler Akeem Smith, der über das kollektive Gedächtnis arbeitet, bekommt 4000 Euro und dazu noch 20000 Euro, um ein neues Werk bei der Fondation Lafayette zu produzieren. Seine hier gezeigten Wandskulpturen, zusammengeschusterte, geschmiedete teils bunte oder verrostete Eisenplatten, fanden institutionelle Abnehmer.
Neben ,,Paris+“ gibt es wie in den vergangenen Jahren wieder ein gutes Dutzend Off-Messen. AKAA (Also Known As Africa), die wohl Überzeugenste in diesem Jahr, für und mit afrikanischen Künstlern und solchen aus der afrikanischen Diaspora. Sie hatte den großen Abdoulaye Konaté eingeladen. Doch waren einige andere Künstler ebenso wichtig, wie etwa der Preisträger der Ellipse Art Projects Assoukrou Aké, der über Mischlingskinder während der Kolonisation der Elfenbeinküste reflektiert: über den Sinn des Lebens, mit seinen düsteren Holzschnittwerken, wo die Gesichter fehlen. Auch der Mülltourismus hat sein Gutes, so zeigt sich der Kongolese Maurice Mbikayi im Selbstporträt in einem Haufen von Unrat und alten Computern. Eine der Stärken der Afrikaner ist, mit dem zu arbeiten, was sie haben, wie Placido Pocho Guimaraes: Papier, Sisal, Jute, Draht, Stoffe, Muscheln und Teile von Getränkedosen. Georgina Maxim zerschneidet Stoffe und Kleider und näht sie zusammen.
Paris Internationale fand man in einem alten im Umbau befindlichen Gebäude mit einfachen Zwischenwänden, an denen die Werke aufgehängt werden können und einem Stuhl für den Künstler oder Galeristen. Minimumkomfort. Und es gibt auch da zahlreiche Galerien, die in den anderen Messen die Platzgebühr nicht bezahlen könnten. Der Weg zur Kunst ist schwer. Und da sind sie wirklich aus aller Welt von Jakarta bis Ankara oder Sao Paulo, Galerie Schiefe Zähne aus Berlin oder Galerie Jan Kaps aus Köln mit ihren seltsam beturbanten Personen aus einer imaginären Welt von Kenneth Bergfeld.