Zwei neue Theaterstücke in Premiere gezeigt
Ausgabe Nr. 2787
Die Sommerpause des Hermannstädter Radu Stanca-Nationaltheaters ist vorbei und der September lockt die Theaterliebhaber mit zwei brandneuen Premieren und einer Weltpremiere. Es handelt sich um „MASS“ von Fran Kranz, „Jocuri, vorbe, greieri…“ in der Regie von Silviu Purcărete und „Romeo și Julieta“ nach William Shakespeare in der Regie von Andriy Zholdak. Zwei Premieren haben vergangene Woche stattgefunden, die letzte, „Romeo und Julia“ steht noch aus und wird am Samstag und Sonntag, dem 24. bzw. dem 25. September, im Theatersaal gezeigt.
Begonnen hat die neue Spielzeit am Radu Stanca-Nationaltheater mit einer Koproduktion zwischen RST und UNTEATRU aus Bukarest. „MASS“ ist das erste Stück des US-Amerikaners Fran Kranz, der damit im Oktober 2021 in den amerikanischen Kinos sein Debüt feierte. Auf einer Bühne wurde „MASS“ bisher noch nicht aufgeführt, am 8. September fand also im Lulu-Saal in der Kulturfabrik eine Weltpremiere statt.
Das Regisseursehepaar Andrei und Andreea Grosu haben, nachdem sie den Film gesehen haben, sofort an eine Bühnenfassung gedacht. Sie haben mit dem Autor Kontakt aufgenommen, der ihnen auch geantwortet und den Text zugeschickt hat, den er für die Bühne geschrieben hatte. Er schrieb auch das Drehbuch zu dem gleichnamigen Film. Er wurde hierzu inspiriert, nachdem er im Auto von der Schießerei an der Parkland High School im Jahr 2018 erfuhr und völlig übermannt von dem, was er hörte, an den Straßenrand fahren musste. Auch im Zusammenhang mit dem Amoklauf an der Columbine High School einige Jahre zuvor hatte Kranz von einem Vergebungsprojekt erfahren, bei dem Eltern und Hinterbliebene von Opfern und Tätern zusammengebracht werden, was den Kern seiner Geschichte bildet.
Kranz hatte sich mehrere Titel für seinen Film überlegt, bevor er sich für „Mass“, das englische Wort für den Gottesdienst, entschied, das jedoch auf vielfältige Weise interpretiert werden kann. In den Hauptrollen spielten Martha Plimpton, Jason Isaacs, Reed Birney und Ann Dowd. Der Film hatte Erfolg und konnte auch einige Auszeichnungen, z. B. den Publikumspreis bei dem Calgary International Film Festival gewinnen.
Ob das Theaterstück in Hermannstadt einen ähnlichen Erfolg feiern wird? Bei der Weltpremiere am 8. September flossen die Tränen vor allem bei den Zuschauerinnen im Saal. Die vier Schauspieler auf der Bühne – die laut Regisseur Andrei Grosu die vier besten Rumäniens seien – überzeugten die Zuschauer von der Tragödie, die sie durchmachen mussten. Es handelt sich um Ofelia Popii und Marius Turdeanu vom RST und Mihaela Trofimov und Richard Bovnoczki von UNTEATRU aus Bukarest. Sie spielen zwei Elternpaare, die sich in einer Kirche treffen, um über ihre Söhne zu sprechen, die beide vor sechs Jahren nach einem Amoklauf an einer Schule gestorben sind. Es sind die Eltern des Opfers versus die Eltern des Täters. Richard und Lindas Sohn war der verstörte Schütze, Jay und Gails Sohn eines seiner Opfer. Zunächst höflich und den therapeutischen Ratschlägen folgend, rücken zunehmend Schuldzuweisungen in den Vordergrund. Jay und Gail versuchen, jedes kleine Detail über den Mörder ihres Sohnes in Erfahrung zu bringen. Ofelia Popii spielt Linda, die Mutter des Amokläufers und Richard Bovnoczki ihren Ehemann Richard. Marius Turdeanu ist Jay, der Vater des Opfers und Mihaela Trofimov seine Gattin.
Die Schauspieler waren so überzeugend, dass die Zuschauer den Schmerz mitfühlten und nach der Vorstellung von den Gefühlen überwältigt wurden. In dem Stück geht es um den Dialog und nicht zuletzt um Vergebung, die zum Schluss auch passiert: Die Eltern des Opfers vergeben den Eltern des Täters und deren Sohn.
„Es handelt sich um einen Mord, um Vergebung. Es ist kein Stück über das wir sagen können, wir hoffen, es gefällt euch. Es ist kein Stück, das gefallen soll. Es ist ein schmerzhaftes Stück“, sagte Andrei Grosu bei einer Pressekonferenz vor der Premiere. Besonders viel Mut hätten die Schauspieler gehabt, sich an den Text heranzuwagen, der sehr schwierig und emotionsgeladen sei. Alle vier Schauspieler konnten sich gut in die Rollen hineinversetzen, da sie selber Eltern sind, das sei besonders schwer für sie gewesen. „Wir wünschen uns, dass der Autor Fran Kranz nach Rumänien kommt, um sich das Stück anzusehen und dass ein Dialog mit ihm darüber entsteht“, erklärte Andreea Grosu.
Die zweite Premiere des Monats September hatte den Theaterintendanten Constantin Chiriac in der Hauptrolle. Ihn verbindet eine lange Freundschaft mit dem Regisseuren Silviu Purcărete. Letzterer hat insistiert, dass Chiriac mit dem Publikum sein Talent als Gedichterezitator teilt. „Er ist der Schatzmeister einer riesigen und qualitativ hervorragenden Gedichtesammlung. Er hat ein einzigartiges Talent und kann Lyrik vortragen, wie kein anderer. Wir wollten das mit dem Publikum teilen. Constantin hat so viel poetisches Material, dass wir jedes Jahr ein neues Stück schreiben könnten“, erklärte Silviu Purcărete bei der vorangehenden Pressekonferenz.
Die Vorpremiere von „Jocuri, vorbe, greieri…“ fand am Samstag, dem 10. September, im Eugenio Barba-Saal in der Kulturfabrik statt. Der Saal war vollbesetzt bis auf den letzten Platz: Auf der Bühne befanden sich 17 Schauspieler des Radu Stanca-Nationaltheaters, die in einer winterlichen Atmosphäre sich wiederholende Bewegungen vollbrachten. Das Bühnenbild entwarf Dragoș Buhagiar und Vasile Șirli komponierte die Musik. Constantin Chiriac trug Gedichte vor, ohne dass es nur einen Augenblick langweilig wurde. Die Schauspieler sorgten für genügend Dynamik, obwohl es oft keinen Zusammenhang zwischen Lyrik und Geschehen auf der Bühne gab. Chiriac trug ganze aber auch Teile von Gedichten aus der rumänischen und internationalen Lyrik vor. Die Auswahl der Poesie sei, laut Purcărete, pur eklektisch gewesen, ohne auf ein gewisses Thema einzugehen. Es sei eine lockere Theateraufführung. Und genau als solche wurde sie auch vom Hermannstädter Publikum aufgenommen und genossen. Die Zuschauer lehnten sich zurück und genossen die Poesie des Gesprochenen und Gezeigten, ohne viel nach dem Sinn zu suchen.
Die letzte Premiere des Monats ist für den 24. und 25. September geplant. „Romeo und Julia“, nach William Shakespeare wird von Schauspielern und Schauspielstudenten der Theaterabteilung der Lucian Blaga Universität Hermannstadt in der Regie des ukrainischen Regisseurs Andriy Zholdak in rumänischer Sprache aufgeführt. Eintrittskarten sind auf der Homepage des Theaters (https://www.tnrs.ro/program) erhältlich.
Cynthia PINTER